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Fallons P.o.V.

Ich drehte mich auf die andere Seite, dabei fixierten meine Augen den Mond, dessen Licht fast mein gesamtes Zimmer erhellte. Eigentlich hatte ich nie Probleme bei Vollmond zu schlafen, doch ich bekam nicht für eine Sekunde meine Augen zu. Seit Stunden wälzte ich mich von einer Seite auf die andere, in der Hoffnung endlich der Realität entkommen zu können, allerdings schien das in diesem Moment unmöglich. In meinem Kopf ratterte es nur so vor tausenden Gedanken. Zum einen war der Traum, in welchem ich Cayden hatte sterben sehen. Ich verstand einfach nicht, was mir mein Unterbewusstsein damit sagen wollte, da es immerhin mehrere Wochen her ist, seit unsere Affäre ein Ende gefunden hatte. Vielleicht vermischten sich einige Ereignisse aus meinem Leben, der Tod von Cory und die schmerzhafte Trennung von Cayden. Natürlich war mir bewusst, dass beides nichts miteinander zu tun hatte, doch möglicherweise konnte mein Verstand gewisse Dinge einfach nicht mehr trennen. Vielleicht hatte der Traum aber auch eine tiefere Bedeutung. Damit meine ich nicht, dass ich in kürzerer Zeit Caydens Tod hervorsehen würde, sondern viel eher einen Abschluss mit dem Thema Cayden, obwohl ich mich alles andere als bereits fühlte, diesen Abschnitt meines Lebens zu akzeptieren und weiterzumachen. Zwar bemerkte ich die ersten Fortschritte, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was mich noch beschäftigte. Vermutlich würde es mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis ich wieder an einem Punkt angelangt war, dass ich diesem Thema stark und selbstbewusst gegenübertreten konnte. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass mich immer etwas daran hinderte, einen weiteren Schritt in die richtige Richtung zu machen. Seien es die Begegnungen mit Cayden selbst, oder auch nur kleine Dinge, die mich an unsere gemeinsame Zeit und besonders ihn erinnerten. Wie könnte ich überhaupt Fortschritte machen, wenn der Grund, weshalb ich einen Tiefschlag erlitten hatte, mir tagtäglich über den Weg laufen würde? Möglich, dass es dann nicht Monate, sondern Jahre dauern könnte. Ich hatte völlig unterschätzt, wie tiefgreifend meine Gefühle für Cayden waren. Ich hatte mich ihm vollkommen hingegeben, ich hatte noch nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, über diese ganze Sache genauer nachzudenken. Klar, ich hatte schon immer die Sorge, dass wir beide zusammen erwischt werden würden und dies dann folgenschwere Konsequenzen für das Ansehen der Familie und einen selbst hatte, aber an Konsequenzen, die weit emotionaler waren, hatte ich nicht gedacht. Ja, es hatte sich alles immer gut mit ihm angefühlt, und ja, es war anders als bei allen anderen Männern, mit denen ich in meinem Leben zu tun hatte, allerdings hatte ich nicht erahnen können, dass ich ernsthafte Probleme damit haben könnte, wenn das zwischen uns vorbei wäre. Ich wusste von Anfang an, dass unser Verhältnis zum Scheitern verurteilt war, deswegen hatte es mich selber überrascht, wie sehr ich mich ihm geöffnet hatte. Ganz unschuldig war Cayden in diesem Punkt jedoch auch nicht, er hatte mir ernsthaft das Gefühl gegeben, etwas besonderes zu sein. Er schafft es – auch wenn ich nicht ganz weiß, wie -, mich bei ihm wohlzufühlen, und das, obwohl ich anfangs ein ganz anderes Bild von ihm hatte. Ich versuchte mir zwar einzureden, dass er das nur getan hatte, um mich beschatten und überwachen zu können, aber mein Herz wollte das nicht wahrhaben, ich wollte das nicht wahrhaben. Deswegen konnte meine Theorie über den Abschluss unserer Affäre nicht wahr sein, sie durfte nicht wahr sein, weil sich jede Faser meines Körpers gegen dieses Ende sträubte.
Aber das war nicht das Einzige, dass mich wachhielt. Die Dateien auf dem USB-Stick waren mir wohl ein genauso großes Rätsel. Diese ganzen Bilder und Videos würden Cayden und mich ohne Zweifel verraten können, und doch ist noch nichts passiert. Ich wusste natürlich nicht, ob das wirklich der echte USB-Stick war, den wir beide bei Gregor DeLaurant gefunden hatten. Es bestand also immer noch die Chance, dass Cayden die echten Inhalte behalten und andere dagegen hinzugefügt hatte. So weit, so logisch.
Die Frage war nur, wieso zum Teufel sollte Cayden das tun. Warum sollte er sich die Mühe machen, diese Inhalte herauszusuchen, nur um sie mir zu überlassen? Um mir zu zeigen, dass er mich weiterhin in der Hand hatte? Danach sah es nicht wirklich aus, denn diese Inhalte würden auch ihn ins Aus ziehen. Oder war das einer seiner Versuche, mich umzustimmen? Mir vielleicht irgendetwas damit sagen zu wollen? Vielleicht, dass das zwischen uns doch nicht alles gespielt war, sondern echte Gefühle mit im Spiel waren und alles, worüber wir gesprochen hatten, der Realität entsprach? Oder hatten diese Fotos gar keinen tieferen Sinn? Waren sie einfach nur dafür da, um mich zu verwirren? Denn das taten sie durch und durch.
Es bestand zudem noch die Möglichkeit, dass es tatsächlich die Inhalte waren, die sich auf dem echten Stick befanden. Das würde bedeuten, Gregor DeLaurant und weiß Gott noch wer würde von Caydens und meiner Affäre wissen. Demnach würde unser Ende nicht mehr lange auf sich warten lassen, allerdings schien es nicht so, als würde Gregor DeLaurant einen vernichtenden Schachzug gegen mich planen. Aber wer wusste schon, was in diesem Mann vorging, wenn selbst seine nächsten Angehörigen einen Komplott zu fürchten hatten. Er war einfach undurchschaubar, deswegen würde es mich nicht wundern, wenn bereits irgendetwas im Gange wäre, dass mich und womöglich auch meine gesamte Familie ruinieren würde.
Das waren alles Fragen, auf die ich keine Antwort wusste, oder Theorien, die ich nicht belegen konnte. Ich wünschte, ich könnte diese Sachen einfach auf sich beruhen lassen, doch das wäre ein ziemlich dummer Fehler von mir, denn es stand nicht nur mein Leben auf dem Spielbrett von Gregor DeLaurant, sondern auch das meiner gesamten Familie und das von Cayden. Uns so sehr ich es auch verleugnete, sie alle waren mir immer noch wichtig.
Mein Blick schweifte auf die Uhr. 03:23 Uhr. Wenn das so weiterging, dann würde ich vermutlich einige Löcher in meine Einrichtung starren.
Ich setzte mich auf und sah durch mein Zimmer, bis meine Augen an dem Laptop hängen blieben, den ich vor einigen Stunden benutzt hatte, um mir die Dateien des Sticks anzuschauen. Seitdem herrschte nur ein noch größeres Fragezeichen in meinem Kopf als zuvor.
Ich fuhr mir durch die Haare, legte die Decke beiseite und schob meine Beine über die Bettkante. Meine leisen Fußtapser hallten von den Wänden wider, dabei achtete ich darauf, nicht allzu viel zusätzlichen Lärm zu verursachen. Seitdem mein Vater über Cayden und mich Bescheid wusste, hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, mich überall und in jeder Situation zu überwachen. Vermutlich hatte er immer noch Bedenken, dass wir uns heimlich weitertreffen könnten, was unter anderen Umständen wahrscheinlich zutreffen würde, doch ich hatte ihm alles erzählt und das schließt nun einmal unsere Trennung mit ein. Die besonders furchteinflößende Wache, die hinter meine Tür postiert war, wich dabei keinen Zentimeter von meiner Seite. Ich versuchte meinen Vater die ganze Zeit zu überzeugen, dass sein Handeln vollkommen überbewertet war, aber er ließ nicht locker. Ich hatte auch nichts anderes von ihm erwartet, allerdings ging mir die persönliche Leibeskontrolle langsam wirklich auf den Zeiger. Wenigstens konnte ich ihn bereits so weit bringen, dass wir nicht in demselben Zimmer sein mussten.
Ich schnappte mir meine Trainingssachen und stopfte sie in meine Tasche, dann schlich ich mich zu meiner Balkontür und floh so leise wie nur möglich aus meinem Zimmer. Die Sicherheitsleute, die vor unserem Haus postiert waren, konnte ich mit Leichtigkeit umgehen. Zum einen hatte die Zahl der Frauen und Männer in der letzten Woche etwas abgenommen, zum anderen waren sie in der Nacht nicht ganz so gründlich wie zu erwarten. Ich balancierte mich die Regenrinne entlang und stieg die Stufen der Feuerleiter hinunter, kurz beobachtete ich meine Umgebung, dann rannte ich an der Grenze unseres Anwesens entlang. Ich war mehr als froh, dass ich wenigstens so meinem Alltag entgehen konnte, ansonsten würde ich vermutlich in diesem riesigen Haus zu Grunde gehen.
Als ich an der Trainingshalle angekommen war, nahm ich mir etwas Zeit, um durchzuatmen. Es war lange her, dass ich mich dort blicken lassen ließ, doch in den letzten Wochen hatte ich wohl kaum einen Nerv an meine Konditionen zu denken. Aber es war genau das, was ich jetzt brauchen könnte. Etwas Ablenkung von all dem, was ich entkommen wollte.
Vorsichtig öffnete ich die Türen und spähte hinein. Als ich niemanden entdeckte, schlich ich in die Umkleidekabinen und zog mich um. Ich ließ all meine Sachen in einem Spind und lief in Richtung Halle. Ich konnte nichts gegen die Bilder machen, die automatisch vor meinem inneren Auge auftauchten, als ich die Türen passierte. Ich wusste noch ganz genau, wie überrascht ich war, als ich Cayden um dieselbe späte Uhrzeit hier vorfand. Das Ganze war eine halbe Ewigkeit her, denn in den darauffolgenden Wochen und Monaten passierte so unglaublich viel, dass das für ein ganzes Leben reichen würde.
Ich verdrängte jede einzelne Erinnerung und widmete mich lieber dem Training. Mein Leben sollte zumindest für eine Stunde pausieren, das hatte ich dringend nötig. Zuerst wärmte ich mich und dann tat ich das, worauf ich gerade Lust hatte. Ich versuchte mich an mehreren Geräten, widmete mich aber auch nur meinem Körper. Es fühlte sich immer wieder gut an, die angestauten Emotionen mit nur einem Schlag oder einer Übung abbauen zu können. Zwar brauchte es doch mehr als nur eine Trainingsstunde, um all meine Gefühle loslassen zu können, aber für den Anfang war es gar nicht einmal so schlecht. So konnte ich mich zumindest von den restlichen Problemen ablenken und stattdessen eine kurze Auszeit nehmen. Naja, zumindest versuchte ich es, denn ich konnte selbst beim Trainieren kaum meine tobenden Gedanken ignorieren.
Ich blickte auf die Uhr. 04:46 Uhr. Ich hatte eigentlich noch genügend Energie, die ich hätte an einem Boxsack rauslassen können, doch ich wollte unbedingt pünktlich wieder daheim sein. Mit Sicherheit würde die Sonne bald wieder aufgehen, sodass meine Rückkehr deutlich erschwert werden würde. Außerdem hatte ich wirklich keine Lust darauf, dass mein Verschwinden für eine weitere Sicherheitsmaßnahme sorgen könnte.
Ich räumte all die von mir genutzten Geräte wieder an Ort und Stelle, und machte mich auf den Weg zu den Umkleiden. Aus meiner Jackentasche zog ich einen kleinen Schlüssel hervor und öffnete damit den Spind. Zuerst kramte ich all meine Sachen zusammen, doch mittendrin bemerkte ich zwei verfehlte Anrufe. Ich runzelte die Stirn, denn immerhin war es so früh am Morgen, dass kein normaler Mensch bereits wach sein könnte. Als ich den Namen auf meinem Display sah, rutschte mir das Herz in die Hose. Eigentlich war ich bereits so weit, dass ich bei der Nennung des Namens nicht mehr emotional reagierte, doch ich hatte niemals damit gerechnet, dass Cayden mich tatsächlich anrufen könnte. Ich hatte ihm mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass er mich weder persönlich noch indirekt kontaktieren soll, das hatte auch geklappt – bis jetzt.
Ein kleiner Brief leuchtete auf und zeigte mir damit, dass meine Mailbox eine neue Nachricht beinhaltete. Ich seufzte und fuhr mir durch mein Haar. Das konnte doch nicht wahr sein. Hatte er es wirklich nötig, mich noch mehr zu belästigen? Die Anrufe waren mir bereits zu viel, doch eine persönliche Sprachnachricht war nochmal etwas anderes.
Mein Finger schwebte bereits über der Löschtaste als mich etwas zurückhielt. Was ist, wenn es etwas Ernstes war? Was ist, wenn die Nachricht wichtig war?
Ich entließ abermals die Luft aus meinen Lungen und hörte mir die Nachricht an.
„Fallon, hier ist Cayden", begann er, was mein Herz auf doppelte Geschwindigkeit brachte. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, seit ich das Letzte mal seine Stimme zu hören bekommen hatte. Er klang irgendwie hektisch, was mich ganz nervös machte.
„Bevor du jetzt wegdrückst, muss ich dir sagen, wer der Täter ist." Ich hielt die Luft an. Er wusste, wer der Mörder war? Wie hatte er das herausgefunden? Und die noch viel wichtigere Frage: Wieso hatte er immer noch nach dem Täter gesucht?
„Ich habe ihn gerade mit meinen eigenen Augen gesehen ... Fallon, du solltest schleunigst von Zuhause weg, bevor -" Dann hörte ich ein ohrenbetäubendes Krachen, das fast so klang, als wäre neben ihm Glas zersprungen worden. Meine Augen weiteten sich, ich hielt die Luft an. Ich hörte das Stöhnen von Cayden, ich hörte wie eine Tür aufging und etwas dumpfes zu Boden fiel. Dann endete der Anruf.
Was war passiert? Wo war Cayden? Ging es ihm gut? Wer hatte gefunden? Etwa der Mörder selbst? Wenn ja, dann würde das bedeuten, dass Cayden womöglich ..., dass er womöglich verletzt war, oder schlimmeres.
Mein Kopf drehte sich vor lauter Fragen, sodass ich mich an den Metallspinden abstützen musste. Ich fuhr mir raufend durch mein Haar, als ich mit der anderen Hand die Nummer eintippte, die mich gerade erst kontaktiert hatte.
Es läutete, dreimal, doch keiner hob an.
Ich probierte es noch einmal, doch wieder ging keiner ran.
Meine Sorge stieg mit jedem unbeantworteten Versuch. Ich musste wissen, was passiert war. Ich musste wissen, dass es ihm gut ging.
Plötzlich trat jemand von hinten an mich heran, legte die Arme um meine Kehle und zog mich gegen die gegenüberliegende Wand. Ich schnappte nach Luft und ließ mein Handy fallen. Meine Hände bohrten sich in die Haut meines Gegners, doch dieser zeigte keinerlei Reaktion. Ich schlug meinen Ellbogen zweimal in die Rippen der anderen Person, dann erst ließ mich los. Ich trat mit meinem Fuß gegen das Knie, dann fiel er quälend zu Boden. Bevor ich jedoch einen nächsten Schritt ausführen konnte, stülpte mir jemand einen Sack über den Kopf und verpasste mir einen Schlag auf den Hinterkopf, dann wurde alles schwarz um mich herum.

Forbidden loveWhere stories live. Discover now