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Fallons P.o.V.

Ich trat nach vorne auf den Balkon und sah durch die Nacht, die noch schöner hätte sein können. Ich erinnerte mich kaum an einen Moment, an dem ich mir die Zeit genommen hatte, wirklich bewusst die Dunkelheit bewundert hätte. Die letzten Wochen waren ein einziges Chaos, demnach war ich auch mit meinem Kopf ganz wo anders, dabei hätte ich eine einfach Pause gut gebrauchen können.
Mittlerweile war fast ein ganzer Monat vergangen, seit Cayden und ich nicht mehr .. nun ja, den Kontakt zu einander hatten. Am Anfang war es für mich ziemlich schwer, wie auch nicht? Ich wollte es nicht wahr haben, doch die Gefühle, die ich für ihn in der Zeit entwickelt hatte, waren stärker, als ich glauben wollte. Es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, dass ich klar kommen würde, denn auch wenn es nicht echt für ihn war, war es definitiv echt für mich - zumindest bis ich eines besseren belehrt wurde.
Natürlich hatte auch ich schon einmal Liebeskummer gehabt und diesen durchgestanden, doch das hier war vollkommen anders. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass ich mich tatsächlich in ihn verliebt hatte, ihn sogar irgendwo bereits angefangen hatte, zu lieben, denn anders konnte ich mir den tief sitzenden Schmerz nicht erklären.
Es gab in meinem Leben ständig irgendwo Enttäuschungen, sei es von meinem Vater ausgehend oder gar von mir, aber ich konnte bis jetzt nicht in Worte fassen, wie sehr Cayden mich mit dieser einen Aktion gekränkt hat.
Es war nicht wirklich der Kuss zwischen ihm und dieser anderen Frau, sondern vielmehr die Tatsache, dass ich ihm mein vollstes Vertrauen geschenkt und er das ausgenutzt hatte. Noch nie hatte ich jemanden so nah an mich heran gelassen, so sehr Teil meines Lebens lassen werden wie Cayden und genau da drin lag der Fehler. Ich wusste um die Gefahr, und trotzdem hatte ich es zugelassen, auch wenn ich mir dessen erst viel zu spät bewusst wurde.
Mittlerweile weiß ich es natürlich besser und würde demnach auch anders handeln. Nie, niemals, würde ich auch Caydens Angebot, den Mörder meines Großcousins finden, eingehen, denn das, was ich gerade nur wegen eines einfachen Jas durchmachen musste, war keine Wahrheit der Welt wert.
Doch ich konnte die Vergangenheit beim besten Willen nicht änders, ich hatte mich auf den Plan eingelassen und genau deshalb würde ich den Plan auch zu Ende führen. Und der einzige Weg war die Höhle des Löwen selber.
Mein Blick schweifte nach links zu dem großen Anwesen der DeLaurants, das unserem gar nicht so unähnlich war. Die Nacht umgab das große, steinerne Gebäude, lediglich ein paar Außenlampen versuchten sich durch die Dunkelheit zu kämpfen.
Meine Augen wanderten zu dem Balkon, der mir in den letzten Monaten so vertraut wurde, dass ich alleine beim bloßen Anblick einen stechenden Schmerz direkt in meiner Brust fühlen konnte. Es war nur ein dummes Konstrukt aus grauem Stein und einem metallischen Geländer, aber für mich war es der Weg in ein zweites Zuhause.
Ich schüttelte den Gedanken sofort ab und ermahnte mich innerlich. "Das wird schwerer als gedacht", murmelte ich zu mir selber und atmete aus.
Vorsichtig kletterte ich über das Geländer und sprang auf die knappe Regenrinne, die um das ganze Haus führte. Alleine der mir so bekannte Weg löste in mir immer wieder einige Erinnerungen aus, die mich mental stark mitrissen, aber ich schaffte es noch rechtzeitig meine aufkommenden Emotionen zu unterdrücken. Ich versuchte so unauffällig wie möglich die Feuertreppe hinunterzusteigen. Seit mein Vater wusste, dass Cayden und ich uns näher kannten als es den Anschein hatte, ergriff er sofort am nächsten Tag Maßnahmen, die ein weiteres Treffen verhindern sollten. Nicht, dass ich mich freiwillig nochmal mit Cayden treffen würde, allerdings war das für meine Freiheiten ziemlich einschränkend. Die doppelte Anzahl an Security-Leuten, die Tag und Nacht an ihren Positionen Wache hielten, sorgte für ein ziemlich überwachendes Gefühl bei mir. Doch ich wäre nicht Fallon Cunnigham, wenn ich diese Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen wüsste. Alice hatte nicht nur die Gabe, mein Zimmer auf Vordermann zu bringen, sondern auch mit ihrer liebenvollen Art jeden noch so harten Kerl um den kleinen Finger wickeln zu können. Etwas, dass mir jetzt mehr als helfen würde.
Ich hatte sie vorab gebeten, diese Gaben bei Thomas erneut anzuwenden, damit er so abgelenkt war, dass ich von unseren Anwesen zumindest für eine Stunde fliehen konnte. Natürlich war Alice gar nicht begeistert von meiner Idee, doch diesesmal schaffte ich es, sie zu überreden. Sie hatte mich zwar gefragt, wohin ich so dringend verschwinden musste, doch eine richtige, ehrliche Antwort konnte ich ihr nicht geben. Ich bat sie darum, mir in diesem einen Punkt zu vertrauen, denn wenn ich erfolgreich nach Hause zurückkehren würde, dann würde sie die Wahrheit früh genug erfahren.
Mit einem dumpfen Laut landeten meine Schuhe aus dem feuchten Boden. Kurz sah ich mich um, doch als ich keinen entdeckte, lief ich los in Richtung Grenze unserer Anwesen. Es dauerte nicht lange bis ich mit den Füßen sicher auf Caydens Balkonboden landete.
Plötzlich fing mein Herz an in doppelter Geschwindigkeit gegen meine Rippen zu pochen. Zwar hatte ich jede meiner noch so kleinen Schritte überlegt, aber ich hatte völlig außer vor gelassen, dass mich das alles vielleicht zu sehr mitnehmen würde. Klar, ein Monat ist viel Zeit, doch in Relation bräuchte ich dreimal so lange, bis ich die ganze Sache mit Cayden wirklich aufarbeiten konnte.
Tief atmete ich aus. Ich versuchte, jeden meiner Gedanken runterzufahren und mich stattdessen auf meinen Plan zu fokussieren. Ich würde das schaffen, ich würde den USB-Stick finden, der Beweise offenbarte, die all meine Probleme lösen könnten.
Mein zitternde Hand glitt in meine Hosentasche, aus der sie ein kleinen silbernen Schlüssel zog. Der Schlüssel, den mir Cayden an seinem Geburtstag überreicht hatte.
Der Schlüssel, der mir zeigte, wie sehr er mir vertraute - und genau das würde ich diesesmal nutzen.
Vorsichtig steckte ich den Schlüssel in das Schloss und drehte zweimal nach rechts, bis die Tür ein klickendes Geräusch von sich gab. Ich brauchte ein paar Momente bis ich weitermachen konnte. Mein Blut rauschte vor Aufregung durch meine Ohren, doch schließlich zog ich die Tür auf und trat vorsichtig in das dunkle Zimmer. Ich verspürte eine leichte Angst, Cayden zu begegnen, obwohl ich ihn eigentlich beobachtet hatte, wie er das Anwesen vor einigen Stunden verlassen hatte, und doch konnte ich meine Zweifel nicht einfach abstellen.
Meine Augen wanderten langsam durch den gesamten Raum. Sein breiter Schrank, die dunklen Möbel, ein Bücherregal, ein paar Kommoden und sein Bett, welches das gesamte Zimmer ausfühlen zu schien.
Das Bett, in welchem ich mich einst so geborgen gefühlt hatte.
Das Bett, das mir eine gewisse Sicherheit gab.
Das Bett, in welchem ich mich Cayden hingegeben hatte.
Automatisch bildete sich in meinem Hals ein dicker Kloß, den ich nicht so leicht schlucken konnte. Ich hatte mir geschworen, diese Nacht einfach hinter mir zu lassen, damit abzuschließen, aber das, was ich in diesem Moment gefühlt hatte, war nichts, was man so einfach verdrängen konnte.
Schnell wandte ich meinen Kopf ab und richtete meine Aufmerksamkeit auf Caydens hohes Bücherregal, von dem er mit Sicherheit kein einziges der Bücher gelesen hatte. Ich lief durch den Raum, dabei quietschten meine Sohlen leise unter dem Pakett-Boden, was mich innerlich unruhig machte.
Eigentlich war es eine ziemlich dumme Idee, nach alles, was geschehen war, wieder hierher zu kommen, und wenn ich ehrlich war, wollte ich es auch nicht, allerdings besaß Cayden das Einzige, was den Mord von Edwart und Cory aufdecken konnte, den USB-Stick.
Nachdem Cayden und ich unsere Affaire mehr oder weniger freiwillig beendet hatten, hatte ich den Mord an zweiter Stelle platziert, aber es war einfach zu vieles passiert, um das ich mich zuerst kümmern musste. Naja, wirklich verarbeitet hatte ich das Verhältnis zu Cayden noch nicht, aber ich musste erst einmal Abstand zu ihm und seiner Familie gewinnen. In dem ganzen Chaos ist der Plan völlig untergegangen, doch genau das könnte ich gerade als Vorteil erweisen. Wenn ich Cayden wirklich nicht vollkommen egal war, wie er es behauptet hatte, dann war die Chance groß, dass auch er den Plan erstmals zurückgestellt hatte. Das bedeutete, dass er den Stick noch hatte, den ich unbedingt finden musste.
Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die vielen Bücher. Das Mondlicht und die Straßenlaternen warfen noch so viel Licht in das Zimmer, dass ich die Titel der Bücher lesen konnte. Mit meinen Händen fuhr ich über einige Bücherrücken. Wenn Cayden also seinem Vater nicht so unähnlich war, dann würde auch er möglicherweise den Stick in einem der Bücherrücken verstecken. Sie alle reihten sich in einer perfekten Linie auf, daraus hatte Cayden etwas gelernt. Zwar hatten die DeLaurants auch Bedienstete, die sich um den Haushalt kümmerten, aber das taten sie mit Sicherheit nicht jeden Tag. Es hatte sich bereits eine ganz feine Staubschicht auf den Regalen gebildet, die ohne genaueren hinsehen kaum zu erkennen war.
Ich stellte mich ans Ende des Regals und blickte die Staubspur entlang, dabei hoffte ich, auf eine Unregelmäßigkeit zu treffen, die darauf hinweisen könnte, dass Cayden erst vor kurzem eines der Bücher benutzt hatte. Vergeblich. Ich versuchte es bei allen Regalen, doch es gab keinen Hinweis darauf, dass er eines der Bücher in letzter Zeit aufgegriffen hatte.
Ich wandte mich stattdessen an seinen großen Schreibtisch. Klar, Cayden könnte den Stick überall versteckt haben, vielleicht hatte er ihn sogar schon vernichtet, doch ich hatte noch etwas Hoffnung. Auch, weil ich Cayden mehr oder weniger kennen gelernt hatte und ich daher auf meinen Instik vertrauen konnte.
Vorsichtig setzte ich mich auf den Schreibtischstuhl, der einen leisen dumpfen Ton von sich gab, was mich zusammenzucken ließ. Zuerst überblickte und untersuchte ich den Schreibtisch oberflächlich, dann machte ich mich an die einzelnen Schubladen. Ich sah eine nach der anderen durch, aber auch hier konnte ich nichts finden. Gar nichts.
Frustriert atmete ich aus und legte den Kopf zur Seite, während ich weiter nachdachte. Zweifel machten sich in mir breit, denn vielleicht hatte ich Cayden wirklich unterschätzt. Vielleicht waren meine Hoffnung nur ein Konstrukt meines Wunschdenkens. Ja, vielleicht glaubte ich einfach immer noch daran, dass Caydens so war, wie er sich mir gegenüber seit Monaten verhalten hatte.
Ich stützte meine Hand an der Tischkante ab und stand auf, dabei hielt ich plötzlich inne. Ich fühlte etwas unter dem Tisch, das mir sehr bekannt vorkam.
Zitternd löste ich meine Hand und ging in die Hocke, um unter die Tischplatte zu sehen. Und tatsächlich. Es war zwar nicht den UBS-Stick, den ich dort fand, sondern vielmehr den Schlüssel, den ich ihm zu seinem Geburtstag geschenkt hatte. Er war mit einem einfachen Streifen Klebeband festgemacht worden, weshalb es für mich leicht war, ihn zu lösen. Als meine Finger das Metall berührten, durchdrang mich ein Gefühl, das ich eigentlich seit Wochen versuchte zu vergessen. Obwohl es nur ein einfacher Schlüssel war, löste er in mir so vieles aus. Alleine die Tatsache, dass er ihn immer noch besaß, ließ Tränen aufsteigen. Ich erinnerte mich noch genau an den Moment, als ich ihm das Geschenk übergeben hatte. Ich erinnerte mich daran, wie überrascht er mich angesehen hatte, weil ich ihm tatsächlich etwas schenken wollte. Ich erinnerte mich auch, wie er den Schlüssel ausgepackt und ihn sich verwundert angesehen hatte, wie er mich angelächelt hatte, als ich ihm erklärte, was es damit auf sich hatte. Gott ... wie mir sein Lächeln fehlte ...
Unbewusst rollte mir eine Träne über die Wange, die ich noch nicht einmal aufhielt. Natürlich war ich am Anfang, als das alles zwischen uns ein Ende fand, traurig und vor allem ziemlich wütend auf ihn, aber mittlerweile hatte sich der Zorn um ihn gelegt, stattdessen empfand ich jetzt so etwas wie Sehnsucht. Sehnsucht nach der Zeit, bevor das alles zwischen uns eskaliert war. Ich vermisste ihn, ich vermitte Cayden. So sehr, dass es fast schon weh tat. Ich vermisste seine Art, wie er mit mir umging. Ich vermisste seine Blicke, die er mir heimlich zu warf, wenn er dachte, dass ich es nicht bemerken würde. Ich vermisste sogar seine schlechten Sprüche, die mich so sehr zu lachen brachten.
Ich wischte mir mit dem Handrücken die feuchte Träne von der Wange und betrachtete den Schlüssel weiterhin. Ich würde alles dafür geben, nur um für eine Sekunde, für einen winzigen Augenblick, diese Harmonie wieder fühlen zu können. So sehr ich auch versuchte, ihn für den Verrat zu hassen, so schwer fiel es mir mit der Zeit, nicht auch die guten Seiten von ihm zu berücksichtigen. All die zahlreichen schönen Momente, die sich in mein Gedächnis gebrannt hatten, sie konnten doch nicht einfach nichts bedeuten, oder?
"Fallon?" Meine Name hallte an allen Wände des Zimmers wieder. Ich erschrak und stolperte einen Schritt nach hinten.
Cayden blickte auf mich nieder, dabei wanderten seine Augen in einer mir bekannten Art über mein Gesicht.
Mein Herz pochte mir gegen die Brust, Adrenalin rauschte durch meine Adern. Cayden war hier. Er war früher zurück als ich angenommen hatte, immerhin war es Freitagabend, da hatte ich ihn nicht so schnell wieder zuhause erwartet. Es war komisch ihn nach einer so langen Zeit wiederzusehen. Es war sowohl freudig, als auch befremdlich. Immerhin war ich diejenige, die auf Abstand gehen wollte und jetzt hielt ich mich in seinem Zimmer auf, während ich seine Sachen durchsuchte. Mein Kopf war mit einem mal vollkommen leer.
"I-ich ...", begann ich mit zittriger Stimme, allerdings hatte ich keine Ahnung, was ich zu ihm sagen sollte. Sollte ich lügen? Oder die Wahrheit erzählen?
Caydens Augen glitten von meinem Gesicht zu meiner Hand, die immer noch den Schlüssel fest umschlungen hielt. Langsam begann er zu realisieren, dass ich, um den Schlüssel zu finden, seinen Schreibtisch durchsuchen musste. Seine Gesichtszüge verhärteten sich leicht, doch seine Haltung blieb erstaunlicherweise ruhig.
"Das, wonach du suchst, wirst du dort nicht finden", murmelte er. Sein Stimme durchdrang jede meiner Sinneszellen.
Er wusste es also, er wusste, warum ich hier war. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt erwartet hatte, vielleicht, dass er mich wieder weg schickt, vielleicht, dass er wie die letzten male das Gespräch zu mir sucht, aber sicherlich nicht, dass er stumm auf mich zukam. Seine Hände rutschten in die Hosentaschen, dann holte er etwas hervor, wonach ich die ganze Zeit gesucht hatte. Den USB-Stick. Er schien so viel kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte, dafür hatte er einen enormen Wert.
Ohne ein Wort zu sagen, hielt er mir ihn hin. Sekunden vergingen, in welchen in den Stick einfach nur betrachtete. Ich hatte mir viele Situationen ausgemalt, wie ich an das einzige Beweismaterial kommen könnte, ohne dabei in Schwierigkeiten zu geraten, aber das hier gehörte definitiv nicht dazu.
"Er gehört dir", fügte er nach einer Weile der Stille hinzu, als er meine Zweifel sah.
Ich verzog leicht das Gesicht. So einfach konnte es nicht sein. Er musste irgendetwas geplannt haben. "Ich schwöre, wenn das irgendein Trick sein sollte-"
"Ist es nicht", widersprach er mir ohne mit der Wimper zu zucken. Mein Blick kreuzte seinen, dabei konnte ich noch nicht einmal ein Fünkchen Verrat in ihnen lesen. "Ich verspreche es."
Meine Augen konnten sich nicht von ihm lösen. Die Augen, in denen ich mich nach wie vor verlieren könnte. Zwar war mein Kopf leer, aber eine Frage kam mir trotzdem in den Sinn: Wieso? Wieso sollte Cayden mir den Stick überlassen? Wieso würde er das einzige Beweismaterial seiner Feindin übergeben, das seinen Vater hinter Gitter bringen würde?
Ich fand keine Antwort, so sehr ich auch darüber nachdachte.
Ich löste meinen Blick von ihm und betrachtete erneut den USB-Stick, der im Mondlicht reflektierte. Etwas unsicher griff ich danach, dabei konnte ich eine kurze Berührung unsere Hände nicht umgehen. Das innerliche Brodeln in meinem Magen begann wie von alleine aufzutauchen, doch ich wusste auch so, dass Cayden dieselbe Wirkung auf meinen Körper hatte wie am Anfang. Natürlich hatte ich versucht, dieses Gefühl der Geborgenheit, das nur er mir geben konnte, andauernd zu unterdrücken, aber irgendwann begriff ich, dass es nicht eine Frage des Willens, sondern die der Zeit ist. Und so wie mein Körper auf ihn noch immer reagierte, benötigte ich viel Zeit.
Das kalte Metall hingegen durchdrang meine Finger bin in die gesamte Hand. Es fühlte sich irgendwie total gegensätzlich an zu dem, was Cayden bei mir auslöste.
Ich hielt den Blick weiterhin gesenkt, doch ich wusste auch ohne aufzublicken, dass Cayden seine Augen immer noch auf mich gerichtet hatte. Mein Herz pochte mittlerweile so laut gegen meine Brust, dass ich annahm, er würde jeden einzelnen Schlag hören können. Allerdings wusste ich nicht, wie ich hätte diese Stille brechen können. Eigentlich hatte ich noch so vieles zu sagen, ich wollte ihm noch so vieles vorwerfen, aber jetzt, wo wir uns nach längerem wieder gegenüber standen, hatte ich keine Worte.
Vorsichtig steckte ich den USB-Stick in meine Hosentaschen, dabei berührten meine Finger etwas anderes kaltes. Der Schlüssel. Der Schlüssel, der das Vertrauen zwischen uns symbolisieren sollte. So sehr ich mich dagegen auch sträubte, zog ich ihn heraus und betrachtete ihn im dämmrigen Licht.
Ich hatte mich schon sehr an ihn gewöhnt, dass ich jede einzelne Wölbung blind nachzeichnen könnte. Es war das einzige, was ich noch von ihm hatte.
Widerwillig streckte ich die Hand aus. "Das ist deiner", flüsterte ich mit krächzender Stimme, da ich plötzlich einen Kloß im Hals hatte.
Cayden wirkte leicht erschrocken, da seine Brust sich unregelmäßig hob und senkte. Im Augenwinkel konnte ich sehen, wie seine Mimik sich anspannte, doch er blieb weiterhin ruhig. Er wusste, dass ich das tun musste, um mit der ganzen Sache abschließen zu können - auch wenn wir noch immer kein wirklich klärendes Gespräch geführt hatten und mir die Gründe seines Handelns völlig unbekannt waren.
Auch er streckte die Hand aus und nahm mir den Schlüssel und damit vermutlich auch eine Art Last ab. Ich konnte dabei nicht ignorieren, dass deine Finger erneut meine Handflächen berührten und es sich immer noch so gut anfühlte.
In meiner anderen Hand hielt ich immer noch meinen Schlüssel, den ich Cayden zu seinem Geburtstag geschenkt und ihn jetzt unter seinen Schreibtisch gefunden hatte. Bilder aus der Nacht seines Geburtstags tanzen vor meinem inneren Auge auf. Erinnerungen, die sich tief in mein Gedächnis eingebrannt hatten. Damals war noch alles so viel leichter, obwohl schon dort die Situation gefährlich war. Aber mit diesem Geschenk, mit diesem Schlüssel, war ein tieferes und intensiveres Empfinden geebnet.
"Hier", murmelte ich und übergab ihm auch diesen Schlüssel. "Du kannst ihn haben."
Cayden rührte sich keinen Milimeter. Er war sich unsicher, was das zu bedeuten hatte und um ehrlich zu sein, wusste ich es selber nicht so genau. Aber in dem Moment fühlte es sich irgendwie richtig an, diesen Schlüssel bei ihm zu lassen.
Mit zittrigen Händen nahm er ihn entgegen, dann herrschte wieder diese Stille zwischen uns.
"Fallon", hauchte er und mit einem mal kamen mir die Tränen.
Gott, würde das alles jemals aufhören? Würde das alles jemals ein Ende finden? Ich war dieses ganze Geweine wirklich satt. Ich hatte noch nicht einmal eine Ahnung, wieso ich schon wieder den Tränen so nah war, denn eigentlich tat er rein gar nichts, außer mich beim Namen zu nennen . Und doch tat es irgendwie so verdammt weh, denn ich wollte so sehr, dass er meinen Namen mit einer anderen Intention aussprach. Denn so, wie er es sagt, hörte es sich an wie ein Abschied. Ein Abschied, der uns für immer trennen würde, mit Sicherheit für immer.
"Bitte, lass' mich einfach gehen, Cayden", wisperte ich mit zittriger Stimme. Und das tat er, er gewährte mir ein Lebewohl. Doch ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass mein Herz immer noch etwas ganz anderes wollte.

Forbidden loveWhere stories live. Discover now