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Fallons P.o.V.

Die Musik war so langsam, dass ich glaubte, der Geigenspieler würde einschlafen. Natürlich durfte ich keinerlei Bemerkungen machen, immerhin war es die Beerdigung meines Großcousins, der im Sarg lag. Die Nachricht kam so überraschend, dass ich noch nicht die richtige Umgangsweise für mich herausgefunden hatte. Ich hatte weder geweint, noch war ich wütend. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich ihn nicht wirklich kannte. Wie sollte ich um einen für mich Fremden trauern?
Mein Vater tippte mich von der Seite aus an. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den geschlossenen Sarg vor mir. Hinter mir weinte jemand verbittert auf. Ich fühlte mich schlecht, denn ich wollte Edwart zwar meine letzte Ehre erweisen, aber ich wusste nicht, wie. Die letzte Beerdigung, die ich besucht hatte, war vor elf Jahren. Damals lag meine eignen Mutter in einem dieser Holzkästen. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ich weiß noch, wie unbeschwert sie aussah, dabei war ich mir sicher, dass die letzten Tag, die Schlimmsten ihres Daseins waren.
Edwart sah nicht so gelassen aus. Ich war nur kurz in der Verabschiedungshalle, was mir jedoch gereicht hatte. Er sah fürchterlich aus. Seine Nase wurde ihm gewaltsam gebrochen, der Hals zeigte Würgespuren auf und sein Brustkorb schien eingefallen zu sein. Einen Tod, den ich selbst meinem schlimmsten Feind nicht wünschen würde. Mein Vater hatte ähnlich wie ich reagiert. Er zeigte keinerlei Emotionen und wirkte dabei fast kalt. Er kannte Edwart zumindest besser als ich. Ich hatte angenommen, dass er vielleicht innerlich traurig war, aber selbst das ließ mich zweifeln. Er hatte meiner Großtante zum Beileid lediglich die Hand geschüttelt - vielleicht musste man aber in unserem Geschäft, in dieser Familie, einfach unnahbar sein.
Die Gemeinde stand zusammen auf und folgte dem Trauerwagen samt Sarg. Wir liefen in einem langsamen Tempo hinterher. Ganz vorne die nächsten Angehörigen, dann kamen mein Vater und ich, und schließlich der Rest.
Plötzlich tauchte neben mir Cayden auf, der die Hände tief in seinen schwarzen Hosentaschen stecken ließ. Die engste Familie DeLaurant lief, als Zeichen des tiefsten Mitgefühls, jedesmal bei einer Beerdigung der Cunnighams mit, genauso wie wir es anders herum taten. Sie störten mich nicht, zumindest nicht an solchen Tagen. Sie hatten immerhin noch so viel Anstand, ihre Drohungen an solch traurigen Tragen sein zu lassen.
"Mein Beileid", murmelte Cayden ohne mich anzusehen. Ich blinzelte ein paar mal, um zu realisieren, dass er wirklich mit mir sprach. "Danke", murmelte ich knapp und biss die Zähne zusammen. Ich hatte ihn noch nie freundlich erlebt - abgesehen von gestern.
Nach einer kurzen Minute der Stille räusperte er sich und sah sich kurz um. Als er sicher war, dass keiner uns jegliche Aufmerksamkeit schenken würde, begann er zu sprechen. "Wir müssen reden." Seine Stimme war gedimmt. Ich nahm den Blick nicht von dem Sarg, der gerade in die Erde gelassen wurde.
"Ich wüsste nicht, was wir zu bereden hätten", flüsterte ich zurück und ließ ihn an dieser Stelle alleine zurück. Ich nahm mir eine der Blumen aus dem großen Strauß, warf sie in die Grube und zeichnete vor meinem Oberkörper ein Kreuz. Ich stellte mich neben meinen Vater, der mir ausnahmsweise Sicherheit gab. Cayden würde es nicht wagen, mich nochmals anzusprechen, nicht in Anwesenheit meines Vaters. Außerdem wollte ich ganz sicher nicht mit ihm sprechen, wir hatten uns nichts zu sagen.
Cayden folgte meinem Beispiel: Er nahm sich eine Blume, warf sie in die Grube und zeichnete ein Kreuz vor sich hin. Er stellte sich hinter mich, was mich verunsicherte. Etwas, dass man bei der allerersten Trainingseinheit lernen würde, war, dass sich der Feind niemlas hinter dich stellen durfte. Man konnte ihn nicht mehr im Auge behalten.
"In fünf Minuten in der Kirche", flüsterte er und lief davon. Er wählte seine Worte mit Bedacht. Er erweckte Neugierde in mir. Etwas, dass mich immer zum nachgeben animierte. Ich wusste nicht, ob er entweder über gestern Nacht reden wollte oder mich angreifen würde. Selbst für ihn wäre das respektlos.
Der Gotteddienst war vorbei, doch die Gäste rührten sich nicht. Einige brauchten eben noch ein bisschen Zeit um sich zu verabschieden. Ich nutze die Gelegenheit und verließ die Grabstätte. Cayden wartete bereits innen. Er starrte auf das riesige Jesuskreuz bis er meine Schritte hören konnte.
"Also", begann ich und stellte mich neben ihn. Den Blick nach vorne zum Kreuz. Cayden richtete die Augen nach vorne. Man würde denken, dass wir einfach neben einander beteten.
"Du bist die Einzige, der ich mehr oder weniger vertrauen kann", meinte er und ich runzelte die Stirn.
"Ich bin die Letzte, der du dein Vertrauen schenken solltest", flüsterte ich und schüttelte den Kopf. Cayden lächelte und richtete sein schwarzes Jacket. "Wir waren gestern zusammen in der Trainingshalle als der Mord passiert ist", erklärte er mir. Ich warf ihm einen prüfenden Blick zu. "02.43 Uhr. Mein Vater hatte den Todeszeitpunkt rausbekommen."
Ich ersparte mir die Frage, wie sie das anstellen konnte und dachte lieber nach. "Woher soll ich wissen, dass du den Mord nicht geplannt hast? Woher weiß ich, dass du mich nicht gerade anlügst?", fragte ich nach und Cayden nickte schwach. "Das kannst du nicht wissen. Du musst meinen Worten einfach glauben."
Ich schnaubte und strich mir die Haare aus dem Gesicht. "Ich soll einem DeLaurant vertrauen. Da könnte ich mir auch gleich ein Messer in den Rücken rammen." Cayden warf mir von der Seite einen ernsten Blick zu, dem ich stand hielt. Seine Augen hatten diesen Grünton, der mich innerlich erzittern ließ. Ich wandte den Blick ab und richtete meine Aufmerksamkeit nach vorne.
"Wieso interessiert dich dieser Todesfall überhaupt? Soweit ich weiß, hälst du nicht viel von uns, Cunnighams", fragte ich stattdessen nach.
Cayden atmete tief aus. "Mein Vater befürchtet, dass das der Anfang vom Ende des Friedens zwischen unseren Familien sein könnte. Ich will nicht in einer Feindschaft aufwachsen, die hätte verhindert werden können", erklärte er mir und ich sah auf den Boden. Mein Vater hatte ähnliche Gedanken. Er wolle den Frieden so lange wie möglich aufrecht erhalten können, doch zuerst müsste bewiesen werden, dass kein DeLaurant dafür verantwortlich war.
"Außerdem würde ich gerne noch weiter leben. Du könntest genauso das nächste Opfer sein", fügte er hinzu.
Ich konnte nichts gegen einen frechen Spruch tun. "Genau das würde ein Täter sagen."
Cayden rollte mit den Augen. War das ein ehrliches Lächeln von ihm? Wahrscheinlich hatte ich mich nur verguckt.
"Also gut", meinte ich und zuckte mit den Schultern. Was konnte schon passieren? Ich könnte meinem Vater möglicherweise endlich beweisen, dass die Freundschaft mit den DeLaurants einfach nur eine billige Fassade war, dann würde diese falsche Freundlichkeit immerhin verschwinden. "Wie gehen wir vor?"
Er schüttelte leicht den Kopf. "Wir müssten uns umhören."
"Umhören? Das ist dein toller Plan?", wiederholte ich sarkastisch.
Cayden warf einen Blick nach hinten. Keiner hatte die Kirche bisweil betreten. "Hast du eine andere Idee?" Sein Tonfall war fordernd. Und natürlich lag nun alles an mir. Wieso musste ich auch mit Cayden zusammenarbeiten? Derjenige, den ich noch nicht einmal mochte.
"Mein Vater bewahrt alle seine Dokumente in seinem Büro auf. Ich wette, dort befindet sich auch die Akte zu diesem Fall." Cayden nickte. Es schien als hätten wir einen gemeinsamen Plan.
"Miss Cunnigham", verabschiedete er sich förmlich. Ich wollte mich bereits über ihn lustig machen, da sah ich Augenwinkel, wie eine ältere Dame den Raum betrat. Ich nickte ihm zu, dann verließ er das Gebäude.

Forbidden loveWhere stories live. Discover now