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Fallons P.o.V.

Ich strich mein enges Kleid glatt und nickte. "Ich hab' verstanden."
Mein Vater warf mir einen ernsten Blick zu. "Dieser Abend ist wichtig, Fallon. Nicht nur für dich oder mich, sondern auch für unsere Zukunft."
Unauffällig verdrehte ich die Augen, was mein Vater jedoch bemerkte. Er gab einen undefinierbaren Laut von sich, doch er schwieg. Heute war kein geringeres Jubiläum, als der Frieden zwischen den Cunnighams und den DeLaurants. Für mich unfassbar, denn ich hätte gedacht, dass es mindestens nach ein paar Jahren bereits zu einer neuen Feindschaft kommen würde. Naja, bis auf den Mord innerhalb unserer Familien.
"Gregor, Eleonore, schön Sie begrüßen zu können", entgegnete mein Vater voller Überzeugung, was mich tief ausatmen ließ.
"Er meint es zu gut, findest du nicht auch?" Onkel Jack schüttelte leicht den Kopf.
Ich verkniff mir ein Lachen. "Es ist eben wichtig. Nicht nur für uns, sondern für unsere Zukunft", zitierte ich und Onkel Jack lachte.
Mein Vater warf seinem jüngeren Bruder einen scharfen Blick zu, wodurch mein Onkel verstummte.
"Hallo, Fallon", begrüßte mich auch das Oberhaupt der DeLaurants. Ich zwang mich zu einem Lächeln, denn vor mir stand womöglich der Mörder meines Großcousins. Es war nur eine Frage der Zeit bis wir ihm auf die Schliche kommen würden. Und diesesmal war ich mir mehr als sicher, dass wir den Richtigen hatten. Wer sonst war so skrupellos und geheimnisvoll wie Gregor DeLaurant?
Auch er schenkte mir ein Lächeln, das genauso unecht war wie meins. Seine kalten Augen verrieten ihn.
"Guten Abend", kam es von links und ich erschrack innerlich. Mein Herz setzte einmal kurz aus und schlug dann viel zu schnell. Mir wurde gerade unendlich heiß, was mir in Anwesenheit meiner Familie total unangenehm war.
"Wer hat sich denn da so schick gemacht?", fragte ich leise, nachdem ich sicher war, dass keiner unseren vertrauten Umgang mitbekam. Er sah wirklich sehr gut aus. Der maßgeschneiderte Anzug verlieh ihm eine Selbstsicherheit, die wirklich beeindruckend war. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass allen Männern ein Anzug gut stand.
"Nur für dich", flüsterte er mit einem Grinsen, während er an mir vorbei lief. Ich versuchte, mein errötetes Gesicht zu verbergen, aber ich schaffte es nicht ganz. Vermutlich war es nur wieder einer seiner Sprüche, aber trotzdem machte es mich verlegen.
Mit meinem Vater an der Spitze liefen wir in den großen Esssaal, der normalerweise nur für ganz besondere Anlässe gedacht war. Absurd, dass heute einer dieses Momente war, denn man spürte immer noch diese gewisse Distanz zwischen unseren Familien. Der Tisch war rund, demnach gab es keine wirkliche Sitzordnung oder Hierarchie, trotzdem setzten sich die Oberhäupter gegenüber. Links von meinem Vater saß mein Onkel, ich rechts von ihm. Neben mir wurde ein Stuhl zurück gezogen, auf dem kein geringerer Platz nahm als Cayden. Mit einem charmanten Lächeln ließ er sich neben mir nieder. Innerlich machte es mich immer nervös, wenn wir uns so nah waren, doch ich musste es jetzt so gut es ging vor allen anderen verbergen. Besonders, da es meinem Vater heute wichtig war, gutes Benehmen zu zeigen.
"Gibt es keinen anderen Platz?", fragte ich leise, doch mein Blick lag auf dem Teller, der mir von rechts gereicht wurde.
"Enspann' dich", munterte er mich auf und begann zu essen.
Ich versuchte meine Aufmerksamkeit auf alles andere zu richten, doch ich hörte nur mit halbem Ohr dem Gespräch zwischen meinem Vater und den DeLaurants zu. Immer wenn ich glaubte, Cayden würde mich berühren, hielt ich inne um äußerlich normal zu wirken. Innerlich hingegen brannte ein regelrechtes Feuer in mir, das nur darauf wartete, auszubrechen. In meinen Gedanken spielten sich gefährliche Szenarien ab, denen ich jedoch keine weitere Beachtung schenken durfte. Mit der Zeit legte sich jedoch meine Nervosität wieder. Cayden hatte wirklich ein außerordentliches Benehmen, das selbst mich beeindruckte. Er nahm an der laufenden Konversation teil, sprach jedoch nur, wenn es angebracht war. Er wusste sich zu verhalten.
Leise atmete ich auf und setzte das Weinglas an meine Lippen. Cayden bemerkte meine Erleichterung und zwinkerte mir unauffällig zu, während er sich den Mund mit einer Stoffserviette abtupfte. Diese fiel jedoch unter den Tisch, sodass er sich nach unten bückte, um sie wieder aufzuheben. Plötzlich spürte ich wie seine Fingerkuppen ganz sanft über mein Knie strichen. Alleine das reichte aus, um mich falsch zu benehmen. Ich verschluckte mich an dem Rotwein und verschüttete den Restinhalt zusätzlich über mein Kleid, das sich augenblicklich mit der Flüssigkeit verfärbte. Für einige Momente schien es so still, dass ich glaubte, ich könne mein eigenes Herz schlagen hören. Und es raste wirklich verdammt schnell.
"Tut ... mir", stammelte ich, doch Cayden fiel mir ins Wort. "Nein, das war meine Schuld. Ich habe dich gestoßen."
Mein Vater gab einen langen Seufzer von sich. Super! Ich hatte also wieder mal alles ruiniert. Irgendwie schaffte ich aber immer den Abend zu einem Desaster werden zu lassen.
"Entschuldigt mich", krächzte ich schnell, stand mit roten Kopf auf und verließ den Raum, der vor Ruhe zu schreien schien. Ich lief einige Schritte durch den Gang, dann lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Wand, und schnaufte tief ein und aus.
Verdammter Mist! Was war das? Cayden hatte mich nur ganz kurz berührt und schon drehten bei mir alle Räder durch. Ja, mir fiel es schwer, mich in seiner Gegenwart normal zu verhalten, doch gerade wenn unsere Familien anwesend waren, hatte ich noch immer ein bisschen Verstand. Mir war bewusst, dass ich Cayden irgendwo attraktiv und anziehend fand, allerdings sollte das niemals meinen Kopf durcheinander bringen. Sonst wurde es ziemlich schnell ziemlich gefährlich für uns beide.
Ich hörte, wie die Türe aufging und jemand in den Gang lief. Ich trat automatisch einen Schritt zurück in einen kleineren Raum, der für Angestellte war - gottseidank war ich jedoch alleine. Ich sah wie Cayden sich andauernd umdrehte, so als würde er nach mir Ausschau halten. Sofort reagierte ich, packte ihn am Arm und zog ihn in das Zimmer. Sein verwirrter Ausdruck nahm ein breites Grinsen an.
"Was, verdammt, sollte das?", zischte ich bedrohlich und suchte seinen Blick, den er nur zu gerne erwiderte.
"Ich weiß nicht, was du meinst." Das war seine Antwort? Sich auf dumm zu stellen?
Genervt fuhr ich mir durch mein Haar. "Du weißt genau, worauf ich hinaus will. Du hast mich vor unserer gesamten Familie blamiert!"
"Ich hatte meine Serviette fallen lassen und sie anschließend hoch gehoben", erklärte er sich und spielte mit seiner Kravatte, die ihm wirklich gut stand. Sein Lächeln machte mich nur noch wütender.
"Findest du es immer noch witzig, wenn unsere Eltern das mitbekommen hätten?"
"Entspann' dich", versuchte er mich zu beruhigen. "Es ist doch nichts passiert." Seine Augen wanderten meinen Körper entlang, was mir ein Kribbeln im Magen versetzte.
"Willst du dennoch riskieren, dass sie unser Verhältnis zueinander erfahren?", fragte ich kopfschüttelnd und verschränkte die Arme. Ich wusste nicht, ob Cayden sich dieser Situation bewusst war, doch ein kleiner Fehler reichte aus, um alles auffliegen zu lassen.
"Wir haben also ein Verhältnis zueinander?", fragte er mir verschmitztem Grinsen nach. Innerlich brodelte ein Feuer in mir. Wenn ich eine Sache nicht leiden konnte, dann war das nicht richtig ernst genommen zu werden, was Cayden offensichtlich nicht tat. Er scherzte über die jetzige Situation, vermutlich sogar über uns. Dass er also zusätzlich noch seine Kravtte andauernd durch die Finger gleiten ließ, und er sich somit nicht einmal auf unsere Konversation zu fokusieren schien, ließ mein Geduldsfaden entgültig reißen.
Ich packte ihn oben an der Kravatte und zog sein Gesicht genau vor meins. "Verdammt, konzentrier' dich", entgegnete ich gereizt und atmet tief aus. "Das hier ist kein Spiel. Für dich mag es vielleicht wie eins aussehen, aber eine falsche Bewegung und wir sind dran. Wir beide."
Cayden ließ die Worte in sich sacken, das konnte man ihm deutlich ansehen. Seine Augen änderten sich, genauso wie die Mimik. Endlich konnte ich mir sicher sein, dass er ernsthaft an unserem Gespräch teilnehmen konnte.
Doch plötzlich fiel mir auf, dass wir uns beide so nah standen, dass jede seiner Atemzüge sich mit meinen vermischten. Und obwohl ich diejenige war, der anscheinend viel mehr daran lag, unendeckt aus der Situation zu kommen, verflogen meine Gedanken langsam. Meine Augen wurden von Caydens Lippen angezogen, ich konnte einfach meinen Blick nicht von ihnen nehmen. Das letzte mal, dass sie mir so nah waren, wäre ich fast über Cayden auf dem Schreibtisch seines Vaters hergefallen. Mir stieg die Röte ins Gesicht bei den vielen gefährlichen Erinnerungen an diesen Abend. Zudem setzte bei mir diese unerträgliche Hitze ein, die sich von meinem Gesicht bis in die Fuß- und Fingerspitzen wanderte. Und alles nur, weil Caydens Atem meinen Mund streiften. Es war eine elendige Qual. Nicht nur, weil innerlich gerade mein Verstand gegen mein Herz kämpfte, sondern auch weil ich Cayden gerade eine Standpauke gehalten hatte und ich mich im Endeffekt selber auf andere Sachen wie seine vollen Lippen konzentrierte.
Doch mein Kopf konnte keinen Halt mehr von den Bildern machen, die sich wie von alleine vor meinem inneren Auge abspielten. Ich stellte mir plötzlich vor, wie ruckartig dynamisch er sich vorlehnen und mich küssen würde. Ich stellte mir vor, wie seine Hände meinen Körper entlang wanderten, wie sich seine gut gebaute Brust mich gegen die harte Wand drückte, wie seine Finger nach dem Reißverschluss meines Kleides suchten und es langsam öffneten. Ich stellte mir vor, wie meine Hände über seine starken Schulter strichen und die ersten Knöpfe seines Hemdes öffneten. Ich stellte mir vor, wie viel Leidenschaft wir zwischen einander austauschen würden, wie viel Hingabe ich in jede einzelne Berührung stecken würde, wie intensiv sich jeder Hautkontakt anfühlen würde. Erst jetzt spürte ich dieses Pochen, das sich zwischen meinen Beinen entwickelt hatte.
Plötzlich grinste mich Cayden an. Hatte ich etwa laut gedacht? "Bist du sicher, dass nicht du diejenige bist, die sich konzentrieren sollte?", raunte er mir ins Ohr, was mein ganzen Körper erzittern ließ. So sehr ich es auch wollte, ich konnte meinen Blick nicht von seinen Lippen nehmen. Ich konnte es verdammt nochmal nicht.
"Du bist derjenige, der sich falsch verhält", flüsterte ich krächzend.
Oh gott! Ich wusste nicht, wie lange ich dem ganzen noch Stand halten könnte. Jede meiner Körperzellen schrie nach mehr, jede meiner Sinne verlangte das momentan Falsche. Nicht zu vergessen, dass diese unerwartete Pochen immer unerträglicher wurde.
Caydens Blick wanderte nochmals meinen Körper entlang. "Ich kann aber sehen, wie du deine Augen nicht von meinem Mund lassen kannst", hauchte er und ich wandte erstmals den Blick wieder hoch. "Ich kann sehen, wie deine Hände sich verkrampfen, in dem inneren Kampf, deiner Begierde nicht nachzugehen." Ich versuchte draufhin, meine Hand von meiner Kravatte zu lösen, aber es schien so, als wolle mein Körper nicht mehr auf mich hören.
"Oder wie deine Wangen sich rot färben." Vorsichtig strichen seine Fingerkuppen über die besagte Stelle. Innerlich brach ein Gefühlschaos in mir zusammen. Mein Atem wurde unregelmäßiger, meine Hände wurden feucht.
"Oder wie du deine Beine zusammenpresst." Mir stockte der Atem. Das alles konnte er sehen, obwohl ich mich kein Stückchen hatte bewegt? Obwohl wir uns nicht lange gut kannten, hatte er zumindest meine Körperhaltung und mein Auftreten bestens analysiert. Etwas, dass ich nicht behaupten konnte.
Mein Verstand setzte plötzlich wieder ein. In mir stieg Scharm auf, denn es schien fast so, als könne Cayden mein Innerstes lesen. Und das gefiel mir gar nicht. Ich ließ seine Kravatte los und drückte ihn wieder weg von mir. Bedrohlich hob ich meinen Finger und richtete diesen auf ihn.
"Hör' auf mich zu provozieren", entgegente ich scharf, obwohl es nicht so drohend rüber kam. Cayden richtete grinsend sein Jaquet und nickte. "Und hör' auf dir einen Spaß in dieser Situation zu erlauben!"
Eigentlich bezog ich mich auf das Dinner zwischen unseren Familien, aber in meiner Stimme schwang die Intention mit ein, dass er mich nicht noch mehr durcheinander bringen sollte. Es war wieder Caydens Blick, der mich für einige Momente gefangen hielt, was mich jedoch sofort zum gehen animierte. Ich musste schleunigst hier weg.
Kopfschüttelnd lief ich an ihm vorbei, die Treppen hinaus in mein Zimmer um mein Kleid zu wechseln. Als ich mir sicher war, dass Cayden außer Reichweite war, erlaubte ich es mir, nochmal an das vorhin zu denken. Und so oft ich die Situation in meinem Kopf Revue passieren ließ, so unbegreiflicher war für mich, was Cayden eigentlich bereits für eine gefährliche Wirkung auf mich hatte. Ein paar Sekunden länger und ich hätte meine Gedanken vermutlich Folge geleistet.

Forbidden loveWhere stories live. Discover now