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Fallons P.o.V

Vorsichtig kletterte ich über Caydens Balkon und wollte bereits die Türe aufschließen, als ich inne hielt und den Schlüssel betrachtete. Der Schlüsse, der nicht nur ein Gegenstand für mich war. Ich konnte einfach so in sein Zimmer spazieren, ohne das er es je bemerken würde. Er vertraute mir.
Meine Gedanken schweiften plötzlich zurück zu der Nacht vor mittlerweile zwei Tagen. Ich konnte nicht einmal in Worte fassen, was ich bei einer bloßen Berührung mit seinen Fingern gefühlt hatte, ganz zu schweigen von dem leidenschaftlichen Kuss danach. Augenblicklich erhöhte sich mein Herzschlag. Dann flammten die Erinnerung des Morgens auf, der eine Vollkatastrophe für mich war. Mein Körper versteifte sich bei der Distanz, die ich zwischen Cayden und mir empfand. Ich hatte versucht, mir nicht zu viele Gedanken mehr darüber zu machen, aber ich schaffte es einfach nicht. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, an als Cayden. Nicht nur, weil mir ganz flau im Magen wurde, wenn ich sein Gesicht vor mir sah, sondern eben auch wegen unserem Umgang miteinander. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich von nun an verhalten sollte. Einerseits war ich mir sicher, dass das zwischen uns nicht nur auf Einseitigkeit beruhte, andererseits wurde ich aus Cayden nicht schlau. In einem Moment küsste er mich, im Nächsten nennt er mich eine Freundin.
Plötzlich ging die Tür auf und ich erschrack. Cayden schenkte mir ein zartes Lächeln, das ich hätte pausenlos anstarren können.
"Willst du nicht reinkommen?", fragte er leise und ich nickte langsam, traute mich aber nicht mich von der Stelle zu rühren bis er einen Schritt nach hinten machte. Mir schien als könne ich ein kleines bisschen besser atmen.
Ich hatte keine Ahnung, ob mich mich gerade richtig verhielt, denn es lag diese Stille zwischen uns, die ich nie deuten konnte. Trotzdem wusste ich nicht, was ich hätte zu ihm sagen sollen. Ich blieb also lieber ruhig, bevor ich noch etwas falsches sagte.
"Ich habe meinen Vater die letzten Tage beobachtet. Bis zwölf ist er immer unterwegs, bis dahin haben wir Zeit", erklärte er und ich sah zu ihm auf.
Ich musste meine Gefühle verdammt nochmal in den Hintergrund zwängen, so schwer es auch war. Cayden und ich hatten einen Plan und der durfte nicht durch irgendein unsicheres Empfinden schief gehen.
Ich räusperte mich. "Wir sollten lieber keine Zeit verlieren."
Cayden nickte und wies mit einer Kopfbewegung in Richtung Flur. Vorsichtig spähte er durch einen kleinen Spalt, als er niemanden ausfindig machen konnte, trat er hinaus. Ich folgte ihm derweil unauffällig.
Zuerst führte er mich in einen langen Gang, dann bog er nach rechts ab und blieb vor einer Tür stehen, die sich auf der rechten Seite des Flures befand. Cayden rüttelte an dem Griff. Abgesperrt.
Ich atmete tief aus und schob ihn zur Seite. Er beobachtete mich mit einem Grinsen, als ich mir eine Haarnadel aus den Haaren zog und mit Hilfe dieser die Tür knackte.
"Versteckte Talente", murmelte er und ich schmunzelte.
Zusammen traten wir durch die Tür und sahen uns um. Cayden lief zu dem großen, edlen Schreibtisch, während ich zuerst das riesige Bücherregal durchstöberte. Die Akten reihten sich aneinander, es würde uns eine Menge Zeit kosten, doch wir mussten es probieren. Eine nach der anderen sah ich durch, doch ich konnte nichts brauchbaren finden. Die DeLaurant-Familie hatte dafür wirklich viele Handelsverträge mit den unterschiedlichsten Partnern in den verschiedensten Bereichen, wie ich feststellen konnte.
"Hast du was gefunden?", fragte ich Cayden, der laut aufseufzte.
Das hieß wohl Nein.
Ich stellte mich neben ihn und brach die verschlossenen Schubladen auf, die jedoch so sauber waren, dass ich fast den Eindruck bekam, Gregor DeLaurant war ein Heiliger unter den Unternehmern.
"Was ist mit dem Computer?", fragte ich weiter und Cayden schüttelte den Kopf.
"Ich habe eine Datei nach der anderen durchgesehen, aber ich finde einfach nichts. Noch nicht einmal die illegalen Geschäfte hatte er dokumentiert."
Ich runzelte die Stirn. "Lass' mich mal", forderte ich ihn auf, was er mit einem stummen Lächeln kommentierte. Er trat einen Schritt zur Seite und ließ mich an den Rechner.
"Okay", flüsterte ich wohl eher zu mir als zu Cayden. "Das Geheimnis eines echten Unternehmers, der in den illegalen Branchen unterwegs ist, ist es, die Dateien dort zu verstecken, wo man sie leicht übersehen kann."
Cayden lehnte sich nach vorne und sah mir dabei zu, wie ich einige versteckte Dokumente fand, die er übersehen hatte. Seine starke Schulter drückte sich dabei gegen meinen Oberarm. Automatisch blitzen Bilder aus unserer Nacht auf, die mich kurzzeitig nicht losließen.
Schnell blinzelte ich mich zurück in die Realität, auch wenn mich meine dunkle Farbnuance im Gesicht leicht verriet. Innerlich brach ein kleines Feuerwerk in mir aus, das ich versuchte so schnell wie möglich zu unterdrücken.
"Ähm", stotterte ich. "D-die Dateien sind nicht wirklich groß, siehst du." Cayden nickte neben mir auf.
"Öffne eine." Ich leistete seiner Forderung Gehorsam und klickte auf die aktuellste. Augenblicklich zeigte es uns ein bekanntes Bild an. Es war das Foto der Bauarbeiter, die auf einem Stahlträger saßen. Wir beide hielten inne und stellten uns wieder auf.
"Das verstehe ich nicht", murmelte Cayden und schüttelte zusätzlich den Kopf. "Mein Vater ist weder in der Kunst- noch in der Fotografiebranche tätig."
Ich rieb mir über die Stirn. "Ich habe keine Ahnung."
"Vielleicht ist es nur ein normales Bild."
Ich verzog das Gesicht. "Niemand vertuscht ein normalen Foto ohne wirklichen Grund." Kurz dachte ich nach. Bevor das Verhältnis zu meinem Vater schlechter wurde, hatte er mich etwas die Welt der Kodierung belehren lassen. Zwar war das eine ganze Weile her, dennoch hatte ich so einiges noch im Gedächnis. Ich erinnerte mich an eine Stunde, in der er mir gezeigt hatte, wie man verschlüsselte Nachrichten in einem Bild entdecken konnte. Vielleicht war es hier auch der Fall.
Ich strich meine Haare nach hinten und lehnte mich über die Tastatur. Hoffentlich benutze Gregor DeLaurant dasselbe Programm, wie wir es taten ... So gut ich mich erinnern konnte, versuchte ich die Verschlüsselung zu knacken. Es war nicht einfach, das gebe ich zu, allerdings waren hier keine Profis am Werk gewesen, denn nach einigen Versuchen, schaffte ich es tatsächlich einen der Codes innerhalb des Bildes zu knacken.
Es war jedoch kein Satz, viel mehr zeigte der Computer uns eine Reihe von zahlen an. 1-9-0-5.
Cayden riss die Augen auf. "Wie hast du ..." Ich grinste und warf ihm einen kurzen Blick über meine Schulter zu. "19 05", murmelte ich und dachte nach.
"Das Datum in drei Tagen", flüsterte Cayden hinter mir und ich nickte.
"Für die anderen Codes habe ich nicht die nötigen Kenntnisse", flüsterte ich und rieb mir den Nacken.
Cayden legte mir die Hand auf den unteren Rücken, was mein Herz fast zum explodieren brachte. Ich merkte, wie mir plötzlich unendlich heiß wurde, vielleicht auch weil die Wärme, die von seiner Hand in mein Körper strahlte, so unfassbar intensiv war.
"Du bist unglaublich", raunte er neben mir mit dem Blick auf mein Gesicht gerichetet.
Auch wenn ich ihn nicht ansah, fühlte ich seine Augen auf mir. Ich versuchte weiterhin ruhig zu atmen, aber ich schaffte es einfach nicht. Keine Ahnung, wie Cayden es schaffte, mich so dermaßen aus dem Konzept zu bringen, aber er schaffte es jedes verdammte mal mit lediglich ein paar Wörtern oder Berührungen.
Ich drehte mich zu ihm um und sah ihm direkt in die Augen, was ich heute nicht wirklich geschafft hatte. Ich versuchte Abstand zugewinnen, indem ich meinen Körper gegen die Schreibtischkante drückte, allerdings standen wir immer noch nah genug beieinander, dass er mir den Kopf verdrehte.
"Okay, stopp", entgegnete ich und atmete tief aus. Cayden blinzelte mich verwirrt an. "I-Ich ... kann das nicht."
Auch wenn ich versuchte meine Gefühle zu unterdrücken, ich schaffte es einfach nicht. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, wenn er in meiner Nähe war.
"Ich kann nicht so einfach tun als wäre da nichts zwischen uns gewesen. Als hätte es die letzten Tage, diese Nacht nicht gegeben." Meine Stimme brach am Ende ab, doch ich brauchte kurz einen Moment, um meine Gedanken zu sortieren.
"Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist. Ich kann einfach nicht einschätzen, wo ich bei dir momentan stehe, Cayden. Und das macht mich wahnsinnig."
Ich lehnte mich etwas kraftos gegen den schweren Holztisch und schüttelte leicht den Kopf. "In einem Moment küsst du mich und ich denke, dass du es wirklich willst, aber im Nächsten spürte ich diese Distanz zwischen uns, die mich abschreckt. Ich kann aus dir einfach nicht schlau werden, so sehr ich mich auch darum bemühe."
Cayden senkte den Kopf. Ich erkannte einen Anschein eines kleinen Lächelns, das ich nicht deuten konnte. "Du bist dir also unssicher im Bezug auf uns."
Verwirrt blinzelte ich ihn an. "Und du nicht?", fragte ich nach, doch er zuckte lediglich mit den Schultern.
"Ich tue Dinge oder sage Sachen ohne darüber nachzudenken. Ich handle aus einem Gefühl, und nicht aus dem Verstand heraus. Du allerdings ..." Er schien kurz nachzudenken, während seine Augen an mir klebten. "Ich kann verstehen, dass du dir viele Gedanken über uns machst. Du bist unentschlossen wegen unserem Familienhintergrund, weil du nicht weißt, ob du dich gegen deinen Vater stellen sollst oder nicht. Du bist unenschlossen wegen mir, weil du mich nicht so gut kennst, dass du weißt, wie ich ticke. Und du bist unentschlossen wegen dir selber."
Bei seinem letzten Satz senkte ich den Blick. Möglich war es schon, dass ich zu sehr über alles und jeden nachdachte, aber das war keine Sache, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte.
"Deine Moral hält dich davon ab, Dinge zu tun, die dein Leben erleichtern könnten."
"Dinge wie uns?", fragte ich nach und sah ihm wieder in die Augen.
Er lehnte sich leicht nach vorne und platzierte seine Hände an der Kante des Tisches, sodass er mich in seinen Fängen hielt. Seine Knie drückten sich gegen mein Oberschenkel, was mein Herz zum rasen brachte. Ich konnte meinen Blick nicht von seinen Augen nehmen. Sie zogen mich in einen Bann, dem ich nur schwer entkommen konnte.
"Ich kann dir deine Bedenken nicht nehmen, das kann keiner." Sein flacher Atem streifte meine Lippen, was mich innerlich ganz unruhig machte. Ich hatte wieder diese gefährlichen Gedanken im Kopf, die mich aufforderten, dem Verbotenem nachzugehen.
"Aber ich möchte es dir leichter machen."
Ich schluckte und senkte den Blick für einige Momente aus seinen wundervollen Mund. Anstatt meinem Wunsch, ihn zu berühren, Folge zu leisten, krallten sich meine Hände in die Kante des Tisches bis meine Fingernägel das Holz fassten.
"Ich werde dich erst wieder berühren, wenn du es von mir verlangst."
Ich atmete tief aus und ließ die Worte auf mich wirken. Kein Kuss, nicht einmal eine unbedeutende Berührung? Automatisch verkrampfte sich mein Magen, obwohl ich nicht wusste, wieso. Mein Kopf war froh darüber. So konnte ich mir klar werden, ob ich das wirklich zwischen Cayden und mir wollte. In meiner Brust drückte mein Herz jedoch schwer gegen meine Rippen, denn im Inneren schrie alles danach, von ihm angefasst zu werden.
"Erst, wenn ich dich, dazu auffordere?", fragte ich fast tonlos, denn Caydens Gesicht schwebte nur wenige Zentimeter vor mir. Seine Augen fixierten meine Lippen, die leicht zu kribbeln begannen. Stumm nickte er, doch ich nahm es nicht richtig war. Er war mir in dem Moment so nahe, dass es sich anfühlte, als würde er mich tatsächlich anfassen, doch er hielt sein Wort. Jede meiner Körperzellen schrie nach ihm, nach seiner Haut auf mir, durch die mir ganz heiß wurde, nach seinen Händen, die mich so eng an ihn drückten wie nur möglich, und ganz besonders nach seinen Lippen, an denen ich mich ergötzte.
Cayden sagte vorhin, dass er aus dem Bauch heraus handeln würde, ich hingegen meist aus dem Kopf.
Doch genau in diesem Moment setzte mein Verstand aus und tat das, was ich nicht tun sollte, ich drückte meinen Mund auf seinen. Innerlich brach mein Gefühlschaos zusammen, denn jetzt gab es nur eine Emotion, der ich folgen wollte. Das Verlangen nach mehr. Meine Hände krallten sich in seinen Nacken und schoben seinen Körper damit zu mir.
Hingebungsvoll erwiderte Cayden den Kuss, als hätte er auf nichts anderes gewartet. Er drückte mich den Tisch hinauf und wanderte mit seinen Händen meinen Rücken entlang bis sie an meinem Hintern stehen blieben. Meine Beine schlangen sich um seine Hüfte und drückten ihn damit noch enger an mich. Seine Lippen verschmolzen mit meinen, unsere Zungen kämpften leidenschaftlich miteinander.
Alles um uns herum verlor an Wichtigkeit: Das Familiendrama, der Mord, selbst der Fakt, dass wir unter Zeitdruck nach Hinweisen suchen sollten war meilenweit entfernt von uns. Wir waren wie in Trance, ein Gefühl aus Zeitlosigkeit, in der nur wir uns befanden. Mein Herz wurde durchströmt von Leidenschaft und Sehnsucht. Es war ein Wechselspiel aus Gefühlen, dass ich empfand. Ich wusste nicht, ob ich jemals von Cayden genug bekommen könnte, ob ich mein Verlangen jemals gestillt werden würde, denn mein Körper saugte jede seiner brennenden Berührungen auf. In dem Moment sah ich die Antwort auf die Frage, ob das zwischen uns klappen könnte, klar und deutlich vor mir. Die Frage war eher, ob ich dem noch lange widerstehen konnte.

Forbidden loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt