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Fallons P.o.V.

Meine Augen wanderten durch die große Eingangshalle, dabei scannte ich ein Gesicht nach dem anderen ab. Die meisten Leute kannte ich zumindest vom sehen her, allerdings waren sie mir alle fremd. Das wunderte mich auch nicht, denn ich vermied es auch nur jeglichen Kontakt mit irgendwelchen Geschäftspartnern meines Vaters oder den, der DeLaurants, zu pflegen. Auch wenn ich als Nachkomme des Oberhauptes irgendwann einmal an die Stelle meines Vaters treten würde, waren geschäftliche Beziehungen das letzte, an das ich jetzt denken konnte. Natürlich war es von Wichtigkeit zu wissen, mit wem meine Familie eine engere Verbindung aufrecht erhielt und mit wem nicht, aber mit gerade einmal achtzehn Jahren hatte ich definitiv andere Sorgen. Sorgen, wie meiner heimlichen Affäre zu begegnen zum Beispiel, doch noch konnte ich Cayden nirgendwo entdecken. Und das war auch gut so. Ich hatte nicht wirklich Lust den ganzen Abend damit zu verbringen, mich vor ihm fernzuhalten, nur um auch nur ein Wort mit ihm wechseln zu müssen und dabei vermutlich gleich noch in Tränen auszubrechen. Es war mittlerweile genau zwei ganze Wochen her, dass wir uns auch nur gesehen hatten, allerdings hatte ich versucht, so gut wie irgendwie möglich den Kontakt zu reduzieren, da ich wirklich Abstand von ihm gebraucht hatte. Nach dem fürchterlichen Essen und dem anschließend noch katastrophaleren Gespräch mit meinem Vater brauchte ich dringend eine Pause von allem, auch wenn nur Cayden und ich nach wenigen Tagen das erneute Vergnügen hatten, uns zu duellieren. Ich hatte keine Ahnung, dass er oder sonst irgendwer uns dafür eingetragen hatte, doch ich würde schwer darauf tippen, dass es Caydens kläglicher Versuch war, mich zumindest so kontaktieren zu können. Der Kampf sollte eigentlich so reibungslos und schnell wie immer verlaufen, allerdings hatte ich mich irgendwann selber nicht mehr im Griff. Ich war so geblendet von all dem, was Cayden mir angetan hatte, dass ich mich nicht mehr bremsen konnte. Es hatte sich fälschlicherweise richtig angefühlt, ihm genau den Schmerz hinzuzufügen, den er auch mir hinzugefügt hatte - wenn auch nur körperlich. Doch als Cayden irgendwann anfing mit mir zu sprechen, löste sich die innerliche Wut in mir auf und wandelte sich in etwas, dass ich nicht wirklich beschreiben konnte. Auf einmal prasselten alle Erinnerungen wieder auf mich nieder, die ich so sehr verdrängen wollte. Ich hatte mir in dem Moment nichts sehnlicher gewünscht, als aus diesem Albtraum zu erwachen und mich in seinen Armen zu finden. Meine Versuche, das alles zwischen Cayden und mir vergessen zu können, schlugen immer wieder fehl. Ich hatte immerhin wirklich gedacht, dass wir eine echte Verbindung zueinander hatten, und mich ließ der Gedanke nicht los, dass das alles nur eine weitere, unbedeutende Seite in meinem Buch namens Leben sein konnte. Mit Cayden hatte ich mich einfach so viel anders gefühlt, so viel besser, so viel verstandener. Aber vielleicht war das alles auch nur reines Wunschdenken, weil ich nicht zugeben konnte, dass ich nur eine seiner unbedeutenden Liebschaften war.
"Guten Abend, Aloisius", begrüßte Eleonore meinen Vater mit einem warmen Lächeln, dann wandte sie sich zu mir. "Hallo, Fallon."
Mein aufgesetztes Lächeln kam erstaunlicherweise ziemlich echt rüber. An ihrer freundlichen Art konnte ich erkennen, dass der Vorfall zwischen Cayden, mir und meinem Vater unbemerkt verlief. Auf der einen Seite war es vielleicht gut so, denn das hätte das Feuer zwischen unseren Familien stärker aufflammen lassen als jemals zuvor, auf der anderen Seite wusste ich allerdings, dass Cayden weiterhin unbeschadet aus der ganzen Sache rauskommen würde, da niemand bis auf Harvey etwas über uns wusste. Aber noch nicht einmal Harvey würde es wagen, etwas preiszugeben, dafür stand zu viel für ihn auf dem Spiel. Naja, zumindest hoffte ich das, denn sonst würde Gott weiß was mit Cayden oder mir passieren.
"Geht es dir wieder besser?", fragte sie höflich. Ich drehte den Kopf zu meinem Vater, der mich mit eiserne Miene musterte. Ich hatte angenommen, dass sich nach unserem Gespräch etwas verändern würde, irgendetwas, doch wie mir scheint, hatten meine Worte nicht den geringsten Einfluss auf unser Verhältnis. Er verhielt sich vollkommen normal, naja, so normal distanziert er eben sein konnte.
"Diese Erkältung war wirklich schlimm", antwortete mein Vater und richtete sich zu Eleonore. "Ganze zweianhalb Wochen lag Fallon flach." Eine positive Sache hatte die ganze Sache allerdings, ich wurde für zumindest siebzehn Tage fern von jeglichen Angelegenheiten, die mit den DeLaurants zu tun hatten, ferngehalten. Mein Vater hatte wohl Sorge, dass ich durch Caydens Anwesenheit bei sämtlichen Geschäftsessen noch einmal einen Rückschlag erleiden könnte, der darin endete, den Frieden zwischen unseren Familien auszulöschen. Doch das war reiner Schwachsinn, ich würde nicht noch einmal riskieren, von einem DeLaurant so verletzt zu werden.
Aber wie jedes Traum hatte auch dieser ein Ende. Mein Vater konnte die Fassade der schlimmen Erkältung nicht lange aufrecht erhalten, irgendwann würde man sich fragen, wo Fallon Cunnigham abgeblieben war. Und nach offenen Fragen kamen Gerüchte, die mein Vater um jeden Preis verhindern wollte.
Eleonore warf mir einen mitleidigen Blick zu, den ich mit einem schwachen Lächeln kommentierte. Meine Augen glitten für eine Milisekunde zu Gregor DeLaurant rüber, der mich mit seinem Starren fast durchdringen konnte. Ein eiskalter Schauder durchdrang mich, den ich nicht zurückhalten konnte.
"Bitte, kommt doch rein." Elenores positive Art lenkte mich wieder zurück in die Realität.
Mein Vater stieß mich leicht mit der Schulter an, um weiter in das Innere des Anwesens zu laufen. Ich stolperte leicht nach vorne, doch fasst mich gleich wieder.
All die Menschen, die ich zuvor aus der sicheren Ferne beobachtet hatte, warfen mir den ein oder anderen Blick zu. Ich hielt die Augen starr nach vorne gerichtet, weil ich Ausschau nach einer einzigen Person hielt, die ich jedoch nirgendwo entdecken konnte. Mein Herz pochte plötzlich um zwei Frequenzen schneller. Innerlich atmete ich auf, doch ich konnte mir dennoch nicht zu hundert Prozent sicher sein, dass er nicht da war.
Kaum war mein Vater und ich zwei Minuten da, stürzten sich irgendwelche Geschäftspartner auf uns, naja, wohl eher auf meinen Vater. Für einige Momente beobachtete ich das Spektakel, wie ein Mann nach dem anderen um die Aufmerksamkeit des Oberhaupts meiner Familie ringte, doch mit der Zeit wurde es einfach nur noch lächerlich. Es kam mir fast vor, als sei mein Vater irgend ein Prominenter, und vielleicht war es das auch in gewisser Weise in unserer Geschäftsbranche, aber das konnte mir nicht gleichgültiger sein.
Vorsichtig trat ich einen Schritt nach dem anderen zurück, um mich schleunigst aus dem Staub zu machen, als mich eine Hand am Unterarm griff.
"Wohin willst du?", brummte mein Vater mit gedämpfter Stimme, dabei ließen mich seine Augen nicht los.
Seufzend schüttelte ich seine Hand ab und richtete leicht mein Kleid, das eigentlich kaum verrutscht war. "Beruhige dich", murmelte ich und drehte den Kopf in Richtung Bar. Eigentlich konnte ich ihm es nicht verübeln, dass er sich Sorgen darum machte, dass ich mich möglicherweise immer noch mit Cayden hinter seinem Rücken traf. Immerhin hatte ich das auch Monate zuvor geschafft, aber ich war nicht so dumm und würde freiwillig seine Nähe suchen. Das war das letzte, das ich wollte. "Du findest mich den ganzen Abend genau dort."
Mit dieser Aussage drehte ich mich in die entgegen gesetzte Richtung und ließ mich auf einen der freien Barhocker nieder. Ich würde den Abend immerhin nicht ohne Alkohol überleben, nicht nur wegen Cayden, sondern auch sicherlich wegen meines Vaters.
Der Barkeeper reagierte auf mein Handzeichen und ließ ein kleineres Kristallglas über den Tresen in meine Hand wandern. Als meine Lippen sehnsüchtig an der Kante nippten und der herbe Geschmack des Whiskys meine Zunge benetzte, konnte ich mein erleichtertes Aufseufzen nicht unterdrücken. Eins musste man den DeLaurants lassen, so abscheulich diese Veranstaltungen auch waren, so wundervoll waren die Drinks. Mir kam der Gedanke, dass sie ihre Gäste bewusst betrunken machten, um den Abend lockerer durchzuleben, gar nicht mal so fern.
Meine Augen wanderten beim nächsten Schluck erneut durch den Raum. Noch immer hielt ich Ausschau nach einer bestimmten Person, und noch immer konnte ich sie nirgendwo entdecken. Der größte Teil von mir war deswegen überaus froh, denn noch ein weiterer Abend mit Cayden DeLaurant, an welchen ich aufgelöst durch dies Türen torkeln würde, würde ich mit Sicherheit nicht gebrauchen können. Es war schon schlimm genug, mitansehen zu müssen, wie die letzten Wochen eine einzige Lüge waren, geschweige denn von meinem Vater ertappt zu werden. Verständlich, dass ich kein wiederholungsbedarf hatte.
Aber aus irgendeinem, mir unerklärlichen Grund lebte in mir trotz der vielen, furchtbaren Dinge, die Cayden mir angetan hatte, ein Teil, der sich nichts sehnlicher als seine Anwesenheit wüsnschte.
Ja, ich weiß, das war verrück, denn immerhin war er der Grund, weshalb es mir seit Wochen schlecht ging. Der Grund, der mein Herz in tausende von Teilen gebrochen hatte. Aber es waren genau die wenigen Scherben, die er noch nicht vollkommen zerstört hatte, die mich pausenlos an ihn denken ließen. Keine Ahnung, ob das normal war, denn ich hatte mich noch nie so sehr auf jemanden eingelassen, wie es bei Cayden der Fall war. Ich wünschte mir nur, dass ich endlich damit aufhören könnte, damit ich endlich einen Schritt nach vorne, statt zwei zurück machen würde. Ich wusste nicht, woran das liegen konnte, ich versuchte immerhin alles, um mich auch nur in die richtige Richtung zu drehen, aber irgendetwas hinderte mich daran, loszulassen.
Gott, ich würde alles dafür geben, endlich weitermachen zu können wie bisher, mich endlich von ihm lösen zu können, damit der permantente Schmerz in meiner Brust auch nur ein bisschen nachlassen würde.
Plötzlich setzte sich die eine Person neben mich, von der ich es am wenigsten erwartet würde. Lexi hob die Hand, während sie ihr anderen Glas gerade leerte.
Ich hatte sie noch nie so aufgelöst gesehen, denn sie wusste genau, wie sie sich bei allen anderen präsentieren musste, um zu gefallen. Besonders, da es sich um eine formelle Veranstaltung handelte, bei der Fehler leicht in Erinnerung blieben.
Als ihre Lippen an dem Glas nippten, drehte sie den Kopf in meine Richtung. Sie hatte mein Starren offensichtlich bemerkt. "Was?" Ihre Stimme klang gereizt, aber keineswegs gehässig.
Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich lieber meinem Getränk zu. Es war komisch, Lexi so am Rande ihrer Grenzen zu sehen, vor allem weil ich nicht gerade ihre Lieblingsklatschschwester war.
Lexi leerte auch das nächste Glas in einem Zug und gab dem Barkeeper ein weiteres Zeichen. Als sie jedoch ignoriert wurde, fluchte sie leise vor sich hin und beugte sich leicht über dem Tresen. Ich bemerkte, wie einige Leute, die sich in unserer Nähe aufhielten, zu ihr umdrehten und ihr verurteilende Blicke zuwarfen.
Lexi ließ die Hand unter den Tresen verschwinden und zog auf gut Glück eine volle Flasche hervor. Gerade als sie den Korken aus dem Flaschenhals zog und sich auf ihren Hocker zurück setzen wollte, verlor sie das Gleichgewicht.
Ich reagierte ohne zu überlegen und griff nach ihrem Unteram, um sie zu stützen, dabei glitt ihr die Flasche leicht aus der Hand, wodurch sich gut ein Viertel der dunklen Flüssigkeit auf dem Tresen und dem mamorierten Boden verteilte und ein weiteres Viertel mein und ihr Kleid durchnässte.
Innerlich brodelte eine Wut in mir, doch ich atmete ein-zweimal aus, um diese zu bändigen. Lexi schien nicht wirklich bei sich zu sein, deshalb konnte ich sie nicht wirklich verurteilen.
"Ist alles in Ordnung?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue und half ihr, sich zurück auf den Hocker zu setzten.
Lexi entzog sich meinem Griff wieder und griff nach der nur noch halb gefüllten Flasche. "Mir gehts bestens."
Ich sah ihr dabei zu, wie sie den Flaschenrand an ihre Lippen setzte und unbeirrt einen Schluck nahm. "Vielleicht solltest du es lieber langsamer angehen", schlug ich vor, was sie mit einem giftigen Blick kommentierte. Und da war sie wieder, die Lexi, die mich hasste.
"Ich kann für mich selber entscheiden", fuhr sie mich an und nahm demonstrativ einen weiteren Schuck. Es vergingen ein paar Momente des Schweigens, in denen sie ihren Gedanken hinterher jagte. "Ich brauche niemanden", fügte sie gedankenverloren hinzu, doch erst nachdem ihre Lippen die Worte verlassen hatte, realisierte sie, dass ich ihr immer noch zuhörte. "Ist ja auch egal."
Ich senkte den Blick und überlegte, ob ich etwas sagen oder still bleiben sollte, denn immerhin waren wir nicht gerade beste Freundinnen. "Man braucht immer jemanden", murmelte ich leise, was sie jedoch zu hören schien.
Ihr Körper hielt inne, während sie mich beobachtete.
Ich hob vorsichtig den Blick und kreuzte dabei ihren. Sie schluckte auffällig und ließ die Flasche sinken. Ohne es zu wissen hatte ich vermutlich bei ihr einen Nerv getroffen.
"Ich nicht", raunte sie und senkte wieder den Kopf. "Manchmal ist es besser, alleine zu sein."
Ich versuchte nicht so überrascht zu wirken, dass sie sich mir etwas öffnete. "Du hast deine Familie, deine Freunde wie Harvey und ...", es kostete mich einige Augenblicke weiterzureden, "... Cayden."
Sie schnaubte und schüttelte leicht den Kopf. Ihren Augen nach zu urteilen war sie bereits wieder irgendwo anders mit den Gedanken war. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, doch ich sah einen glänzenden, feuchten Film über ihren Augen.
"Nicht mehr", murmelte sie mit zittriger Stimme. "Manche Freundschaften halten für die Ewigkeit, und manche sind dazu bestimmt, an gewissen Punkten zu brechen."
Ich konnte ihr die Trauer förmlich ansehen. Mir war völlig entgangen, wie Lexi sich fühlen musste, nachdem sie ihren besten Freund mit einer anderen Frau im Bett erwischt hatte, mit mir, obwohl sie Gefühle für ihn hegte. Innerlich verspürte ich etwas, dass Mitgefühl ähnelte - und das, obwohl wir uns nicht ausstehen konnten.
"Aber Cayden und du -", begann ich, doch sie unterbrach mich wieder.
"Cayden und ich sind da keine Ausnahme. Man wird immer auf die Probe gestellt, doch irgendwo kann selbst die stärkste Freundschaft an ihre Grenzen stoßen, denn es gibt immer etwas, jemanden, der einem wichtiger ist als die beste Freundin."
Ich hatte keine Ahnung, was ich zu ihr sagen sollte, denn nichts könnte ihre Trauer oder Wut mildern.
"Das tut mir leid", flüsterte ich tonlos und sah auf meine Hände.
Es lag immerhin nicht fern, dass sie nur so am Ende wegen der ganze Sache mit Cayden war, weil ich der Grund für ihr angespanntes Verhältnis war. Das Ausmaß, das unsere Affäre hatte, war viel tiefgreifender als ich gedacht hatte.
Lexi räusperte sich und richtete wieder ihr Kleid. Ich wusste, dass sie ihre Mauern wieder hochfuhr.
"Wie dem auch sein", räusperte sie sich und wandte ihren Körper wieder dem Tresen zu.
Für einige Moment sah ich ihr dabei zu wie sie wieder die Kontrolle gewann, dann rutschte ich völlig benebelt den Hocker hinunter und trat einen Schritt von ihr weg als ich inne hielt.
"Es tut mir wirklich leid für dich Lexi", flüsterte ich mit Nachdruck. Sie drehte sich stirnrunzelnd zu mir um, doch da verschwand ich bereits zwischen den Menschen.

Forbidden loveWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu