(46) Zwischen Raum und Holz

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Dennoch versetzten sie mir eine Gänsehaut.

Ich erinnerte mich an unseren Ausflug zum Wasserturm und an das Feuer voller Hoffnung, welches in seinen Augen gestanden hatte. Es brannte für die Gerechtigkeit aller Seelen.

Ich zitterte, obwohl mir eigentlich bewusst war, dass ich gleich einer Randgruppe begegnete, einem Minimum der Gesellschaft, welche von dämonischen Existenzen wusste und sogar gegen diese kämpfte. Nichts anderes hatte ich erwartet.

Nichtsdestotrotz verschwand das Prickeln auf meiner Haut, so schnell wie es gekommen war, denn es sah hier für ein finsteres Odium oder ein dunkles Bündnis viel zu friedlich aus.
Das Einzige was ich unüberhörbar vernehmen konnte, war das Zwitschern der Vögel in den Bäumen und die sanften Luftzüge, welche durch die Äste glitten.

Wie in einem Bilderbuch umrahmten Eichen das Äußere des Hauses, während sich noch schönere Blumen in allen möglichen Farben um den Weg vor uns säumten.

Noch immer schlug ich Wurzeln vor dem Gartentor und betrachtete das wunderschöne Naturschauspiel. Fast selbstzufrieden, stellte ich keine beängstigenden Hinweise einer dunklen Organisation, oder wie sie auch heißen mochte fest und trat endlich erleichtert auf das Gelände.

Die Bewohner des Anwesens mussten warmherzige, naturliebende Familienmenschen sein, da konnte ich nur zu gut nachvollziehen, dass man Wert auf eine ernsthafte Namensvergabe lag. Sollten sie heißen, wie sie wollten, ich mochte sie jetzt schon.

Aiden und ich liefen zusammen den Pfad entlang und kamen dem Vorderbau des Hauses immer näher.

Ich ergriff den ersten Schritt Richtung Eingangstür, doch ein Ruck am Ärmel riss mich zurück. 

Mein Freund zog am Saum des Mantels: »Halt,« sein Grün fixierte mich, »lass mich lieber zuerst.«

Wie gewollt, ließ ich Aiden den Vortritt und seltsamerweise trat er nicht an die Tür des Hauseinganges.

Er wich von ihr und bewegte sich auf einen der danebenstehenden Eichen zu. Immer noch an seinen Fersen heftend, verfolgte ich ihn stumm und neugierig.

Nun stand er vor dem dicksten Stamm.

Dann legte er seine Handfläche auf das Holz und sah mich wie gebannt an: »Wir sehen uns später.«

Gerade wollte ich zu einer Antwort ansetzen, da zog ihn auch schon ein Luftzug in das Holz.
Um genauer zu sein, hatte es so ausgesehen als hätte ihn der Baum eingeatmet.

Aiden war fort.

Aus einem Affekt heraus, griff ich, ohne zu zögern nach der Stelle, welche er eben noch berührte.

Da spürte auch ich es.

Es atmete mich ein, ein Sog, welcher aus dem Baumes Inneren zu kommen schien.

Die Welt wirbelte um mich herum und kurzzeitig drehte sich auch mit ihr mein Mageninhalt. Ich bewegte mich zwischen Raum und Zeit, zumindest fühlte es sich so an.

Doch innerhalb von wenigen Sekunden fand ich erneut Halt. Meine beiden Beine standen in einem Torbogen aus poliertem Marmor.

Blinzelnd betrachte ich den neuen Raum, der sich vor meinen Augen plötzlich darbot. Ich stellte fest, dass ich mich nicht mehr auf ländlichem Grund befand.

Meine Augenhöhlen quollen und mein Gesicht geriet in Spannung.
Das Anwesen und die vielen Wiesen waren verschwunden. Nun betrachtete ich meine neue Umgebung. Ein dunkler Raum, welcher aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit, wohl eine unterirdische Kammer sein musste. Höhlenartig verliefen die Wände nach oben, bis zu einer ungefähren Armlänge über meinen Kopf hinaus.

Beautiful NightmaresWhere stories live. Discover now