(25) Leuchtendes Purpur

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Allerdings war für mich ihr Gesicht einfach zu lesen: Keine neue Nacht, ohne einen neuen Traum. Ich weiß Bescheid, Eleonora Davis.

Das Mondlicht ließ ihr Bild noch deutlicher werden. Ich sah ihr zu, als würde die späte Stunde ihre Gestalt malen.
Das leicht bronzefarbene Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengeknotet. Trotzdem endete dieser knapp über ihrer Taille. Sie sah erschöpft aus und trug die mir bereits bekannte Alltagskleidung. Ein Pullover Kleid und diese lässigen Springerstiefel.
Abrupt unterbrach ich meine Musterung, denn der Dämon zu meinen Füßen kam seinem Ziel gefährlich nahe.

Ein Jäger in Wolfsgestalt.
Nein, nur Menschen würden ihn naiver Weise einen „Wolf" nennen. Das Fell war viel zu struppig und matt. Außerdem war er viel größer als ein gewöhnliches Rudeltier. Der Rücken des Dämons erreichte mindestens die Höhe eines Pick-Ups. Ein Kopf vergleichbar mit dem Umfang einer Litfaßsäule. Abgesehen von den Reißzähnen, war er bewaffnet mit Krallen, welche größer waren als die dazugehörigen Tatzen.
Definitiv handelte es sich hierbei um keinen gewöhnlichen Wolf, denn anders als Wölfe es taten, jagte er allein und teilte seine Beute nicht.

Nein, dieser Unterweltler hier ist viel schlimmer...
Er kam direkt aus der Anderswelt um zu töten. Dies tat er nicht um zu überleben, denn Dämonen benötigten keine Nahrung. Sie waren nicht einmal auf ein Gramm Menschenfleisch angewiesen. Ihre Jagd bedeutete ihnen weitaus mehr.
Dieses übernatürliche Raubtier ließ sich von seinem Blutdurst lenken. Dafür setzte es sich immer wieder einen neuen Meilenstein. Für gewöhnlich fixierte es nur ein Opfer und jagte diesem hinterher, bis es vor Erschöpfung schwach war. Eine Kopfgeldjagd, angetrieben von einem nahezu unstillbaren Mordhunger.
Die einzige Befriedigung, die es verlangte, war dessen Bezahlung in Blut. Dies war der Preis und wahrscheinlich verfolgte es, um diesen zu bekommen, seine Beute bis zum anderen Ende der Erdkugel.
Doch es lief auf den einen wichtigen Zweck hinaus: Die Ausrottung des Ziels. Das Opfer war zu einem grausamen Tode verdammt.

Und selbst jeder Mensch, mit meinem Wissen, hätte wohl erkannt, wer die neue Zielscheibe im Daseins des Unterweltlers geworden war: „Eleonora Davis".

Das Untier wartete nur auf ihre Unachtsamkeit. Die Studentin hatte überhaupt keine Ahnung, in welcher Gefahr sie überhaupt steckte und dass man ihr bereits auflauerte. Natürlich nicht.

Jedoch wunderte es mich nicht. Man hätte ihr das Wort „Köder" auf die Stirn schreiben können und sie wäre wahrscheinlich immer noch über einen Angriff verwundert gewesen.

Verärgerung ließ mich leise einen Seufzer ausstoßen: »Du wolltest nicht auf mich hören, Nora.«

Ich ging in die Hocke. Die Abdeckung der Straßenlaterne knarrte leicht unter dem Einfluss meines Gewichtes. Zwar konnte ich meine Schwere kontrollieren und halbieren, wenn ich wollte, dennoch schien sie ihm nicht ganz Stand zu halten.

Gedankenverloren grub Nora in ihrer Handtasche und holte ein Schlüsselbund hervor.

Der Dämon bewegte sich.
Das leuchtende Purpur um seine Pupillen fing an zu glühen.
Da war der gefährliche Moment, auf welchen ich gewartet hatte. Die Laterne knarzte vor Entlastung. Mein Gewicht fuhr in vielfacherem Ausmaß hinunter, denn diesmal wollte ich schwer sein.

Diesmal krieg' ich dich.
Diesmal breche ich dir das Genick.

Es zog mich rasend schnell abwärts, so dass meine Hände sich direkt in das Fell des Wolfes gruben. Meine Nägel verformten sich und wurden länger. Gnadenlos verfingen sich die Spitzen in der dicken Haut der Bestie. Ein gequältes Heulen durchdrang die Nacht.
Ich konnte das dämonische Blut praktisch in der Luft schmecken.

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