Kapitel 13

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Langsam geht Akaashi den Schulflur entlang. Er sagt nichts, er denkt nichts, er sucht einfach seinen Unterrichtsraum.
Er kann das von heute morgen noch nicht verkraften, er kann es noch nicht einmal realisieren. Es ging alles so unfassbar schnell.
Auf einmal haben sie ihm Bokuto weggenommen. Sie haben ihn einfach mitgenommen, sie haben ihm keine Chance gegeben sich zu verabschieden. Sie haben ihn einfach in die Notaufnahme genommen.
Akaashi ist ihnen schreiend hinterher gerannt: „ Nehmt ihn mir nicht weg!“ hat er immer wieder schreiend gerufen.
„Lass mich nicht allein Kumpel!“
Seine Eltern, von denen er nicht mal wusste, woher sie plötzlich gekommen sind, umklammerten ihn von hinten und versuchten ihn zu beruhigen. Sie klammerten an seinen Armen und versuchten ihn mit aller Kraft festzuhalten. Doch er schrie und riss sich aus ihren Armen und rannte nach draußen, er hatte so unbeschreibliche Angst.
Er rannte und rannte, dabei ließ er seinen Gefühlen freien Lauf. Er schrie und weinte die ganze Zeit.
Er rannte solange, bis seine Schritte ihn zu dem Hügel führten.
Gestern schien alles noch so normal und auf dem besten Weg der Besserung und heute scheint Bokuto um sein Leben zu kämpfen.
Akaashi gab sich für all das die Schuld, auch wenn er vielleicht innerlich wusste, dass er nichts dafür konnte.
Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis Akaashi auf einmal aufschreckte, er fühlte die kalte Hand seiner Mutter auf seiner Schulter.
„Ist alles Okay?“ fragte sie vorsichtig.
Akaashi starrte sie nur an.
Sie kniete sich neben ihn, nahm ihre Hand und wischte ihm die Tränen aus den Augen.
„Es wird alles wieder gut, Bokuto ist ein Kämpfer, bald wird alles wieder normal.“, nahm sie ihren Sohn tröstend in die Arme. Auch sie machte sich Sorgen um den Kumpel ihres Sohnes. In letzter Zeit war er sehr oft bei ihnen und sie hatte ihn schon in ihr Herz geschlossen.
„Danke Mom..“, erwiderte der Schwarzhaarige die tröstende Umarmung und schöpft aus ihr sogar ein wenig mehr Kraft.
„Und übrigens musst du jetzt zur Schule, es macht ihn auch nicht wieder gesund, wenn du hier rumheulst“
„Wow danke Mom für dein Mitgefühl.“
Seine Mutter meinte es nicht böse, wirklich nicht.
Das ist einfach ihr verschrobener Humor und ihre Art Akaashi auf andere Gedanken zu bringen und das erkannte er an ihrem versöhnlichen Grinsen.
Aber sie hatte auch recht, es bringt niemanden etwas, wenn er weinend unter einem Baum hockt.

Jetzt geht er stumm durch die Schule. Kein Schüler ist mehr auf den Gängen, da er schon spät dran ist.
Er hört nur seine Schuhe auf dem Boden quietschen. Diese Stille ist schon fast unangenehm.  Er kann den Gedanken an Bokuto nicht zurückhalten, er denkt an ihn, wie sie jeden Tag zusammen durch die Gänge gegangen sind. Und jetzt steht er hier. Allein.

Er schluchzt und muss sich schon wieder eine Träne aus dem Gesicht wischen.
Langsam geht er weiter, den Entschuldigungszettel seiner Mom in seine Faust geballt, er ist zerknittert und nur noch schwer lesbar. Doch das ist Akaashi egal.
Als er an seinem Raum ankommt, klopft er gegen die hölzerne Tür.
Er hört ein stumpfes: „Herein" aus dem Raum und tritt ein.
Augenblicklich sind alle Blicke auf ihn gerichtet, ist es immerhin noch nie vorgekommen, dass der Schwarzhaarige mal zu spät zum Unterricht kommt. Nicht mal als Bokuto für knapp 3 Tage weggetreten war, hatte er auch nur eine Minute des Unterrichts verpasst.
Dennoch ignoriert er die fragenden Blicke und reicht seiner Lehrerin die Entschuldigung.
Die Lehrerin nickt nur stumm, als Akaashi ihr den Zettel gibt und sich dann hinsetzt.
Die Worte der Lehrerin und der anderen Schüler prallen nur an ihm ab. Selbst die Stundenglocke überhört er fast.
„Keiji? Was ist mit dir los?“ fragt ihn die Lehrerin besorgt.
„Es ist…es ist nichts Sensei." Akaashi hat jetzt nicht vor einer Lehrerin von seiner Angst zu erzählen, von seiner Angst Bokuto zu verlieren.
„Ist es wegen Bokuto?“ shit, sie wusste es also.
Hätte er sich aber auch denken können, denn der Grauhaarige ist in der Schule bekannt wie eine bunte Eule und da fällt es natürlich auf, wenn dieser mal nicht in der Schule ist.
„J-aa…“ murmelt Akaashi, es ist erst ein paar Stunden her, er ist einfach noch nicht bereit jetzt darüber zu reden.
„Geh nach Hause, es bringt dir nichts wenn du hier rum sitzt als würdest du morgen sterben. Trink einen Tee, ruh dich aus und komm morgen wieder.“
Ein bisschen nörgelnd packt Akaashi seine Sachen und geht langsam nach Hause.

Als er nach einer Weile vor seinem Haus steht, nimmt er seinen Schlüssel aus seiner Jackentasche, steckt ihn ins Schloss und dreht ihn langsam rum. Mit einem leisen knacken öffnet sich die Tür, er drückt seine zitternden Hände dagegen und macht einen Schritt nach vorne um in das Haus einzutreten.  Er schließt die Tür, zieht seine Schuhe aus und geht in die Küche.
Seine Eltern sind schon Arbeiten was gut ist, er brauchte jetzt kurz Zeit für sich.
Er setzt sich auf einen Stuhl, schmeißt seine Mappe in eine Ecke und holt sein Handy aus seiner Jacke, die er danach auf die Mappe wirft.
Sein Handy schaltet er an, wischt ein paar Mal über den Bildschirm und befindet sich in der Galerie.
Er sucht den Ordner ‚Kotaro' raus und öffnet ihn.

Er tippt auf das oberste Bild und starrt für lange Zeit auf dieses eine Bild.

Sie haben es nach ihrem ersten gemeinsamen Spiel gegen die Nekoma Oberschule gemacht.
Bokuto ist mit einem ihrer Spieler befreundet. Kuroo oder so. Er selbst findet ihn ganz okay doch dessen besten Freund, den Erstklässler Kenma findet er ein wenig besser. Kuroo ist eher wie Bokuto, immer mit 110% dabei, immer gut gelaunt und hängt sich immer voll rein. Kenma sagt eigentlich nie etwas, manchmal bemerkt man kaum, dass er da ist, ihn interessiert Volleyball nicht so sehr aber Kuroo hat ihn genötigt damit anzufangen.
Mit Tränen in den Augen wischt er von Bild zu Bild.
Bei jedem Bild fühlt es sich an, als würde ihm jemand ein Messer in den Rücken rammen.
Nach einiger Zeit hält Akaashi den Schmerz nicht mehr aus, er schaltet sein Handy aus und packt es weg. Er geht an den Kühlschrank um sich etwas zu Essen zu nehmen, doch letztendlich schließt er ihn und guckt frustriert, wie das kleine Lämpchen erlicht.
Als am späten Abend seine Eltern nach Hause kommen, schläft Akaashi schon auf dem Sofa, doch als seine Mutter ihn zu decken will, wacht er auf.
Ein bisschen benommen guckt er sich um, bis er realisiert, dass er eingeschlafen ist, schmunzelt seine Mutter ihm schon zu.
„Na, müde?“
„Ja- ein bisschen" ein leises gähnen bestätigt Akaashis Worte noch einmal.
„Wie geht es Bokuto?! Habt ihr etwas gehört?“, richtet er seine Worte energisch und hoffnungsvoll an seine Eltern.
„Ja…nein" antwortet seine Mutter unsicher.
„Was ist?!“ Akaashis Stimme zittert, er merkt wie die Angst wieder hochkommt.
„Soweit ist alles gut,“ meldet sich jetzt sein Vater,  „er ist noch nicht wach, aber sein Zustand hat sich auch nicht verschlimmert.“
Ein bisschen enttäuscht guckt er seinen Vater an.
„Keiji, die Ärzte tun alles, was sie können, damit er schnellstmöglich wieder aufwacht, er ist in guten Händen, das verspreche ich dir.”
„Danke Dad. Ich geh jetzt schlafen.“, schaut er betrübt auf den Boden und rafft sich stockend auf.

Langsam geht er nach oben in sein Zimmer, die Stufen knacksen leise bei jedem Schritt.
Er kann es einfach nicht verhindern an Bokuto zu denken. Es erinnert ihn alles an ihn, selbst alles was ihn manchmal an ihm genervt hat, vermisst er jetzt. Er vermisst alles, was Bokuto auch getan hat. Jedes Wort, jedes Mal wo er im Emo Mode versank, jedes Mal wo er durch die ganze Halle ‚HEY, HEY, HEY!!!‘ gerufen hat, ja selbst sein nerviges grinsen, wenn er etwas besser wusste als er, vermisste er.
Er vermisste ihn so doll. Sie waren gerade mal ein paar Stunden getrennt und er war mit seinen Kräften am Ende. Als er das letzte Mal für ein paar Tage weg war, war das anders, da wusste Akaashi, dass alles wieder gut wird, er wusste das alles okay ist, er dachte, sein Körper bräuchte einfach mal kurz Ruhe.
Doch diesmal war es anders, dieses ungewisse Gefühl, ob und wann sein Freund wieder aufwacht und diese Ungewissheit ob es ihm gut geht, das alles machte die Zeit für ihn unerträglich.

Sunset (Bokuaka)Where stories live. Discover now