Kapitel 21

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<21. Harry P.O.V.>

Als wir am nächsten Tag in die große Halle gingen, war etwas anders. Es war nicht die Tatsache, dass Draco und ich jetzt Freunde waren, sondern etwas Negatives.

Erst als ich an meinem Platz saß, zum Tisch der Slytherins starrte und an Draco dachte, fiel mir auf, dass Ginny fehlte.

Nein, sie fehlte nicht, sie saß ganz am anderen Ende des Tisches. Ich runzelte die Stirn. Wieso das denn? War sie sauer?

Ich wollte aufstehen und zu ihr gehen, doch Hermine, die meinen Blick gesehen hatte, hielt mich am Ärmel zurück. Ich sah sie verwirrt an. „Nicht jetzt, Harry", sagte sie.

„Aber ich soll dir etwas von Ginny ausrichten. Sie will, dass du weißt, dass sie etwas Abstand braucht, aber du sollst dich nicht schuldig fühlen, du hast nichts falsch gemacht."

Ich ließ mich abrupt wieder auf meinen Platz fallen. Ich wusste, wieso sie etwas Abstand brauchte. Alles fügte sich in meinem Kopf zusammen, wie ein Puzzle, dessen Teile schon immer zusammengepasst hatten, aber ich war nur noch nicht auf die Idee gekommen sie zusammen zu setzten. Ginnys Worte halfen nicht, ich fühlte mich unglaublich mies und extrem schuldig.

Aber was konnte ich tun? Am besten ließ ich ihr die Zeit, die sie brauchte, und lebte mein Leben sonst einfach ganz normal weiter. Trotzdem tat sie mir leid. Sie war eine gute Freundin und sie war die kleine Schwester von ... Ron! Nervös wandte ich mich zu ihm, doch er aß ganz unbesorgt sein Brot. Hatte er nicht gehört, was Hermine gesagt hatte? Quatsch, natürlich hatte er es gehört, aber wollte er mir nicht den Kopf abreißen, weil im Grunde ich Ginny das Herz gebrochen hatte?

Wieso sollte er? Er war ja selbst für „Drarry". Ich biss mir auf die Unterlippe und schlürfte meinen Tee. Ich musste mich irgendwie von meinem schlechten Gewissen ablenken und was ging dafür besser als Essen und ... Zaubertränke? Ja, ich hatte heute wieder die Ehre, mich in den Kerker und in die eisigen Klauen des qualvollen Todes zu begeben. Ich seufzte. Letzteres war vielleicht nicht ganz das, was man sich als Gryffindor als Ablenkung erhoffte, aber ich konnte nicht verleugnen, dass es extrem wirksam war.

Während Hermine und Ron nach dem Unterricht sofort in den Gemeinschaftsraum gingen, um zu lernen, schlug ich einen anderen Weg ein. Ich hatte Draco versprochen ihn heute zu besuchen und das würde ich auch tun. Dass ich das zum Teil auch als Ausrede benutzte, um keine Hausaufgaben machen zu müssen, weil ich keine Lust hatte, verdrängte ich. Das brauchte ja niemand zu wissen.

Ich atmete tief durch, als ich vor der Tür zum Krankenflügel stand.

Hoffentlich war Snapes Gegenmittel wirklich das Richtige und Draco könnte morgen wieder ganz normal in den Unterricht.

„Jetzt geh schon rein", hörte ich Seamus' Stimme hinter mir und er gab mir einen Schubs in den Rücken. Ich stolperte nach vorn und öffnete dabei unabsichtlich die Tür. Okay, jetzt musste ich rein.

Vorsichtig steckte ich den Kopf durch den Spalt und sah Draco, der aufrecht in seinem Bett saß und mich anlächelte. Ich lächelte zurück und kam zu ihm.

„Wie geht es dir?", fragte ich. Er zuckte mit den Schultern.

„Also meine Gesundheit ist prima, aber ansonsten geht es mir echt ätzend. Ich kann nicht noch länger an die Decke starren", jammerte er. Ich lachte.

„Deshalb bin ich ja da. Du kannst Gesellschaft eindeutig vertragen!"

Ich setzte mich auf das Bett, das rechts von ihm stand, und beobachtete ihn genau. Er sah eindeutig gesund aus und wirkte weder so als hätte er einen ganzen Tag lang geweint noch als wäre er gefoltert worden. Ich überlegte.

Sollte ich ihm die Sache mit Ginny sagen? Nein, lieber nicht. Ich wollte nicht, dass er sich auch noch schuldig fühlte, auch wenn ich nicht ganz sicher war, was er von Ginny hielt. Es war ja schließlich noch lang nicht Fakt, dass er alle Gryffindors mochte, nur weil wir jetzt Freunde waren.

„Draco, ich wollte dich etwas fragen", sagte ich vorsichtig. Ich war mir nicht sicher, ob er bereit war mir das zu erzählen.

„Was ist los? Du kannst mich alles fragen."

„Du hattest doch einen Alptraum und ... ich wollte fragen, ob du mir erzählen kannst, worum es da ging."

„Ich bin irgendwie neugierig", fügte ich schnell hinzu, obwohl ich kurz danach daran zweifelte, ob das eine gute Idee gewesen war.

Dracos Gesicht wurde etwas nachdenklich. Ich konnte mir vorstellen, wie schlimm dieser Traum für ihn gewesen sein musste und ich verstand auch, wenn er das nicht noch einmal erleben wollte.

Etwas verwirrt sah er mich an. „Ich erinnere mich kaum noch daran. Ich weiß nur, dass es schlimm war. Da ist dieses komische Gefühl und wenn ich an den Traum denke, dann kommt es, aber nicht der Traum", sagte er. Ich runzelte die Stirn.

„Du erinnerst dich nicht?", fragte ich nach, als wäre ich mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Er nickte.

„Ja, aber wieso? Das war ja kein normaler Traum."

Ich zuckte die Schultern. „Ich glaube, ich will das gar nicht so genau wissen. Das Einzige was zählt ist, dass es dir gut geht."

Draco senkte den Kopf und ich sah, dass seine Wangen rot waren. Erst da realisierte ich, wie er meine Worte verstanden haben könnte.

Ich schaute scheu zur Seite, als er plötzlich nach Luft schnappte.

„Was ist los?", fragte ich, doch er antwortete nicht, sondern schob seinen linken Ärmel hoch und schaute auf seinen Unterarm. Erleichtert atmete er auf und sah mich dann an.

„Ich habe mich auf einmal an einen Teil von meinem Traum erinnert. Ich ... ich habe da das Dunkle Mal bekommen. Von ..." Seine Stimme wurde immer leiser, bis sie versagte.

„Es war aber nur im Traum, oder?"

Draco nickte. Ich sah, dass er etwas zitterte. Ich konnte mir vorstellen, dass es schrecklich gewesen sein musste, es, wenn auch nur im Traum, erleben zu müssen. Eine winzige Millisekunde lang zögerte ich, doch dann nahm ich ihn vorsichtig in den Arm.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt und außerdem hatte ich das Gefühl, dass Draco gerade eine Umarmung nötig hatte. Kurz versteifte er sich, doch dann entspannte er sich und legte seine Arme um meinen Rücken. Ich spürte, wie sich mein Herz beschleunigte.

Nach einer Weile schob mich Draco sanft wieder weg und ich setzte mich zurück auf das Bett neben ihm.

„Hast du schon eine Begleitung zum Weihnachtsball?", fragte ich Draco. Er schüttelte den Kopf.

„Ich glaube, ich gehe dieses Jahr gar nicht. Mit wem sollte ich denn tanzen?"

Fast rutschte es mir heraus, doch ich hielt mich zurück. Ich wollte ja auch nicht gehen. Also zuckte ich einfach mit den Schultern.

„Ich gehe auch nicht", sagte ich. Dracos Gesicht hellte sich etwas auf.

„Wollen wir dann vielleicht an dem Abend was machen?", fragte er. „So als zwei Freunde?" Ich überlegte. Darüber hatte ich eigentlich noch gar nicht nachgedacht, aber jetzt, wo er es so sagte, klang es eigentlich gar nicht so schlecht.

„Klar, wieso nicht? Was hast du für eine Idee?" Ich lächelte. 

Seine Stimme - DrarryWhere stories live. Discover now