(38) Züngelnde Flammen

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Ein Trugbild, denn ich erwartete bereits dessen Umschwung. Der herannahenden Sturm wirbelte mir leicht durchs Haar.
Da. Ich spürte es. Die ersten Vögel flohen aus den Ästen der Baumkronen.

Und dann. Ein Knall.
Damit hatte die Ruhe ihr grausames Ende gefunden. Kaum hatte ich einen Fuß vor den anderen gesetzt, erregte ein grau aufsteigender Dunst meine Aufmerksamkeit.
Feuer.
Mein Körper wurde starr vor Schock. Nein, ich staunte, denn es schockierte mich nur wenig.

Ich habe es erwartet, meine innere Stimme flüsterte, doch plötzlich war sie mir ganz fremd.

Dicke Rauchschwaden waberten aus dem Gebäudeinneren der Universität und ein schreckliches Bild blitzte vor meinem geistigen Auge auf. Es war das aus letzter Nacht.

Das Feuer aus meinem Traum.
Erinnerungsfetzen erreichten mich.

Eine Fensterscheibe zersprang.
Ich hatte Glas noch nie so laut zerschellen hören. Klirrend fiel es aus dem zweiten Stock.
Dort leuchtete der Brand. Flammen zogen sich durch die nächsthöhere Fensterebene.

Zu bekannt war mir der verbrannte Geruch.
Er verpestete bereits beide Nasenflügel. Asche. Der Rauch wandelte sich plötzlich in tiefes Schwarz und verschlang bereits den komplettem Anbau.

Doch der Boden unter meinen Füßen hielt mich. Er ließ mich nicht gehen. Zu gefesselt war ich von diesem Anblick.

Viel zu schnell, und die Frage, wie viel Zeit mir noch blieb, beantwortete sich von selbst.

Viel zu schnell breitete sich das Feuer aus.
Doch wie war das möglich?

»Unmöglich,« sprach ich es einfach aus.

Keine Sekunde hatte ich zu verlieren. Das Gebäude krönte sich bereits in zischende Flammen. Also rannte ich unentwegt los, den Kiesweg entlang. Meine Sohlen glühten, als würde ich bereits über Feuer sprinten. Winzige Steinchen schellten zur Seite, während mich eine Gedankenwalze überwältigte.

Schnell. Bin ich überhaupt schnell genug?
Spoon, der Professor. Ist er da drin?

Die Feuerwehr musste doch mit Sicherheit schon auf ihrem Weg sein.
Doch ich hörte keinerlei Sirenen.

Ein Umwand nach rechts und links. Nichts. Keine Menschenseele im Umkreis der Universität. Kopfschüttelnd hechtete ich weiter. Vollkommen unmöglich.
Warum bekam niemand von alledem etwas mit?

Mein Ziel rückte näher, ich folgte der Route geradeaus. Nur noch ein paar Meter vor mir entfernt lag die erste Torpforte. Der Qualm stieg nun durch mehrere Fenster großflächiger empor.
Weitere Bilder meines letzten Traums.

Befand sich außer dem Professor noch jemand im Gebäude?

Ich wusste es nicht. Doch eins wusste ich bestimmt, ich musste noch viel schneller sein.
Alles hing davon ab.

Schweratmend erreichte ich den unsichtbaren Eingang, denn ich rannte direkt in eine Wolke aus Rauch. Diese hatte sich schon durch den großen Torbogen gefressen.
Tiefe Schwärze umschlang mich.
Mein Hals wurde staubtrocken.
Ich fasste den Türknauf und merkwürdigerweise, öffnete sie sich die Tür ganz ohne Widerstand, als wäre sie nicht einmal abgeschlossen gewesen.

Wie konnte das sein?
Du hast keine Zeit zum Spekulieren, Nora.

Die dicke Bank aus dunklem Qualm raubte mir die Sicht, doch ich wusste ich stand in der Halle. Die Kehle brannte. Ich hustete.

Doch wo wollte ich überhaupt hin?

»Hallo?« rief ich durch die Asche, »ist hier jemand drin?« Keine Antwort.

»Hallo?!« kreischte ich erneut. Leiser.
Meine ausgepowerten Lungen drängten immer mehr nach Sauerstoff.

Mein Herz fing an zu Flimmern. Schwach und wild. Wild und schwach. Immer wieder. Ich konnte spüren, wie mich die Kraft verließ.

Plötzlich. Mein Rücken sackte gegen eine harte Fläche. Da war eine Wand. Meine Hände fanden dort ihren Anker. Verklebte Augenlieder. In diesem dunklen Dunst war ich blind. Scheiße.

Wieso hatte ich nicht sofort mein Handy gezückt um Hilfe zu holen?

Wieder hustete ich. In meinem Hals steckte ein Fegefeuer. Noch immer waren keinerlei Sirenen zu hören. Plötzlich ein lauter Schrei.

»Ist da... jemand?« wollte ich rufen, doch es war nur ein trockenes Röcheln.

Überall Schwärze. Orientierungslos glitt ich an der Wand entlang, dem einzigen Widerstand der mir blieb. Der Laut musste aus linker Richtung gekommen sein. Oder war es rechts gewesen?

Unbehaglichkeit glitt mein Rückgrat rauf und runter.

»Ich. Finde. Dich,« stammelte ich ins Nichts.
Ich werde dich retten.

In der nächsten Sekunde. Ein weiteres Kreischen. Ohrenbetäubend. Schmerzverzerrt.
Es hinterließ das gleiche Gefühl, wie das Kratzen von Kreide.

Der Schrei.
Noch immer hallte er durch das Gebäude.

Keine Kraft. Ich erstarrte.
Mein Körper ging zur Neige.

Wieder ein Laut. Dann Stille.

Mein Herz zersprang.

Jetzt. Plötzlich. Ein Ächzen, gefolgt von einem lauterem Ausruf. Dieser verwandelte sich in ein Grölen. Ein mächtiges Grölen.
Es kam näher. Wurde noch lauter.

Jetzt packte mich die Angst.
Nein, etwas packte mich.

Ein Knall und ein kräftiger Schlag. Schockstarre.
Die Schwärze um mich herum drehte sich.
Mein Schädel summte.
Es schmerzte durch den Hieb.

Ich verlor das Gleichgewicht und fiel ins Nichts.

Beautiful NightmaresWhere stories live. Discover now