Kapitel 6

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Nachdem ich mich noch eine gefühlte Stunde in Grund und Boden geschämt hatte, verließ ich schließlich mein Zimmer - diesmal bekleidet. Immerhin konnte ich mich ja nicht den ganzen Tag vor Jona verstecken.

Ihm wieder unter die Augen zu treten, war mir mehr als unangenehm, es ließ sich jedoch nicht vermeiden, weshalb ich unser erstes Aufeinandertreffen nach diesem Vorfall so schnell wie möglich hinter mich bringen wollte, kurz und schmerzlos.

In meinem Geiste malte ich mir bereits Szenarien aus, wie unsere Konversation wohl ausfiel. Vielleicht eine blöde Bemerkung seinerseits, ein peinliches Schweigen oder aber ich machte mir schlicht und ergreifend wieder einmal zu viele Gedanken darüber.

Mit dem, was mich allerdings stattdessen in der Küche erwartete, hatte ich nicht gerechnet.

Jona war nicht alleine.

Er war in Gesellschaft einer südländischen Schönheit und wenn ich Schönheit sagte, dann meinte ich das auch so. Die Frau hatte hüftlanges, dunkelbraunes Haar, das heller glänzte, als der Lack meines kirschroten Lexus' in der Sonne. Auch ihr Gesicht glich dem einer Puppe und von ihrem Körper wollte ich gar nicht erst anfangen. Sie saß auf einem der Barhocker an der Kücheninsel und lachte, während er ihr einen Kaffe einschenkte. Sie war lediglich bekleidet mit einem T-Shirt, das ihr einige Nummern zu groß war -  höchstwahrscheinlich Jonas. Moment mal, hieß das etwa, dass Jona heute Nacht gar nicht weg gewesen war, sondern hier? Mit dieser Frau? Während ich direkt gegenüber im Gästezimmer geschlafen hatte?

Mir wurde übel.

Auch wenn Jona jedes Recht dazu hatte und mich sein Liebesleben im Grunde nichts anging, so verstörte mich dieser Gedanke dennoch.

Erst heute Morgen hatte ich mir über eine solche Situation Gedanken gemacht. Niemals hätte ich jedoch geglaubt, dass es so schnell passieren würde.

Die Eifersucht übermannte mich wie eine gewaltige Welle und ich musste einen tiefen Atemzug nehmen, um mein höher schlagendes Herz zu beruhigen.

Kurz erwog ich, einfach wieder umzukehren und in mein Zimmer zurückzugehen. Diese Entscheidung wurde mir allerdings abgenommen, als Jona mich sah.

»Tony«, begrüßte er mich und richtete sich sogleich auf.

»Hi«, erwiderte ich, während mein Blick wieder zu der Frau schweifte. Ein unangenehmer Moment der Stille folgte.

»Oh ähm, Tony, das ist Valentina«, er deutete mit der Hand in ihre Richtung, bevor er sich ihr wieder zuwandte. »Valentina, esta es Tony. Ella es la hermana de mi compañero de cuarto«

Meine Spanischkenntnisse waren mehr als dürftig, aber reichten sie gerade noch aus, um zu verstehen, dass Jona mich seiner Bekanntschaft vorgestellt hatte. Allem Anschein nach war Valentina Spanierin.

»Hallo Tony, ich sein Valentina«, brachte sie mühsam über die Lippen und schenkte mir ein freundliches Lächeln, das eine Reihe gerader, weißer Zähne präsentierte. Mein Gott, ich hasste sie jetzt schon.

Anstatt einer Antwort schenkte ich ihr lediglich ein schwaches Lächeln, wobei ich mir ziemlich sicher war, dass es einem Lächeln nicht einmal ansatzweise nahe kam.

Lern erst mal richtig Englisch sprechen und lauf nicht herum, wie eine Nutte vom Straßentrich.

Diese Worte behielt ich selbstverständlich für mich.

»Möchtest du etwas mit uns frühstücken?«, Jona machte eine einladen Geste und wies auf die Kücheninsel, auf der ein regelrechtes Frühstücksbuffet errichtet war. Unterdessen fragte ich mich, ob ich mich wohl verhört hatte. Dachte Jona allen ernstes, dass ich nach unserem unglücklichen Aufeinandertreffen vorhin noch mit ihm und seiner Liebschaft den Frühstückstisch teilen wollte? War er denn von allen guten Geistern verlassen? Noch absurder konnte dieser Tag nicht werden.

Love me tomorrowWhere stories live. Discover now