Kapitel 5

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»Verdammt, wieso dauert das denn so lange?«, brüllte ich wütend, während ich bereits ein drittes Mal an die Badezimmertür klopfte.

Das Zusammenleben mit Aiden war so, wie man sich das Zusammenleben mit seinem Bruder eben vorstellte - nervig.

Ich war nun gerade mal eine Woche hier und wir hätten uns am liebsten schon die Köpfe eingeschlagen. Aus diesem Grund ließen wir keine Gelegenheit aus, um dem anderen eins auszuwischen. Gestern erst hatte ich Aiden Rasierschaum in seine Louis Vuitton Anzugschuhe gesprüht. Er war alles andere als begeistert gewesen, als er in seine Schuhe schlüpfen wollte und der weiße Schaum herausquoll. Daher wartete ich noch immer auf die Retourkutsche, die seinen Verhältnissen nach ziemlich lange auf sich warten ließ.

Ginge es nach Aiden, hätte er mich sicherlich schon längst vor die Tür gesetzt. Glücklicherweise gab es da noch Jona, der jedes Mal die Wogen glättete und den Vermittler zwischen uns spielte.

Aiden war penibel ordentlich und strukturiert, während ich das krasse Gegenteil repräsentierte - ich war unordentlich, chaotisch und brachte ihm alles durcheinander. Gerade gestern erst hatte er fast einen Tobsuchtanfall bekommen, als ich meine Sneaker vor dem Sofa abstreifte, anstatt sie ordnungsgemäß ins Schuhregal zu stellen.

Doch Aiden war nicht der Einzige, der genervt war, nein, ich war mindestens genauso genervt von ihm, wie er von mir. Sein Ordnungszwang brachte mich beinahe zur Weißglut. Und als wäre es nicht schon genug, dass er die letzte Packung Milch aufgebraucht hatte und ich somit mein Müsli an diesem Morgen ohne Milch hatte essen müssen, nein, ich musste auch noch jeden Morgen eine halbe Ewigkeit warten, bis ich ins Badezimmer durfte.

Zwar gab es noch ein zweites Bad unten im Eingangsbereich, doch es war nicht einmal halb so groß wie dieses hier und diente eher als Gästetoilette.

Nun ja, sich ein Badezimmer mit zwei testosterongeladenen Junggesellen zu teilen, war alles andere als amüsant. Insbesondere wenn es sich bei dem einen um den eigenen Bruder handelte und bei dem anderen um den Mann, in den ich unsterblich verliebt war. Leider blieb mir jedoch keine andere Wahl, wenngleich dies keine Lösung auf Dauer war.

Aus diesem Grund hatte ich auch beschlossen, mir einen Nebenjob zu suchen und womöglich einige meiner Gemälde im Internet zu verkaufen. Vielleicht bekam ich ja etwas Geld zusammen, um mir, wie Milo, eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung zu leisten oder meinetwegen auch ein WG-Zimmer. Zum jetzigen Zeitpunkt jedoch war diese Vorstellung noch recht utopisch.

Ich seufzte und war bereits im Begriff, mich an die Wand zu lehnen, um zu warten, als sich die Tür plötzlich öffnete und Aiden im Türrahmen erschien.

Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß.

Er trug einen grauen Anzug, hatte seinen Bart etwas getrimmt und sein rotblondes Haar gebändigt. Aiden sah gut aus, wenngleich ich es ihm nicht unbedingt auf die Nase binden wollte. Sein Ego war meines Erachtens ohnehin schon viel zu groß.

»Du siehst aus wie ein eingebildeter Schnösel«, kam es stattdessen über meine Lippen.

»Und du könntest mal damit anfangen, mehr Rücksicht auf deine Mitbewohner zu nehmen«, Aiden verzog missbilligend das Gesicht.

Ich grinste nur.

Wenn ich meinem Bruder weiter derart auf die Nerven ging, würde er höchstwahrscheinlich für das Geld einer Wohnung selbst aufkommen, Hauptsache er wäre mich los. Der Gedanke war durchaus verlockend.

Ich trat an ihm vorbei in das Badezimmer und legte meine Kleidung ab. Aiden brachte seine Manschettenknöpfe an und wandte sich dann zum Gehen.

Ich wollte die Tür hinter ihm zuschließen, als ich bemerkte, dass der Schlüssel fehlte.

Love me tomorrowOù les histoires vivent. Découvrez maintenant