Kapitel 58

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Heute war Sonntagmittag. Vor genau einer Woche und einem Tag waren wir alle gemeinsam auf dem Oktoberfest gewesen. An diesem Tag hatte ich mich das erste Mal richtig betrogen gefühlt, da das, was David gemacht hatte, nicht mal mein einziger Ex-Freund mit mir abgezogen hatte. Schluss war mit uns nur gewesen, da er soweit wegziehen musste. Aber das war jetzt auch egal.

Gerade hatte ich andere Probleme - mal abgesehen von denen mit David, den ich übrigens seit dem Vorfall nicht mal mehr richtig angesehen hatte.

Unser Englischlehrer hatte ja schonmal angekündigt, dass wir einen Ausflug nach England für zwei Wochen machen würden. Diese Woche wurde dann endgültig und sehr kurzfristig entschieden, dass es schon nächste Woche soweit wäre und wir erst kurz vor den Herbstferien wieder kommen würden. Man sollte meinen es freute mich, dass ich jetzt zwei Wochen eine Klassenfahrt nach England machen würde und danach zwei Wochen Herbstferien hatte.

Ich freute mich ja auch, aber ich hatte eigentlich niemanden. Meine Schulfreundin Amy würde nicht mitfahren und dann blieben eigentlich nur noch Leah, Hope und David. Zumindest wäre David bis vor einer Woche noch mein Favorit gewesen, jetzt konnte man ihn direkt streichen. Und ohne Amy hatte ich kaum Chance mich irgendwie bei Leah und Hope einzufügen. Außerdem gab es nur zweier Zimmer, die man eigentlich frei wählen durfte, aber mir war es egal gewesen, da ich in meiner Klasse sowieso keine Freunde (mehr) hatte.

Aber darüber müsste ich mir nachher noch Sorgen und Gedanken machen, jetzt war ich gerade damit beschäftigt alles in den Koffer zu packen, was ich benötigte.

Obwohl ich sehr sparsam war im Vergleich zu anderen, bekam ich den mittelgroßen Koffer danach kaum mehr zu und ich wusste jetzt schon, dass ich ein Problem hätte, wenn ich zu meinem Zimmer in England in der Jugendherberge Treppen gehen musste. Mit dem Koffer bräuchte ich für alle drei Stufen fünf Minuten oder länger.

Oh man, irgendwie hatte ich mehr Sorgen als Freude gegenüber der Klassenfahrt.

Der Sonntag verging viel zu schnell.

Nachdem ich wirklich alles eingepackt hatte, aß ich noch mit meinen Eltern und genoss die letzte Zeit mit ihnen für zwei Wochen. Ich war nicht der Typ, der sofort Heimweh bekam aber natürlich vermisste man liebenswürdige Personen, wenn man wegfuhr.

Ich duschte noch und vergewisserte mich, dass ich alles eingepackt hatte. 

Dann ging ich ungewöhnlich früh ins Bett, weil wir morgen schon sehr früh aufstehen mussten, damit wir von der Schule aus mit dem Bus zum Flughafen fahren konnten und dann direkt nach England fliegen konnten.

Ich wälzte mich noch ewig hin und her, da ich nicht einschlafen konnte. Ich war wirklich aufgeregt. Das schlimmste war aber, dass mir viel zu viel Zeit mit David bevorstand, den ich weiterhin so erfolgreich ignorieren wollte wie bisher. Aber früher oder später würden sich unsere Wege sicherlich noch kreuzen, wenn wir fast den ganzen Tag aufeinander hockten.

Irgendwann schaffte ich es doch noch einzuschlafen.

Doch das Träumen hielt mich trotzdem vom friedlichen Schlafen ab. Ich erinnerte mich am nächsten frühen Morgen zwar nicht mehr daran, aber es war eindeutig zu oft Davids Gesicht aufgetaucht. Und meins. Und das von Anabell.

Ich könnte mich schon wieder selbst umbringen dafür, dass ich sogar in dieser Frühe an die Bitch und das Arschloch dachte. So war meine inoffizielle Bezeichnung jetzt für die zwei. Dass Anabell eine Bitch war wusste ich schon davor und dass David eigentlich ein Arschloch war auch. Aber zwischendrin hatte ich meine negative Einstellung gegenüber David in eine positive gewandelt, was eindeutig ein Fehler gewesen war!

Aber es war ganz egal, wie sauer ich auf David war. Denn ich mochte ihn immer noch viel zu sehr. Mein Herz zumindest, mein Verstand wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Vielleicht übertrieb ich, aber ich wurde noch nie betrogen und das war bis jetzt am nähesten dran und hatte mich wirklich mehr verletzt, als man vielleicht dachte. Ich wusste jetzt auch warum. Der Vorfall und meine Reaktion hatten mir bewiesen, dass ich mich wirklich in David verliebt hatte. Und das mehr, als dass ich es so schnell wieder los werden konnte. Trotzdem würde ich stark bleiben und David die kalte Schulter zeigen.

Wegen all diesen Gedanken, während ich mich langsam nebenbei fertig machte, kam ich fast zu spät in der Schule an.

Meine Eltern hatten sich schon gestern von mir verabschiedet, da sie heute frei hatten und ausschlafen wollten. Deswegen musste ich alleine zu Fuß zur Schule eilen. Hinter mir zog ich den Koffer durch dir noch unheimlich leeren Straßen. Es war zwar nicht mehr dunkel draußen, aber so hell wie tagsüber auch nicht.

Ich kam tatsächlich als eine der letzten an. Der Koffer war aber auch schwer und ich war noch richtig müde, weil ich kaum geschlafen hatte. Die Gründe sollten bekannt sein.

Der eine war das zu frühe aufstehen.

Und den anderen Grund entdeckte ich noch auf dem Parkplatz vor dem Bus stehen. Er umarmte gerade May, dir wohl extra für ihn gekommen sein musste. Davids Eltern waren jedoch auch nicht gekommen.

Ich reichte meinen Koffer dem Busfahrer, damit er ihn zu den anderen verstauen konnte. Meine Tasche mit allem nötigen Handgepäck behielt ich.

Auch wenn ich David aus dem Weg gehen wollte, ging ich auf ihn zu. Aber nur, da er immer noch direkt bei meiner besten Freundin stand.

Von Claire hatte ich mich gestern schon verabschiedet und von May eigentlich auch, ich wusste ja nicht, dass sie kommen würde.

"Ah hey, guten Morgen, Rose, da bist du ja endlich!" entdeckte mich May enthusiastisch und zog mich in eine Umarmung. Ich erwiderte sie, drückte sie dann jedoch von mir weg.

"Guten Morgen dir auch." grummelte ich in ihre Richtung.

"Freust du dich schon? Ich glaub ihr müsst jetzt gehen, die anderen sind schon fast alle drin!" Sie wirkte fast aufgeregter wie ich.

"Bis dann, Schwesterchen. Stell nichts an!" verabschiedete sich David endgültig von ihr.

"Tschüss, ich schreib dir, sobald ich Zeit finde." sagte ich noch lächelnd zu May und ignorierte David dabei vollkommend.

Doch er ergriff ganz dreist meine Hand und zog mich hinter sich her in Richtung Bus. Zumindest wollte er das. Aber vorher entzog ich ihm meine Hand ruckartig und stolzierte dann mit erhobenen Kopf an ihm vor bei.

Ich drängte mich an den anderen vorbei und setzte mich auf einen freien Platz. Damit niemand auf die Idee kam sich neben mich zu setzen, stellte ich meine Tasche auf den Nebenplatz.

David ging an mir vorbei und aus den Augenwinkeln konnte ich genau merken, wie verwirrt er mich ansah. Das ging schon die ganze letzte Woche so, aber mehr war von ihm nicht gekommen und von mir sowieso nicht. Und das war auch gut so!

Ich hoffte, dass sich in den kommenden zwei Wochen nichts daran ändern würde. Diese zwei Wochen begannen genau jetzt, als sich der Bus stockend in Bewegung setzten und May, die mir vom Parkplatz immer noch zu winkte immer kleiner wurde, während wir uns dem wenigen Morgenverkehr unterordneten.

My Best Friends BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt