Kapitel 21

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Ich lief mit ein paar Meter Abstand hinter David her zu den Umkleiden.

Mit gesenktem Blick und ohne David irgendeine Art von Beachtung zu schenken, betrat ich die Mädchenumkleide. Es war komisch, dass sie so leer war. Das erinnerte mich daran, dass all die anderen Mädchen aus meiner Klasse gerade ziemlich sicher tun konnten, was sie wollten und dabei ihren Spaß hatten. Nur mich und David hatte dieser Perversling dazu verdonnert, eine Extra-Stunde zu vollbringen.

Ich zog mich während diesen deprimierenden Gedanken um und nahm mir noch meine Trinkflasche, als ich fertig war. Irgendwie traute ich mich jetzt nicht so recht in die Sporthalle zu gehen.

Was wenn David sich noch umzog?

Denn auch wenn ich mich gerade ziemlich blamiert vor ihm hatte und er diese doofen Sprüche zu meiner Unschuld abgegeben hatte, war ich innerlich total erleichtert, dass er mit mir hier war. Ich wollte Mr. Brown heute nicht alleine begegnen.

Ich seufzte leise  und entschied mich dazu, einfach rüber in die Jungsumkleide zu gehen und zu schauen, ob er noch da war oder schon in der Sporthalle.

Also verließ ich die Umkleide und ging raus auf den Schulflur. Ein paar Schritte gerade aus und ich kam an der Tür der Jungsumkleide an.

Da sowieso niemand außer David da sein sollte, öffnete ich einfach die Tür und sah, wie sich David gerade sein Shirt überstreifte. Ich hatte nicht mal seinen Bauch gesehen, der nebenbei bemerkt sicherlich ziemlich definiert aussah. Also gab es auch keinen Grund für mich rot zu werden.

"Ach, wollte da jemand etwa einen heißen Typen beim umziehen zu sehen?" fragte er mich grinsend, nachdem er sich zu mir umgedreht hatte. Offenbar hatte er mich schon bemerkt, als ich die Tür aufgemacht hatte.

David schnappte sich seine Flasche und sah mich an. "Tut mir leid, hätte ich das gewusst, hätte ich mir mehr Zeit gelassen. Aber du kannst nochmal schnell rausgehen, ich zieh mich aus und dann kommst du wieder rein und wir wiederholen das Ganze." zog er mich auf und zwinkerte mir zu.

Ich verzog angeekelt das Gesicht und ging auf ihn zu.

"Halt deine Klappe und komm!" befahl ich ihm und sah ihn böse an, worauf er nur schmunzelte. "Ich mag’s ja wenn du wütend bist, ist sexy, aber das hier macht mir beim besten Willen keine Angst." meinte er und zuckte mit den Schultern. War ja klar, dass er mir keinen Sieg gönnte und er der mit dem letzten Wort sein musste.

Gnädig wie ich war, überließ ich ihm den Triumph und zog ihn stattdessen in Richtung Sporthalle.

Ich öffnete die Tür, die zur Halle führte und nicht zum Schulflur. Da ich nicht als erste reingehen wollte, schubste ich ihn unsanft durch die Tür. David machte das aber nichts aus, da er fast so fest wie ein Felsen dastand.

Ich betrat nach ihm die große Halle und sah mich um. Mr. Brown saß schon auf der Bank und trug irgendwas in ein kleines Notizbuch ein.

Ich hielt mich dicht hinter David, als wir auf den Lehrer zugingen. David merkte das wohl, denn er drehte sich kurz zu mir um und lächelte mir aufmunternd zu.

Auch wenn derartige Augenblicke selten waren, musste ich zugeben, dass David durchaus nett und besorgt sein konnte.

Ich lächelte gequält zurück und sah dann weg, damit er nicht merkte, dass ich tatsächlich etwas Angst hatte.

"Wir sind da." meinte David feststellend, als wir neben Mr. Brown zum Stehen kamen. Ich stellte mich extra so halb hinter David, um nicht direkt dem Blick von Brownie ausgeliefert zu sein.

"Habt euch aber ganz schön Zeit gelassen." erwiderte der gutaussehende Mann vor mir, der eindeutig nicht David war.

David sagte darauf nichts mehr, sondern lehnte sich gegen die Wand und sah abwartend zu dem Lehrer.

Ich blieb einfach nur steif stehen und schwieg.

"Also gut. Ich würde sagen wir wärmen uns zuerst mit Laufen auf." sagte Mr. Brown und ich war froh, dass er mich weitest gehend ignorierte.

"Also lauft erstmal zwei Runden ganz normal, dann eine Runde Kniehebelauf und zum Schluss nochmal zwei normale Runden."

Ich nickte leicht und David zuckte wie vorher mit den Schultern. Für ihn war das wohl ein Klacks, aber mich würde das überanstrengen. Gestern musste ich in Sport gerade mal zwei Runden laufen und war schon total fertig. Die Sporthalle war nicht gerade klein, fand ich jedenfalls.

Ich lief gleichzeitig mit David los, während sich unser Lehrer und mein ganz persönlicher Quäler auf die Bank setzte und ernsthaft mit seinem Handy spielte! So ein Blödmann.

David hatte mich bald überholt und mittlerweile schon wieder eingeholt. Er begann gerade seine Runde mit dem Kniehebelauf und ich meine zweite normale Runde.

Die zweite Runde meisterte ich mit Bravour, es war zwar kein schnelles Tempo, dafür aber konstant.

Gegen Mitte der Runde mit dem Kniehebelauf merkte ich, dass ich Seitenstechen hatte und mein Atem auch nur noch stoßweise kam.

David holte mich ein weiteres Mal wieder ein, sodass er gerade schon seine letzte lief, während ich noch mehr wie zwei vor mir hatte.

Aber diesmal lief er nicht wieder weiter und überholte mich, sondern joggte neben mir her, als wäre es das einfachste der Welt. Ich versuchte ihn zu ignorieren und lief weiter.

Allerdings nicht lange, denn nach ein paar weiteren Schritten blieb ich stehen und atmete heftig ein und aus.

Mr. Brown war so beschäftigt mit seinem Handy, dass er das nicht mit bekam. Dafür schob sich jetzt ein besorgt aussehender David in mein Blickfeld.

"Brauchst du schon eine Pause?" Ich war überrascht, dass er dies nicht abfällig sagte, sondern dass er sich ernsthaft zu sorgen schien.

Aber ich wollte nicht schwach wirken. Deswegen schüttelte ich auch meinen Kopf. "Nein nein, das Stückchen schaffe ich schon noch." meinte ich hartnäckig und stieß danach wieder warme Luft aus. Ich legte meine Hand an meine Seite und verengte meine Augen etwas, da ich dieses Gefühl hasste.

"Hast du Seitenstechen?" fragte mich David, wobei der besorgte Ausdruck aus seinem Gesicht wich und er jetzt stattdessen ein Schmunzeln auf den Lippen trug.

"Wonach sieht’s denn aus?" gab ich schnippisch zurück.

"Atme einfach tief ein und aus und lauf in einem etwas langsameren Tempo weiter." Er ignorierte meine fiese Tonlage einfach und gab mir Tipps.

Bevor ich irgendwas tun konnte, schnappte er sich meine Hand und lief langsam los. David hatte keinen festen Griff, dennoch hatte ich keine Chance aus seinem Griff zu entkommen. Er hielt meine Hand eigentlich ganz locker und zugegeben war es irgendwie beruhigend. Zumindest wenn das hier mein Freund oder Schwarm wäre. Aber es war eben David, der hier Händchen haltend mit mir den Rest der Runde lief. Und das im Schneckentempo, was ich allerdings als angenehm empfand.

Da ich sowieso keine Chance gegen seine Hand hatte, ließ ich sie einfach schlaff fallen. Das schien David aber weder zu beeindrucken noch zu stören.

Mein Atem ging wieder normal und das Seitenstechen war auch so gut wie weg, weil ich während dem Laufen die ganze Zeit tief ein und aus geatmet hatte.

Obwohl David eigentlich schon fertig war, lief er auch noch die letzten zwei Runden so still schweigend neben mir her.

Das Ganze ging dann doch schneller rum, als erwartet. David bewirkte ja wahre Wunder, denn ich hatte mich die ganze Zeit so darauf konzentriert, Davids Hand so wenig wie möglich zu berühren - was eine Sache der Unmöglichkeit war - und stets versucht den Abstand zwischen unseren warmen Körpern nicht zu verringern, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie sich meine Beine von selbst hinter David her geschliffen hatten.

My Best Friends BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt