Einmal Fraktionslos, Immer Fr...

By billie88-

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Marla Parker ist 20 Jahre alt und sie führt ein Leben auf der Straße. Nie gehörte sie einer Fraktion an, denn... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 91
Kapitel 92 - Epilog

Kapitel 26

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By billie88-

Als ich mitten in der Nacht aufwache, weiß ich erst nicht wo ich bin. Alles um mich herum ist fremd. Ich versuche, mich ein Stück zu bewegen, doch es geht nicht. Ich sehe an mir herunter und sehe zwei Männerarme, die um meinen Oberkörper geschlungen sind. Ich starre sie einige Sekunden an. Dann bemerke ich den gleichmäßigen Atem in meinem Nacken. Es fällt es mir wieder ein.

Eric. Wie er mich küsste. Wie er mich berührte. Alles fällt mir ein. Ich sehe noch einmal an mir herunter und sehe, dass ich meine Sachen noch anhabe. Erleichtert atme ich auf.

Ich liege mit ihm auf seiner Couch und es ist absolut kein Wunder, das ich nicht mehr schlafen konnte. Würde Eric mich nicht festhalten, wäre ich schon gefallen. Ich versuche die Augen wieder zu schließen und einfach weiterzuschlafen. Doch ich kann es nicht. Vor allem, weil sich nun auch noch meine Blase meldet.

Ich versuche, es zu ignorieren. Aber meine Schlaflage und nicht zu wissen, wie spät es war und wie lange ich noch so ausharren musste, machten es mir unmöglich. 

Ich sehe wieder an mir herunter und denke nach, wie ich mich aus meiner misslichen Lage befreien kann, ohne Eric zu wecken. Ich bewege mich ein bisschen und höre dann gleich ein lautes Schnarchen. Ich erstarre in der Bewegung. 

Irgendwie muss ich es hier noch rausschaffen. Vorsichtig umfasse ich Erics rechten Arm um ziehe ihn von meinem Körper. Er ist schwerer, als ich erwartet habe. Ich lege ihn vorsichtig hinter mich, auf seine Hüfte. Dann widme ich mich seinem linken Arm. Auch den nehme ich vorsichtig weg. 

Dann stehe ich schnell auf, bevor er wieder den Klammertrick anwendet.

Ohne mich nochmal umzusehen, laufe ich in sein Bad, mache das Licht an, gehe hinein und komme sofort wieder raus. 

Ich muss aufpassen, dass ich meinen Mageninhalt behalte.

Ich hatte Tessas Top völlig vergessen. Es lag immer noch auf dem Boden und der Geruch des Erbrochenen darauf hatte sich in dem ganzen Raum zentriert. 

Meine Hand vor den Mund haltend überlege ich, was ich tun kann. Ich muss das Ding da rausholen. Ich glaube nicht, dass Eric das sonderlich gut findet.

Also schleiche ich in seine Küche und beginne so leise wie möglich eine Tüte zu suchen. Ich öffne jede Schublade und jede kleine Schranktür, die ich finden kann. Dann habe ich endlich eine.

Ich laufe zurück ins Bad, nicht ohne mir vorher die Nase zuzuhalten. Dann nehme ich das Top mit zwei Fingern und verstaue es schließlich in der Tüte. Die Tüte halte ich so weit weg möglich von mir, wie es geht und verschliesse sie. 

Das wäre geschafft. 

Ich halte meine Nase weiter zu und gehe schnell auf Toilette. Dann gehe ich wieder hinaus und lasse die Badtür weit aufstehen, in der Hoffnung der Gestank verzieht sich etwas.

Schließlich lege ich mich wieder vorsichtig zu Eric. Ich nehme seinen rechten Arm und lege ihn über meine rechte Seite. Seinen linken Arm, der unter mir liegt, schlinge ich um meinen Bauch. Dann kuschle ich mich an ihn. Es funktioniert tatsächlich und er zieht mich wieder näher an sich heran. 

Seelig lächelnd schlafe ich wieder ein.

---

Als ich am nächsten Morgen aufwache, höre ich Wasser rauschen. Eric liegt nicht mehr hinter mir. Ich setzte mich auf und orientiere mich erst einmal kurz. Dann suche ich nach einer Uhr.

Das Wasser hört auf zu rauschen. Etwa zwei Minuten später kommt Eric aus dem Bad. Er trägt eine Nebelwolke hinter sich her, als er die Tür öffnet.

"Schlaf ruhig noch weiter.", sagt er mir. Ich erwische mich dabei, wie ich ihn anstarre. Er hat nur ein Handtuch um die Hüfte.

"Wie spät ist es?", will ich wissen. Er sagt mir, dass es halb fünf ist. Dann geht er zu einem Schrank neben seinem Bett und sucht sich ein paar Klamotten raus. Dann zieht er einfach sein Handtuch weg und zieht sich eine Boxershorts an.

Ich schaue schnell weg, als er sich wieder zu mir dreht. Er soll ja nicht denken, dass ich spanne.

"Stehst du immer so früh auf?", will ich wissen. Eric nickt. Er geht in die Küche und beginnt sich einen Kaffee zu machen. Ich bleibe liegen und beobachte ihn dabei. Dann kommt er zurück und setzt sich an das Ende der Couch, an dem meine Beine liegen. Ich winkle meine Beine an, damit er mehr Platz hat.

"Hast du gut geschlafen?", fragt er mich nun und ich nicke. Ich wundere mich darüber, wie wohl ich mich fühle. Normalerweise kenne ich mich eher so, dass ich nach solchen Erlebnissen die Flucht ergreife. 

"Und du?", will ich wissen. Er lächelt ein echtes Lächeln.

"Wie ein Stein.", gibt er zurück und nippt an seinem Kaffee. Er stellt die Tasse wieder ab und beugt sich schließlich zu mir und küsst mich wieder. Wieder durchfährt es mich, wie ein Blitz. Ich vergrabe meine Hände in seinen noch nassen Haaren.

Dann lässt er von mir ab und lehnt sich wieder zurück. Wenn ich ehrlich bin, könnte ich mich daran gewöhnen. Doch er steht wieder auf und zieht sich eine Hose und ein Shirt an. 

"Was machst du jetzt?", will ich von ihm wissen. Es ist schließlich noch sehr früh. Die ersten Initianten werden sich erst gegen um sechs einfinden. Das waren noch fast eineinhalb Stunden.

"Ich trink meinen Kaffee und esse etwas, dann gebe ich ein paar Daten in die Simulationssoftware ein. Wenn ich damit fertig bin, ist auch schon der Erste von euch an der Reihe.", erklärt er mir. Wir reden noch ein bisschen über die Simulationen und die Angstlandschaften. Dann höre ich auf einmal die Sirene, die uns Initianten immer weckt. 

Eric scheint sich zu erschrecken. Normalerweise war er um die Uhrzeit schon längst an der Arbeit. Er läuft in die Küche, stopft sich schnell ein Toastbrot in den Mund und zieht seine Jacke an. Ich stehe in der Zwischenzeit auf. Er sagt, dass ich den restlichen Kaffee aus der Kanne haben kann und ich hole ihn mir schließlich.

Eric hat seine sieben Sachen zusammen. Hektisch läuft er hinaus und sagt mir, ich solle ja die Tür hinter mir zu machen, wenn ich ginge.

Ich bin ehrlich gesagt etwas überrascht, dass er dieses liebevolle Level halten kann. Bisher. Wer weiß, wie er mit mir umgeht, wenn wir unter Leuten sind. Ich trinke den Kaffee aus und mache mich schließlich auf den Weg in den Schlafraum der Initianten. Schließlich will ich mich umziehen und mir die Zähne putzen.

---

Ich komme im Schlafraum an und finde Feretti noch halb schlafend in seinem Bett vor. Ich ziehe ihm die Decke weg und schüttle ihn so lange, bis er aufsteht. Maddie finde ich im Bad. 

"Sieh mal an, wer da ist.", sagt sie. Kurz denke ich, sie ist sauer. Doch dann sehe ich das dicke Grinsen in ihrem Gesicht. 

"Wo ist Tessa?", frage ich Maddie, nachdem ich sie nicht sehen kann.

"Sie ist komischerweise gestern auch auf einmal verschwunden gewesen.", sagt Maddie. "Ihr habt mich einfach ganz allein gelassen...mit Carter. Wie konntet ihr?"

Sie versucht vorwurfsvoll zu klingen, aber schafft es absolut nicht. Ich sage nichts mehr dazu, sondern putze mir die Zähne und ziehe mir schließlich etwas anderes an. Ich sehe Erics Shirt an und beschließe einfach, es zu behalten. Ich verstaue es unter meinem Kissen und warte auf Maddie. Feretti scheint auf dem Klo eingepennt zu sein, denn sie tritt ihn geradezu aus der Tür, während sie ihn vollmeckert.

Carter ist nicht viel wacher, als Feretti. Seit fünf Minuten beobachte ich ihn dabei, wie er sich ein und dieselbe Stelle immer wieder kämmt.

Nur Morrison ist hellwach. Aber ihn hatte ich auf Toris Party auch nicht gesehen. Endlich sind wir alle fertig und wir können uns auf den Weg machen. Tessa kommt zeitgleich wie wir an. 

Offenbar hatte sie keine Haarbürste gefunden, wo auch immer sie gewesen war. Notdürftig streicht sie ihre Haare immer wieder glatt und murmelt vor sich hin, dass sie nie wieder Alkohol trinkt. Wie ich bisher vermutet habe, hatte sie die Nacht bei Lee verbracht. 

Auf ihre Frage, ob ich bei Eric war, nicke ich nur. Sie will mich gleich ausfragen, aber ich kann sie abwürgen, bevor Gerard, Shane und Lola etwas mitbekommen können.

Four öffnet die Tür und ruft Tessa zu sich. Langsamer als sonst, macht sie sich auf den Weg. Einige Minuten später geht die linke Tür auf und Eric kommt heraus.

"Feretti.", sagt er nur und winkt ihn an sich vorbei. Ich bin sicher, dass er mich einmal kurz ansieht, aber dann verschwindet er wieder. Etwas anderes hatte ich eigentlich nicht erwartet. Aber es enttäuscht mich dennoch ein wenig.

Tessa braucht diesmal 12 Minuten. Da liegt immer noch im guten Bereich. Auch Feretti ist schnell wieder draußen. Es läuft wie immer ab. Maddie ist dran. Als sie nach zwanzig Minuten wieder rauskommt, klatschen ihr alle zu. Das war eine unheimliche Verbesserung für sie. Ich stehe auf und umarme sie freudig.

Eric bleibt an der Tür stehen und macht ein genervtes Gesicht.

"Heute noch.", sagt er ernst. Er meint mich. Ich löse mich von Maddie und gehe an ihm vorbei in den Simulationsraum.

Ich setze mich auf den Stuhl und warte auf ihn. Er schließt die Tür. Dann schreibt er einige Sachen in den Computer. Es herrscht Stille. Dann bereitet er die Spritze vor. 

"Heute und morgen nur noch, dann hast du das überstanden.", sagt er mir. Ich sehe wieder die Andeutung eines Lächelns. Dann kommt er näher und verabreicht mir die Injektion.

---

Als ich aufwache, zittere ich wieder. Mein Herz schlägt enorm schnell. Ich kann mich nicht einmal gleich erinnern, was passiert war.

Eric kniet vor mir und sieht mich besorgt an.

Ich erinnere mich, von einem hohen Gebäude gefallen zu sein. Ich spüre noch den Wind in meinen Haaren. Und ich höre meinen eigenen Schrei in meinem Ohr. 

Langsam beruhige ich mich.

"Musstest du abbrechen?", will von ihm wissen. Er schüttelt den Kopf.

"Nein, es war alles im Rahmen. Die Simulation hat von alleine beendet, weil dein Puls sich normalisiert hat.", erklärt er mir.

"So fühlt es sich gerade nicht an.", gebe ich zurück.

" Hab ich bemerkt. Du hast länger gebraucht, um wieder klar zu sein.", sagt er mir. Er bewegt sich nicht von der Stelle.

"Es war Maddie.", sage ich ihm. Obwohl ich weiß, dass er es gesehen hatte. " Sie hat mich gestoßen."

Er nickt stumm. Ich weiß, dass das nichts zu sagen hat, doch ich kann dieses Gefühl verraten worden zu sein, nicht abschütteln.

"Vielleicht will dir dein Unterbewusstsein etwas sagen.", vermutet er. Er nimmt meine Hände in seine.

"Und was genau?", frage ich ihn.

"Deine Freundin hat sich heute verbessert. Aber sie ist immer noch die Schlechteste. Vielleicht solltest du ihr nicht so blind vertrauen. Menschen tun schlimme Dinge, wenn sie verzweifelt sind.", erklärt er mir. Geschockt sehe ich ihn an. Wie konnte er so etwas denken? Er kannte Maddie gar nicht. Ich ziehe meine Hände weg.

Er steht auf und setzt sich.

"Du hast neun Minuten gebraucht. Carter hat die schnellste Zeit, mit sieben Minuten. Dann kommt Feretti. Du und Tessa seid etwa gleich auf. Zeittechnisch.", sagt er mir. Ich weiß, worauf er hinaus will. "Deine Abbrüche sind der einzige Grund, wieso du so weit hinten bist. "

"In der Angstlandschaft wird ein Abbruch nicht nötig sein. Da weiß ich ja, dads es nicht echt ist.", gebe ich zurück.

"Du weißt nicht, wie real das werden kann. Deswegen will ich am Wochenende mit dir üben.", sagt er nun ernst.

"Üben?", widerhole ich. Er nickt und erklärt mir, dass er sogar am liebsten schon heute anfangen will.

"Aber?", hake ich nach.

"Morgen kommt ein Komitee der Ken und überprüft die Technik und alles. Das machen sie gewöhnlich einmal im Jahr, bevor die Initianten hinein gehen.", erklärt er mir.  "Und heute dachte ich, lasse ich dich nochmal ausruhen."

"Wie überaus freundlich von dir.", gebe ich zurück.

"Ich will, dass du die Initiation schaffst. Ich kann keinen anderen Idioten hier gebrauchen, den ich nicht einmal leiden kann.", gibt er zurück. Ich bin sofort still. Er sagt zwischendurch so nette Sachen, die ihm wahrscheinlich nicht mal bewusst sind.

Ich stehe schneller auf, als ich es wollte, gehe zu ihm und küsse ihn. Er ist selber überrumpelt, das merke ich. Ich setze mich auf seinen Schoss und umfasse sein Gesicht. Nach ein paar Sekunden löst er den Kuss.

"Ich hab hier leider einen Zeitplan einzuhalten.", sagt er und ich verstehe die Andeutung. Ich erhebe mich wieder und gehe zur Tür.

---

Kaum das ich mit Tessa und Maddie alleine bin, erzähle ich von Erics Plänen, mich am Wochenende in die Angstlandschaft zu bringen.

Die Beiden wollen natürlich ganz andere Informationen haben.

"Darüber rede ich nicht.", gebe ich zurück.

" Sie haben‘s getan. ", sagt Maddie nun nickend zu Tessa. Ich starre sie schockiert an.

"Jap, eindeutig.", stimmt Tessa ein. Sie grinst mich breit an. Mir wird langsam heiß.

"Was? Wir haben gar nichts...getan.", verteidige ich mich. Ich spüre, wie ich knallrot werde.

"Rot wie eine Tomate...Ich fass es nicht. Und dann lügt sie auch noch.", sagt Tessa kopfschüttelnd. 

"Ich lüge überhaupt nicht.", gebe ich nun lauter zurück. "Sag doch mal lieber, wo du letzte Nacht warst, hm? Bei Lee?"

Ich hasse mich selbst dafür, dass ich bei diesem Mist auch noch mitmache. Aber irgendwie musste ich sie davon abbringen, mir unangenehme Fragen zu stellen.

"Ja, bei Lee. Und bevor ihr fragt. Ja, wir haben‘s getan.", sagt sie, ohne auch nur rot zu werden. Maddie starrt sie jetzt mit offenem Mund an.

"Ihr Beiden seid unglaublich.", meint Maddie nun kopfschüttelnd. 

"Es ist rein gar nichts gewesen.", verteidige ich mich. Mein Gesicht glüht mittlerweile. Tessa sieht mich an. Ich sehe, dass sie sich zusammen reißen muss, nicht loszulachen.

"Rein gar nichts?", fängt Tessa sich wieder. Ich bin heilfroh, als ich Carter und Feretti den Raum betreten sehe. Sofort winke ich sie zu uns hinüber.

---

Die nächsten zwei Tage vergehen viel zu schnell. Nach der letzten Simulation, sagt mir Eric, dass ich draußen auf ihn warten soll. Ich habe gehofft, dass er mir noch eine kleine Verschnaufpause lässt. Aber dem scheint nicht so zu sein. 

Lola und Shane sind noch an der Reihe, bevor Eric endlich herauskommt. Zusammen machen wir uns auf den Weg zu einem Raum, der ein Stockwerk höher ist. Es ist weniger ein Raum, als eine große Halle. Eric entfernt sich kurz von mir und kommt dann mit einer Spritze wieder.

"Wozu ist die denn?", will ich wissen.

"Es verbindet dich mit dem Programm.", erklärt er mir. Ich beobachte wieder sein Gesicht. Konzentriert befestigt er die Nadel an der Spritze.

"Programm?", wiederhole ich.

"Das Programm verbindet dich mit deiner Angstlandschaft. Dabei greift es auf die Daten zurück, die ich während der letzten zwei Wochen gesammelt habe.", sagt er ruhig.

"Wo wirst du sein? ", frage ich ihn. 

"Im Kontrollraum der Angstlandschaft. Der ist gleich eine Tür weiter. Ich schließe mich auch wieder an den Computer, damit ich alles sehen kann. ", erklärt er mir. Er bringt mir ein aufmunterndes Lächeln entgegen. Dann streicht er meine Haare zur Seite und verabreicht mir das Serum. 

"Versuch ruhig zu bleiben und denke daran, es ist nur eine Simulation. Das ist nicht echt.", gibt er mir noch einen letzten Rat, dann verlässt er die große Halle.

---

Ich stehe dort und warte darauf, dass es losgeht. Wahrscheinlich muss er erst das Programm starten, kommt es mir in den Sinn.

Dann scheint sich etwas zu ändern. Nur langsam, aber deutlich. Die hellen Betonwände des Raumes scheinen zu schrumpfen und dunkel zu werden. Erst bleibe ich auf der Stelle stehen, doch dann gehe ich ein paar Schritte zurück.

Was ist denn das jetzt? Bewegende Wände. So etwas hatte ich vorher noch nie erlebt. Ich sehe kurz auf den Boden und mein Blick bleibt daran hängen. Ich erkenne Gleise. 

Jetzt weiß ich, was passiert. Ich bleibe ruhig stehen und beobachte die Wände dabei, wie sie immer näher kommen. Dann, als nur noch ein schmaler Gang übrig ist, hört es auf. Die Wände scheinen sich abzurunden. Dann höre ich ein metallisches Klicken.

"Parker?", ich drehe mich erschrocken um. Tessa sieht mich an. Tessa. "Hast du irgendwas gesehen?"

Ich schüttle den Kopf. Sie war nicht echt. Das wusste ich. Hinter ihr stehen Carter, Maddie und Eric. Alle sehen sie mich verständnislos an. Dann laufen sie los und ich ihnen nach.

Ich weiß, was gleich kommt. Sie kommen. Tom, Gary und die anderen Fraktionlosen. Ich halte mein Gewehr nach oben und bilde bewusst die Nachhut.

"Ich empfange etwas. Es sind Lebenszeichen.", höre ich den falschen Eric sagen. Ich höre ihm gar nicht richtig zu. Ich weiß, was nun kommt. Ich höre Füße auf Erde scharren. Es wird immer lauter und sie kommen näher.

„Was ist da?", will Maddie wissen.

"Geh hinter mich und bleib da!", sage ich ihr harsch. Sie zieht skeptisch eine Augenbraue hoch, macht aber was ich ihr sage.

Dann sehe ich Tom. Ich sehe seine zerzausten Haare, sein dreckiges Shirt und den Riss seiner Hose im linken Knie. Er ist es. 

Ich hebe mein Gewehr, ziele auf seinen Kopf und drücke ab.

Dann sehe ich Gary, sein Gesicht ist wutverzerrt. Ich ziele auf ihn und drücke wieder ab. Ich bin völlig ruhig - gerade weil ich weiß, dass es nicht echt ist. Es ist nur ein Spiel. 

Ich ziele auf den nächsten Fraktionslosen und drücke ab. Das mache ich noch dreimal, dann sind sie auf einmal weg. Ich drehe mich zu Tessa und den Anderen und sehe, dass auch sie nicht mehr da sind. 

Dann reißt es mich auf einmal von den Beinen. Ich falle hart auf dem Boden auf. Auch wenn das hier nur eine Simulation war. Der Schmerz in meinem Steiß war real. Ich sehe auf meine Arme und Beine und sehe, dass sie gefesselt sind. Aus dem Boden um mich herum, scheint eine Wand zu wachsen.

Wieder weiß ich, was nun kommt. Ich weiß es, seit ich die Fesseln gesehen habe. Über mir taucht ein blauer Himmel auf. Die Sonne geht auf und blendet mich. Ich hebe meine verbundenen Hände und schütze kurz meine Augen. Ich muss sie erst wieder an die Helligkeit gewöhnen lassen.

Dann fühle ich eine Fuhre Erde auf meinen Bauch fallen. Ich nehme meine Arme zur Seite und sehe nach oben. Shepherd. Es ist Shepherd. Er steht dort, hat eine Schaufel in der Hand und wirft die Erde auf mich.

Er redet mit mir, doch ich höre ihm nicht zu. Ich bewege meine Hände hin und her und fühle wie die Fesseln lockerer werden. Gleichzeitig tue ich das Selbe mit meinen Fußfesseln. Ich befreie mich, schnelle hoch und werfe Shepherd in die Grube.

Wieder verändert sich alles.

Der Boden unter mir wird sandig und hell. Neben mir steigt der Zaun empor. Es wird heißer. Ich sehe nach rechts und sehe Carter, der den Helm abnimmt. Dann knallt es. Er fällt wie ein Sack auf den Boden. Ich bin völlig überrascht.

Das hier ist in keiner meiner Angstsimulationen vorgekommen. Ich weiß, was los ist. Dennoch scheint es völlig neu zu sein. Ich sehe auf Carter und etwas ist anders. Blut strömt aus einer Wunde an seinem Kopf. Er ist tot.

Ich renne los und verschanze mich hinter dem Container. Dann wende ich mich der kleinen Hütte zu, die rechts von mir steht. 

Ich sehe Mündungsfeuer und hebe mein Gewehr. Dann rennen Maddie und Tessa auf einmal an mir vorbei. Ich rufe. Schreie ihnen zu, sie sollen wieder in Deckung gehen. Wieder ein Knall, Tessa liegt auf dem Boden und hält sich die Brust. Maddie rennt weiter. Noch ein Schuss. Auch sie geht zu Boden. Es vergehen keine zehn Sekunden sie hören Beide auf, sich zu bewegen.

Panisch presse ich mich gegen den Container, als Feretti neben mir zum Liegen kommt.

"Was ist hier los?", brüllt er über den Lärm des Gewehrfeuers. Ich sage kein Wort. Er wird der Nächste sein, ich weiß es.

Übernimm die Führung, schießt es mir durch den Kopf.

"Wir müssen zu der Hütte. Vier Angreifer sind darin. Wir nähern uns von vorn und überraschen sie mit unseren Blendkrachern -", ein Knall. Ich spüre etwas Warmes im Gesicht. Feretti bricht über mir zusammen.

Sie haben ihn getroffen.

Geschockt schiebe ich ihn von mir herunter. Wie hatten sie das gemacht? Wir waren hier geschützt. 

Es ist nicht real. Hier gelten keine Regeln, sagt eine Stimme in mir.

Ich sehe zu der Hütte und überprüfe meine Westentaschen. Zwei Blendkracher, wie das letzte Mal. Ich nehme mein Gewehr und laufe los. Ich weiche den Schüssen aus und komme schließlich rechts neben der Eingangstür an. Einige Meter daneben ist ein Fenster. Ich hole beide Blendkracher heraus, ziehe die Stifte und halte kurz den Bügel. Dann werfe ich sie durch das Fenster.

Schnell gehe ich in Deckung und halte mir Ohren und Augen zu.

Durch meine geschlossenen Augen kann ich es hell aufblitzen sehen. Das Gewehrfeuer verstummt augenblicklich. Ich öffne meine Augen, öffne die Tür und laufe hinein.

Ein Angreifer kommt mir entgegen und ich erschieße ihn auf der Stelle. Ein Zweiter. Ein Dritter versucht wegzulaufen. Ich ziele auf sein Bein und drücke ab. Schreiend kommt er auf dem Boden an und bleibt liegen. 

Es sind nur drei, wo ist der Vierte? 

Dann ein Klicken hinter mir. Ich drehe mich schnell um und sehe in den Lauf eines Gewehrs. Wieder ist es Shepherd.

"Waffe runter!", sagt er mir.

"Träum weiter.", gebe ich zurück. Ich starre ihn an. Alle Wut überkommt mich. Weiß er, dass ich ihn erschießen werde? Er hätte es wissen sollen, als er Carter in die Toilette gedrückt hat und ihn ertränken wollte. Ich ziehe den Abzug und erschieße ihn.

---

Meine Umgebung verändert sich wieder und ich mache mich auf das nächste Szenario gefasst. Aber es kommt nichts. Die Betonwände sind wieder da und ziehen sich zurück. Ich stehe wieder in der Halle. 

Eine Minute später kommt Eric herein.

"Das war‘s?", frage ich ihn. Er hebt überrascht eine Augenbraue.

"Für heute, ja.", entgegnet er.

"Was war das Letzte? Das hab ich noch nie gehabt.", sage ich ihm. Er erklärt mir, dass es möglich ist, dass völlig neue Szenarien entstehen. Ich bin wütend. Das hätte er mir sagen sollen.

"Kannst du bestimmte Szenarien auswählen?", will ich nun wissen. 

"Ja, wenn ich sie einmal im Programm habe.", gibt er zurück. Ich nicke. Ich will sofort zurück in die Simulation. Ich will es noch einmal probieren. Doch Eric schüttelt den Kopf.

"Heute nicht mehr. Du hattest schon genug Stress.", sagt er mir. Er führt mich aus der Halle.

"Aber ich will es nochmal machen. Jetzt weiß ich, was ich bei der letzten Simulation machen muss!", sage ich ihm wütend. Er hält mich am Arm fest.

"Ich lasse dich da heute nicht nochmal rein, Marla! Du bist schon einmal zusammen gebrochen. Das riskiere ich nicht nochmal. Fertig! Da gibt es gar keine Widerrede.", beharrt er. Nun scheint er wütend zu werden.

Ich sehe ihn an und nehme schließlich seine Hand von meinem Arm. Seine Wut beruhigt mich seltsamerweise.

"Gut. Dann morgen wieder.", entgegne ich leise. Ich lasse seine Hand nicht los, doch er zieht sie schließlich zurück. Sein Gesichtsausdruck ist ernst. 

"Diskutiere nicht mit mir, wenn ich dir etwas sage, klar?", verlangt er. Ich nicke. Ich weiß nicht, was auf einmal mit ihm los ist.

"Versuch dich auszuruhen, damit du morgen wieder fit bist.", sagt er nun. Ich habe plötzlich das Bedürfnis ihn festzuhalten. Ich will nicht, dass er weg geht. Es folgt eine unangenehme Stille. 

"Ich muss jetzt zu Four.", sagt er mit einem Blick auf seine Uhr. Ich seufze enttäuscht, aber nicke. "Gegen acht bin ich meist in der Grube. Du kannst ja vorbeikommen."

Ich unterdrücke ein Lächeln. Es gelingt mir nicht wirklich. Ich spüre, wie er meine Hand nimmt und sie einmal drückt. Dann lässt er mich allein.

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