Kräftemessen

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Die Sonne war wieder hinter dichten Wolken verschwunden, während der Seegang rauer wurde.

Ace und du hattet der Bar den Rücken zugekehrt und beobachtetet das aufgewühlte Meer. Seitdem du deinen Namen preisgeben hattest, wart ihr in ein angenehmes Schweigen verfallen.

„Was fühlst du hier?"

Du blinzeltest verwirrt, bis dir klar wurde, worauf der Feuerjunge hinauswollte. Es war ein Test deiner Wahrnehmung.

Was solltest du antworten?

Du könntest ihm sagen, dass du seine Wärme allzu deutlich spürtest, obwohl ihr eine Armlänge auseinander standet. Oder, es dich reizte, dass er etwa ein Kopf größer war als du.

Natürlich könntest du ihn auch darüber informieren, dass jede Faser deines Körpers sich zu ihm hingezogen fühlte und du ihn noch näher bei dir oder noch besser tief in dir spüren wolltest.

Du befürchtetest, den Feuerteufel zu vergraulen, wenn du ihn direkt mit deiner Lust konfrontiertest. Oder wollte er das mit seiner unschuldigen Frage provozieren? 

In dem Fall könntest du ein wenig mit ihm spielen. Dann blieb dir nur eins zu tun, ebenso unbedarft über das Wetter zu sprechen. Ein spitzbübisches Lächeln stahl sich über deinen Lippen, das konnte Ace gern hören.

Du fokussiertest dich auf deine Sinne und beschriebst ihn, was du wahrnahmst.

„Ich sehe das raue Meer und rieche den feucht-modrigen Geruch. Die Brandung nimmt stetig zu, das Grollen lauter wird. Ich spüre die Kraft der Wellen. Ich fühle den groben, feuchten Sand unter meinen Füßen und den kalten Wind, der sich Land einwärts drängt."

Atmen. Beobachten und fühlen, was ist. Atmen.

Jede Information für sich, die du erhieltest, war ein einzelnes, ständig alternierendes Puzzleteil. Durch deine langjährige Erfahrung fügte sich die kryptische Flut mit wenigen Atemzügen zu einem ganzen Bild zusammen, das den Blick auf die Zukunft freigab:

„Eine neue Wetterfront bringt Starkregen und Nebel und erreicht diese Insel in der zweiten Hälfte der Nacht. An- oder Ablegen wird in den nächsten ein bis zwei Tagen kaum möglich sein. Wir sitzen hier in den nächsten Tagen fest."

Du verstummtest und ließt diese intensive Beobachtung in deinem Bewusstsein verblassen. Früher hatte dich die seltene Gabe viel Kraft gekostet, jetzt war es nicht mehr als eine Übung in Achtsamkeit. Eine Nuance des Observationshaki, die kaum jemand kannte oder gar beherrschte.

Eine neuerliche Böe holte dich zurück in die Gegenwart, während dich Ace zufrieden musterte und dennoch schwieg. Du spürtest die Frage zwischen euch und begannst von allein zu erzählen.

„Ich war mit vier Jahren in einem dreckigen, gottverlassenen Städtchen gestrandet. Ich beobachtete wie eine junge Frau von einem alten, fetten Piraten bedrängt wurde. Ihre Angst war für mich deutlich spürbar. Jeder ihrer Versuche von ihm loszukommen scheiterte. Ich schrie ihn an, sie in Ruhe zu lassen. Er ignorierte mich, andere Augenzeugen schauten betreten weg. Seine süffisante Häme machten mich so wütend."

Du holtest tief Luft und wandtest dich Ace zu.

„Ich sah wortwörtlich rot und auf einmal schärften sich meine Sinne. Plötzlich fühlte ich alles um mich herum und suchte nach Halt. Da war erst eine glatte, kühle Härte, dann mittendrin kleine Kuhlen. Ich drückte im Geist dagegen, um meine Gefühle zu bändigen. Doch erreichte nur das Gegenteil. Meine Anspannung wuchs, bis das Schaufensterglas neben mir zerbirst. Ich spürte das Glas, jeden einzelnen Splitter. Es fiel nicht zu Boden, sondern schwebte wie ein Teil von mir in der Luft. Die Scherben folgten meinem Befehl, meinem Zorn und flogen auf den Mistkerl zu. Sie zerschnitten sein Gesicht und setzten ihn außer Gefecht."

Verrat unter Liebenden (Portgas D. Ace x fem. Reader)Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu