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Ich hatte die Diskussion gewonnen.

Embry saß hinter mir auf meinem Motorrad mit einem von Jakes Helmen auf dem Kopf und hatte seine Arme locker um meine Taile geschlungen. Es war ein seltsames Gefühl. Irgendwie fühlte es sich anders an als früher. Er war oft bei mir mitgefahren, doch scheinbar hatte sich nicht nur unsere Beziehung zueinander verändert. Embry war ein anderer Mensch geworden. Nicht nur sah er anders aus, er verhielt sich auch so. Seine schüchterne Zurückhaltung war gewichen. Sie wurde ersetzt von... Ja, von was eigentlich? Ich konnte es nicht konkret benennen. Ich verstand ihn nicht mehr. Früher wusste ich immer was er dachte. Wir hatten uns beinah ohne Worte verstanden. Ein Blick hatte gereicht und ich wusste was in ihm vorging. Nun war er undurchschaubar. Seine schokoladenbraunen Augen verrieten mir nichts mehr. Alles was ich sah war ihre wunderschöne, vertraute Farbe. Sein Verhalten war unberechenbar für mich geworden. Erst ignorierte er mich, schickte mich fort, dann wendete er sich von seinen besten Freunden ab, rief mich gestern urplötzlich an und nun schien er in meiner Gegenwart aufzublühen. Über sein Lächeln, welches ich schmerzlich vermisst hatte, hinweg hätte ich beinah vergessen mir einen Plan zu überlegen Informationen aus ihm rauszukommen. Embry war vielleicht meine beste Chance Antworten auf meine tausenden Fragen zu erhalten.

Der eiskalte Fahrtwind schlug uns entgegen, doch brachte er Embry, der nur in kurzen Hosen und T-Shirt hinter mir saß, nicht zum schlottern. Stattdessen schien er mir als persönlicher Heizkörper zu dienen. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich diese wohlige Wärme nicht genießen würde. Zum ersten Mal dieses Jahr fror ich während des Motorradfahrens nicht. Es glich einem Wunder, dass seine langen Beine einen Platz an meiner kleinen Maschine gefunden hatten. Er hätte sie nur schwerlich fahren können wie mir erst auf halben Weg nach einigen Überlegungen klar wurde. Vermutlich könnte er sich locker breitbeinig über sie stellen und sein Hintern würde dem Sattel nichtmal nah sein. Sie hatte einfach nicht mehr die richtige Größe für ihn. Möglicherweise hätte ich doch sein Angebot annehmen und ihn mich mit dem Auto nach Hause bringen lassen sollen. Auf diesem Wege hätte ich ihn auf dem Weg ausfragen können, doch dieser Einfall war mir zu spät gekommen.

Das Embrys, nun muskulös gewordene, Arme um mich geschlungen waren kam mir ungewohnt vor. Noch am Ende des letzten Jahres war er um einiges schmächtiger gewesen.
Mir war diese körperliche Veränderung egal. Ich hätte gerne meinen Freund wieder. Könnte es jemals so sein wie zuvor?
Nach allem was vorgefallen war war ich mir inzwischen nicht mehr sicher ob das möglich wäre. Ganz hinten in meinem Kopf war da diese Stimme, die mir sagte, dass ich noch wütend auf ihn sein sollte, doch wenn ich von ihm hörte schien ich dazu tendieren diese Stimme zu ignorieren.
Ich war an einem Punkt angekommen an dem ich mir nicht mehr sicher war, ob Embry mir gut tat.

Ich hielt vor Dads Haus. Der röhrende Motor verstummte. Mein Beifahrer stieg mit einer erstaunlichen und beneidenswerten Eleganz vor mir ab. In einer fließenden Bewegung zog er sich den Helm vom Kopf. An seine kurzen Haare würde ich mich wohl nie gewöhnen. Er hatte schon vorher gut ausgesehen. Wieso hatte er sie sich abgeschnitten?

"Wie willst du jetzt überhaupt kontrollieren, dass ich nicht zurück zu Jake fahre sobald du weg bist?", erkundigte ich mich.

Er richtete seinen Blick Richtung Himmel, der zur Abwechslung nicht vollkommen wolkenverhangen war. An einigen Stellen lichtete sich die hellgraue Wolkendecke und ließ einen Blick auf das babyblaue Himmelszelt zu. Die Farbe strahlte mir geradezu entgegen. Seit ich hier lebte sah ich sie für meinen Geschmack viel zu selten, dabei würde das naheliegende Meer wunderschön aussehen, wenn es dieses Blau reflektieren würde. Der Anblick wäre himmlisch.

"Ich könnte auf deinen gesunden Menschenverstand vertrauen, hier campieren und dich Tag und Nacht überwachen, ODER-!", er brach mitten im Satz ab und sah mich ernst an, während er sich zu mir herunterbeugte.

Twilight - Bis(s) zur DichotomieWhere stories live. Discover now