30:

1.1K 48 16
                                    

~°~

Mit der Taschenlampe und dem Schraubenschlüssel bewaffnet krakselte ich über die matschige, karge Wiese. Ich wünschte mir sehnlichst ich hätte andere Schuhe angezogen. Andererseits, als ich mich für mein Outfit entschieden hatte, hatte ich gedacht wir würden lediglich ins Kino gehen. Mit einer Suchaktion durch die Wälder hätte ich nicht rechnen können. Schon jetzt spürte ich wie meine Zehen allmählich klamm wurden.
Die Kälte umklammerte meinen gesamten Körper, insbesondere meine Hände, sowie mein Gesicht, die nicht von Kleidung geschützt waren. Auf meinem Weg zum Waldrand fiel mir irgendwann auf, dass es nicht nur die Kälte war, die sich auf meine Haut legte. Ein dünner Wasserfilm benetzte sie ebenfalls. Verwirrt strich ich mit den Fingerspitzen über mein Gesicht. Definitiv Wasser. Genervt blickte ich in den düsteren Himmel hinauf.

"Ernsthaft?!", schrie ich hinauf.

Das konnte doch nur ein schlechter Witz sein! Nieselregen?! Wirklich? Konnte nicht wundervoller Pulverschnee auf die Erde niederschweben? Prima! Ganz fantastisch!
Deutlich angepisst, noch mehr als bereits zuvor von Billys Ignoranz und dem Versuch mich von hier zu vertreiben, stapfte ich weiter. In der Dunkelheit waren die Tropfen kaum zu sehen. Lediglich an den stellen an den der Lichtkegel der Taschenlampe sie durchschnitt waren sie zu erahnen. Zunächst ging ich einfach nur gerade aus, tiefer ins Dickickt hinein. Ich hatte erst Parallel zum Waldrand suchen wollen, doch Jake war in dem Tempo, welches er drauf gehabt hatte bestimmt tiefer in den Wald gerannt. Die knochigen, kahlen Äste, welche sich in den nächtlichen Himmel ragten, bildeten kaum einen Kontrast zum dunkelgrau-blauem Firmament. Hier draußen wirkte alles düster und obwohl ich von vollkommer Finsterniss umgeben war wirkte der stern- und mondlose Nachthimmel nun heller als der Rest.
Mein Sichtfeld war stark eingeschränkt. Die Taschenlampe beleuchtete nicht gerade ein weites Gebiet. Bei jedem Knacken, das ich nicht selbst verursachte zuckte ich erschrocken zusammen. Mein Herz setzte jedes Mal aufs Neue zum Sprint an. Ich hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Für Gewöhnlich ging ich sogar lieber raus, wenn es bereits dunkel war. Bei Nacht wirkte die Welt aufeinmal so friedlich und still. Ich hatte Angst was sich in der Dunkelheit verstecken könnte. Es müsste sich nichtmal verstecken. Ein Berglöwe könnte direkt vor meiner Nase rumschleichen und ich würde ihn nicht sehen. Ich konnte keine fünf Meter weit sehen! Eine Flucht vor einem Tier war bei diesen Sichtverhältnissen nahezu sinnlos. Ich würde früher, oder später stolpern, über einen Stein, oder eine Wurzel, hinfallen und, TADAAA, das Mahl wäre angerichtet. Ich würde als Tierfutter enden. Wieso war ich allein hergekommen? Jakes Name lag mir auf der Zunge, es kribbelte mich in den Fingern nach ihm zu rufen, doch das kam mir selten dämlich vor. So fingen Horrorfilme an. Wie sollte ich ihn in diesem weiträumigen Gelände finden? Bisher hatte ich mich noch nicht verlaufen. Nach jeder Abbigung hatte ich den Baum markiert und mir in meinem Handy, in einer nicht abgeschickten SMS notiert in welche Richtung ich gegangen war. Noch war ich zuversichtlich, den Weg zurück zu finden, doch wie lange würde das noch so bleiben? Vielleicht würde meine ausgeklügelte Taktik auch nicht funktionieren. Obwohl... Ich war bisher nur geradeaus, links und rechts gegangen. Wenn ich mich jetzt umdrehen und einfach nur vorwärts gehen würde müsste ich doch zurück zur Straßen kommen, oder? Nicht zur selben Stelle wo das Auto stand, aber zur Straße.
Mit ein wenig Glück würde ich bald auf Jake treffen, oder auch auf Sam, Jared, Paul, oder Embry. Sie suchten doch auch nach ihm, oder? Wie es wohl wäre Embry zu treffen? Würde Jake vielleicht mit Absicht vor ihm davonlaufen? Vorzustellen wäre es. Er war sehr wütend auf ihn. Das war ich auch, aber vorallem verletzte uns seine Ablehnung. Dennoch, im Moment wäre ich froh ihn zu sehen, oder einen der anderen Jungs. Immerhin würde ich dann nicht mehr mutterseelen alleine durch den Wald geistern.
Meine Nase lief. In meinen Taschen kramte ich nach einem Taschentuch. Soviel dazu leise zu sein. Ich trompetete durch die Stille wie ein Babyelefant, als ich mir die Nase putzte.
Im Unterholz raschelte es. Mir fiel der Schraubenschlüssel herunter, den ich mich unter den Arm geklemmt hatte, um eine Hand frei zu haben. Der Aufprall verursachte einen dumpfen Laut. Eilig hob ich ihn wieder auf. Ich schloss die Finger meiner rechten Hand krampfhaft um das harte Metall. Es fühlte sich nichteinmal mehr kalt an. Ich spürte allgemein wenig. Das war kein gutes Zeichen. Meine Hände waren bereits abgefroren. Zumindest fühlte es sich so an. Mein hektischer Atem schickte Wölkchen in die Luft. Ich drehte mich um meine eigene Achse, strahlte mit der Lampe ins Dickicht hinein und versuchte irgendetwas zu erkennen. Ein "HALLO?!" lag mir auf den Lippen, doch ein Tier würde mir wohl kaum Antworten. In meinem Kopf versuchte ich mich im Schnelldurchlauf an alles zu erinnern, was mein Dad und meine Freunde mir seit meiner Ankunft in Forks über die hier lebenden Tiere beigebracht hatten. Wie verhielt man sich richtig? Statt hilfreicher Antworten spielte mein Hirn ein vollkommen anderes Programm. Es dachte an Skorpione, Schlangen, Serien in denen solche Tiere, die es hier allesamt nicht gab, von Wildhütern gefangen wurden. Es war wie in Französich damals in der achten Klasse. Wenn ich es brauchte beherrschte ich die Sprache nicht auf Abruf. Die Angst ließ mich nicht klar denken. Und ich hatte Angst. Ich war ein wahnsinniger Angsthase. Inzwischen befand ich mich in eine Teil des Waldes in dem mehr Nadelbäume, als Laubbäume standen. Der Himmel, der mir vorhin heller vorgekommen war war hier kaum zu sehen. Stattdessen schienen die gigantischen Tannen, Fichten und Kiefern Schatten auf mich zu werfen, während sie sich in einer eisigen Windböhe hin und her wiegten. Ein leises Raschelt erklang. Ich fuhr herum. Wenige Meter von mir entfernt meinte ich einen Schatten, eine dunkle Gestalt entlangschleichen gesehen zu haben. Wie angewurzelt blieb ich stehen. Mein Puls beschleunigte sich, die Muskeln in meinem Körper zogen sich zusammen. 'Das ist es wohl was mit Fluchtreflex gemeint ist', dachte ich mir, während das Adrinalin durch meine Adern rauschte. Mit einem Mal verblasste die Empfindung von Kälte, meine Augen schienen besser, klarer in der Dunkelheit sehen zu können und ich war mir sicher eine Meile rennen zu können ohne anzuhalten, oder langsamer zu werden, wenn ich es müsste. Ich war auf alles gefasst, Kampf, oder Flucht.
Obwohl ich es nie für möglich gehalten hatte wünschte ich mir gerade sehnlichst eine der Schusswaffen von Dad herbei. Vor langer Zeit hatte er mir beigebracht wie man sie benutzte. Er war sogar mit mir auf dem Schießstand der Polizei gewesen.

Twilight - Bis(s) zur DichotomieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt