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Der dunkle Wald ragte in den düsteren Himmel. Seine Äste gingen in die grauen Wolken über. Es herrschte eine Eiseskälte. Die Welt versank in Blau- und Grüntönen. Ich konnte meinen Atem sehen, der sich mit dem Nebel, der mich umhüllte vermischte. Es wunderte mich, dass die feuchte Luft keine Eiskristalle bildete. Das Moos, das Gras, sowie die Bäume waren frei von Frost. Der Duft von Schnee lag dennoch in der Luft. Jeder Atemzug fühlte sich so kalt an, als würde ich an einem Wintertag mit einem Minzbonbon die Luft in meine Lungenflügel saugen. Am Firnament waren keine Lichter zu sehen. Der Nachthimmel war viel mehr eine obsidianfarbende Decke, die jegliche Helligkeit, die möglicherweise hindurchbrechen wollte, verschlang. Zwischen den Bäumen leuchtete dieses, inzwischen bekannte, furchteinflößende, orange Flackern auf. Wie eine wandelnde Flamme verschwand es und tauchte kurz darauf einige Meter weiter wieder auf. Sie umkreiste mich unaufhörlich. Einzig und allein das Heulen und Knurren von Wölfen durchbrach die Stille. Ich schlang meine Arme um mich. Mein Schlafanzug wärmte mich keineswegs. Meine Zehen vergrub ich im Moos, obwohl ich sie längst nicht mehr spürte. Plötzlich hallte eine Stimme durch die Geräuschlosigkeit. Sie wisperte meinen Namen. Das Knurren wurde lauter und lauter, bis die Geräuschkulisse drohte mir das Trommelfell platzen zu lassen. Ich presste mir verzweifelt die Hände auf die Ohren. Wimmernd sank ich auf die Knie, flehte, dass es aufhören sollte. Dann war dort plötzlich eine neue Klangfarbe, eine Stimme unglaublich sanft und beruhigend. Sie ließ den Lärm verstummen. Embry?

Keuchend schlug ich die Augen auf.

Mit pochendem Herzen versuchte ich im Raum, der von einem bunten, flackernden Licht erhellt wurde, Orientierung zu finden. Ängstlich huschte mein Blick hin und her. Meine Finger gruben sich in einen weichen Stoff, der ein wenig unter ihnen nachgab. Die krapfhafte Haltung war schmerzhaft. Die kalte Hand der Panik hielt mich fest in ihrem Griff. Ich konnte meinen rasenden Herzschlag nicht kontrollieren. Die Albträume waren selten derart intensiv. Eine Geste, ein sanftes Streicheln über meinen Kopf ließ mich zusammenzucken.

"Adriana! Hey, Süße... Alles okay? Du hast ausgesehen als hättest du einen Albtraum. Du hast im Schlaf gesprochen."

Verschlafen und noch vollkommen durcheinander fanden meine Blicke ein grünes Augenpaar, deren Farbe ich im Halbdunkeln nur erahnen konnte, doch die mir so vertraut waren, dass ich kein Licht gebraucht hätte, um ihre Farbe zu benennen. Die tiefe, beruhigende Stimme tat ihr übriges. Die Anspannung fiel ein wenig von mir ab, auch wenn sie nicht ganz und gar verschwand. Mit einer Hand fuhr ich mir übers Gesicht, rieb mir über die schweren Lider.

"Tut mir leid. Bin wohl während des Films eingeschlafen.", murmelte ich.

Meine Gedanken hingen noch im Düsterwald meiner Traumwelt fest. Ungelenk richtete ich mich auf. Auf dem Fernsehbildschirm flackerte ein Feuer. Ein Wohnkomplex stand in Flammen. Ich konnte mich nichtmal erinnern wechen Film wir sahen. Das Flammeninferno auf dem Bildschirm könnte zumindest ein Grund sein, weswegen ich von wandernden Flammen im Wald geträumt hatte, wobei... Ich hatte sie schon des Öfteren gesehen. Wölfe, dunkle Wälder, Feuer, all dies verfolgte mich im Schlaf, doch ich konnte mir nicht erklären wieso. Trotzdessen, dass ich gerade erst erwacht war fühlte ich mich ausgelaugt.

"Schon gut. Ich wollte dich nicht aufwecken, doch als du unruhig wurdest hielt ich es für das Beste. Wovon hast du geträumt?"

Seine Hand zeichnete kreisende Bewegungen in meinem Haar. Ich blickte in sein Gesicht. Er hatte wunderschöne Züge. Wie von selbst streckte ich meine Hand aus und fuhr sie mit den Fingern nach. Als er deswegen zaghaft lächelte strich ich über die Grübchen in seinen Wangen, die sich dadurch bildeten.

Twilight - Bis(s) zur DichotomieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt