Vermeintlich frei

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Sicht des Erzählers

Immer wieder sah Dexter in den Rückspiegel und stellte sicher, dass ihnen niemand folgte. Er wusste, wie riskant diese Aktion war und ihm war klar, dass, wenn Jake sie aus welchem Grund auch immer auffinden sollte, bevor sie ihr Ziel erreicht hatten, er keine zweite Chance haben würde. Er würde hart dafür arbeiten müssen, sich Jakes Vetrauen erneut zu ergaunern und er wäre nicht der einzige, der darunter leiden würde, sie würde es noch viel härter treffen. "Lillian, pass auf, wir fahren jetzt zu meinem Vater. Jake weiß nichts von meinen Eltern, weder wer sie sind, noch wo sie leben. Ein Safeplace also. Und wenn sich die Lage beruhigt hat, bringe ich dich aus diesem Land und werde dafür sorgen, dass Jake dich nicht wieder findet.", seine Stimme war ruhig und dennoch eindringlich. Lillian war nicht ganz in der Lage dazu, zu begreifen, was Dexter ihr da erzählte. Sie konnte das gehörte noch nicht wirklich einordnen, bis es sie wie ein Schlag traf. Er würde sie in die Freiheit bringen, von der sie so lange geträumt hatte, von der sie gedacht hatte, sie niemals erreichen zu können. "Ist das wahr?", wisperte sie, Tränen der Hoffnung in den Augen. "Ich würde dich nie anlügen, Kleines.", gab er mit fester Stimme zurück und hielt ihrem Blick für kurze Zeit stand. Dieser Schimmer der Hoffnung ließ sie noch schöner aussehen, als ohne hin schon. Er wusste, dass er diese Gefühle niemals hätte entwickeln dürfen, doch er hatte nichts dagegen tun können. Sie hatte ihn magisch angezogen, er stand mehr oder weniger in ihrem Bann und er war sich einer Sache ganz sicher, er würde sie um alles in der Welt beschützen. Nervös spielte sie mit dem Saum ihres Kleides, sie wusste ihre Gefühle nicht richtig einzuordnen. Dass sie möglicherweise etwas für Dexter empfand hatte sich schon vorab abgezeichnet, doch bisher hatte sie diese Gefühle immer wieder verdrängt, sich weiß gemacht, dass das nicht richtig war. Aber jetzt sah sie ihn in einem neuen Licht, er war nicht der Böse, für den sie ihn gehalten hatte, was seine Umgang mit ihr jedoch in keinster Weise rechtfertigte oder verharmloste. "Bereust du es?", sie konnte die Frage nicht zurück halten, sie musste wissen, woran sie bei ihm war. Er sah sie verwirrt an, "Was genau?". Sie sah verlegen auf ihre Hände, "Das, was du mit mir getan hast...", flüsterte sie, ohne ihn dabei anzusehen. Er wurde still, mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. Bereute er es, dass er sie verletzt hatte? Ja. Bereute er es, dass er ihr ein skurriles Bild von einem Sexleben vermittelt und sie zu Dingen gezwungen hatte, die ihre Kindheit in den Ruin getrieben haben? Mehr als alles andere. Aber bereute er es, ihr jetzt helfen zu wollen und all dem ein Ende zu setzen? Nein. "Lil, ich will ehrlich zu dir sein... ich bereue mittlerweile, was ich dir angetan habe wirklich... das ist einer der Gründe, warum ich dir helfen will. Allerdings bereue ich nicht, diese Leben zu führen, Jake war immer ein guter Geschäftspartner, fast schon sowas wie ein Freund. Was er dir angetan hat, war nicht richtig, das weiß ich nicht erst seit gestern aber ich hatte meine Gründe, ihm zu helfen, es ging irgendwo auch um mein Leben, meine Absicherung und anfangs habe ich wirklich noch geglaubt, dass das was er dir antat gerechtfertigt war. In dem Millieu in dem wir uns bewegen braucht man jemanden wie Jake an seiner Seite um zu überleben... aber ich will dieses Leben nicht mehr, wenn es bedeutet dafür ein unschuldiges Kind durch die Hölle zu schicken...", gab er zurück und sie wurde stumm. Sie wusste nicht so recht, wie sie darauf antworten sollte und bevor sie etwas dummes oder falsches sagte, wollte sie lieber gar nichts sagen. Sie sank tiefer in den Sitz und sah aus dem Fenster, die Bäume zogen schnell an ihnen vorbei und verschwammen zu einem einem Meer aus Dunkelheit, eine Dunkelheit, die Teil von ihnen war, sie aber nicht erreichte, es hatte etwas Beruhigendes und es dauerte nicht lange, bis ihr langsam die Augen zu fielen. Sie war erschöpft von all dem Stress, von den Qualen, sie sehnte sich nach nichts mehr, als ein wenig Ruhe. Doch diese Ruhe verbarg die Gefahr, welcher weder sie noch Dexter sich zu diesem Zeitpunkt bewusst waren.

Denn während sie fuhren, waren Dimetri und Alistair schon dabei, sie ausfindig zu machen. Alistair war vom Starten des Motors aufgewacht und da er wusste, dass Jake noch nicht zurück sein konnte und dieser eher den Motor abstellen würde, als ihn zu starten, beschlich ihn das Misstrauen. Er zog sich an, ging in den Überwachungsraum und checkte die Kameras. Sein Blick fiel auf die leere Kellerzelle und Panik begann in ihm zu wachsen. Er ging schnellen Schrittes zu Dexters Zimmer um ihn aufzuwecken, doch dieser war ebenfalls nicht mehr anwesend. Alistair beschlich der Gedanke, dass Dexter sie hintergangen hatte. Er weckte Dimetri und kontaktierte umgehend Jake, welcher sich sofort auf den Rückweg machte. In dieser halben Stunde, die Jake zur Rückkehr brauchte, machten Dimetri und Alistair den Wagen, welchen Dexter genommen hatte per GPS ausfindig. Und als Jake auf den Hof fuhr, standen beide bereit, stiegen bei ihm ein und folgten dem Trackingsignal. Hinter ihnen fuhr ein weiterer Wagen, besetzt mit seinen besten Wachmännern. Tempolimits waren egal, Jake war rasend vor Wut und darauf erpicht, Lillian um jeden Preis wieder zurück zu holen und sie einzusperren und zu foltern, bis sie ihren Fehler einsehen würde. Er hatte geahnt, dass sie Dexter um den Finger wickeln würde, aber nie damit gerechnet, dass er so leicht beeinflussbar war. Es dauerte nicht lange, bis sie den schwarzen Wagen eingeholt hatten, jetzt musste dieser nur noch zum Stillstand gebracht werden.

Dexters Blick glitt zum Rückspiegel, er hatte nicht erwartet, dass um diese Uhrzeit noch andere Fahrer unterwegs waren und ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Er drückte das Gaspedal ein wenig mehr durch um Abstand zu gewinnen, doch der Wagen klebte förmlich an ihnen. Lillian war durch das abrupte Gasgeben wieder aufgewacht und sah Dexter fragend an. Doch dieser war viel zu konzentriert um zu bemerken, dass Lillian nun ebenfalls den Wagen hinter ihnen bemerkt hatte und panisch wurde. "Sag mir bitte, dass das nicht Jake ist...", murmelte sie verzweifelt, bekam jedoch keine Antwort, was für sie Antwort genug war. Dexter war angespannt, es hätte funktionieren müssen, wie hatte man sie so schnell finden können? Der Wagen hinter ihnen scherte zum Überholen aus, reihte sich vor ihnen wieder ein und verringerte schlagartig sein Tempo, was Dexter dazu brachte, ebenfalls auf die Bremse zu treten um mit dem Wagen vor ihnen nicht zu kollidieren. Der Wagen kam zum stehen und noch bevor Dexter reagieren konnte, riss Lillian die Tür auf und legte einen Sprint in Richtung Wald hin.

At the End of FallNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ