Tortur

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Lillian P.O.V.

Ich wachte zu meiner Verwunderung von alleine auf. Durch das kleine Fenster drang leichtes Sonnenlicht in meine Zelle und beleuchtete die mittlerweile getrocknete Blutlache. Dieses Schauspiel veranlasste mich dazu, meinen Blick auf meine Wade zu richten. Der Verband hatte sich während meines Schlafes ebenfalls mit Blut vollgesogen, welches aber augenscheinlich  getrocknet war. Ich strich vorsichtig darüber. Ich war immer noch geschockt, dass er auf mich hatte schießen lassen und ich war mir noch nicht ganz sicher, wie sich das Erlebte auf etwaige neue Ausbruchsversuche auswirken würde. Ich hatte das Bedürfnis, mir meine Verletzung anzusehen und löste zaghaft den Verband. Vorsichtig entfernte ich die Kompresse und mich überkam tiefe Trauer beim Anblick der Wunde.

Schockiert sah ich mir die tiefen Einschnitte auf meinem rechten Unterarm an, bevor ich meinen Blick wieder auf Jake richtete. Erstmalig hatte er mich derart körperlich verletzt, abgesehen von ein paar blauen Flecken, die ich mir eine Weile zuvor von ihm eingehandelt hatte. Ich war wie in Trance und auch er schien es zu sein. Es schien kein Akt purer Boshaftigkeit zu sein, sondern eine Handlung im Affekt. Er schwieg und begann ruhiger als zuvor zu atmen, während sein Blick etwas Ausdrucksloses bekam. Ihm rutschte das Messer aus der Hand und ich zuckte vom Geräusch des Aufpralls zusammen. Die Zeit schien still zu stehen, diese Stille war unangenehm. Ich sah erneut auf meinen Arm, das Blut floss in warmen Striemen daran herunter und tropfte unbeirrt auf den Boden, dass ich weinte, bemerkte ich nicht einmal. Mit meinen neun Jahren verstand ich nicht, warum er das getan hatte und wohin das eines Tages führen würde. Er machte einen Schritt auf mich zu und ich löste mich aus meiner Starre, wich panisch vor ihm zurück. "Lillian,", setzte er leise und zaghaft an, ", es tut mir leid, okey Süße? Ich hab die Kontrolle verloren...", fuhr er fort und wollte mich in seine Arme schließen doch ich wich noch weiter zurück. "Du hast es versprochen...", flüsterte ich zurück, "Du hast versprochen mir nicht weh zu tun, wenn ich mich benehme! Was hab ich denn falsch gemacht?!", schrie ich ihm weinend und zitternd entgegen ohne ihn dabei anzusehen. Letztendlich schloss er mich doch in seine Arme und flüsterte, "Nichts...Es tut mir leid...".

Mir wurde bewusst, dass er mich damals schon angelogen hatte, auch wenn seine Entschuldigung ernst gemeint war, denn im Rückblick hatte ich tatsächlich nichts falsch gemacht. Dennoch machte es nichts ungeschehen und es tat weh, dass er sich nicht an sein Versprechen halten konnte, egal ob ich mich gut oder schlecht benahm, das war mir inzwischen klar geworden. Zaghaft strich ich über die Schwellungen, die rings um die Wunde verliefen und zuckte vor Schmerz zusammen. Ich atmete tief durch und überwand mich beide Beine auf dem Boden abzusetzen. Solange ich saß, war der Schmerz erträglich, doch sobald ich aufstehen wollte überkam mich eine so gewaltige Schmerzwelle, dass ich wieder zurück ins Bett fiel und angestrengt keuchte. "Gott verdammt...", entkam es mir und genau in diesem Moment wurde die Zelltür geöffnet. Mein Blick glitt zu eben dieser und ich sah Dexter mit hochgezogener Braue auf mich zukommen. Ich sah zu Boden und blieb stumm sitzen während er auf mich zu kam, ich hätte so oder so nicht vor ihm weglaufen können. "Guten Morgen, Lil. Jake will dich in seinem Zimmer sehen.", meinte er beiläufig, während er mir frische Unterwäsche und ein frisches Shirt reichte. "Zieh dich um und dann gehen wir.", erklärte er kurz und lehnte sich dann an die Wand neben meinem Bett, ließ mich nicht aus den Augen. Gehen? Ich war froh, dass ich sitzen konnte, ohne meine Verletzung allzu deutlich zu spüren. Das Umziehen meiner Unterhose gestaltete sich deutlich schwerer, als erwartet. Ich brauchte etwas Zeit um seinem Befehl nachzukommen, denn jede Bewegung die das Aus- und Anziehen meiner Unterhose erforderte belastet unweigerlich auch meine Wade, weshalb ich mir vor Schmerzen immer wieder auf die Lippe biss um nicht laut aufzukeuchen. Das Shirt ließ sich deutlich einfacher wechseln, wobei es mir immer noch unangenehm war, mich vor Dexters Augen umzuziehen. "Na endlich, und jetzt aufstehen und mitkommen.", keiffte er, woraufhin ich mir ein kurzes verzweifeltes Auflachen und den Satz, "Ich werd mir Mühe geben.", nicht verkneifen konnte. "Sei nicht so frech, sonst schleif ich dich an den Haaren nach oben. Du bist selbst schuld daran, dass du angeschossen wurdest.", er spuckte diese Worte förmlich aus, er schien nicht besonders gut gelaunt zu sein, also verkniff ich mir jede weitere Bemerkung und versuchte stattdessen wieder aufzustehen. Es dauerte etwas und war nur zu bewerkstelligen, indem ich mich hauptsächlich auf mein linkes Bein stützte. Sehr langsam humpelte ich ihm hinterher und musste mich im Türrahmen kurz anlehnen, es kostete mich viel Kraft zu laufen. Die Schmerzen waren unsagbar und ich hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken. "Na komm schon, ein bisschen schneller, wäre schön.", drehte er sich genervt zu mir um. Ich stand immer noch schwer atmend im Türrahmen und sah schwach zu ihm auf, "Tut mir leid, ich kann nicht...", gab ich leise zurück und sah wie er die Augen verdrehte, sich wieder umdrehte und den Gang entlang zur Treppe ging, an welcher er dann erneut auf mich wartete. Ich schloss kurz die Augen atmete tief durch und humpelte dann, mich an der Wand abstützend, auf ihn zu. Der Schmerz war betäubend und immer mal wieder wurde mir etwas schwindelig, wodurch ich kurz stehen bleiben musste. Letztlich erreichte ich die Treppe ebenfalls und sah diese schweratmend und gequält an. "Ich schaff das nicht...", keuchte ich und sah Dexter veerzweifelt an. Dieser zuckte mit den Schultern, "Nicht mein Problem, ich geb dir maximal zwei Minuten ab dem Moment in dem ich den zweiten Stock erreicht habe.". Ich sah ihn geschockt an. "Was passiert, wenn ich es nicht schaffe?", fragte ich vorsichtig nach und er begann zu grinsen. "Dann wirst du so oft von vorn beginnen, bis du es geschafft hast.". Das konnte nicht sein ernst sein. Er begann die Stufen zu erklimmen und war innerhalb kürzester Zeit aus meinem Sichtfeld verschwunden. Langsam, Stufe für Stufe kämpfte ich mich nach oben, schon im 1. Stock spürte ich, wie meine Kräfte mich zunehmend verließen und ich hörte von Dexter nur ein knappes, "Noch 1,20.". Als ich endlich oben ankam fiel ich vor Erschöpfung auf die Knie und hätte mich am liebsten übergeben, so stark waren meine Schmerzen. "Hey, immerhin drei Sekunden vor Ende noch geschafft.", verkündete er und grinste mich an. Ich ließ den Kopf hängen, musste meine Hände ebenfalls auf den Boden stützen um nicht umzukippen. "Na los steh auf, Jake hat auch nicht ewig Zeit.", raunte er und ich gab mein Bestes, mich erneut aufzurappeln. Ich taumelte und musste mich am Geländer festhalten um nicht zu stürzen. Ganz langsam folgte ich ihm und sackte letztlich aus purer Erschöpfung neben Jakes Tür zusammen, noch bevor er diese geöffnet hatte.

At the End of FallWhere stories live. Discover now