Bibliothek

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Daryl war fertig. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Zwei Tage lang jagte er nun Beths Spur hinterher. Noch immer versuchte er zu begreifen, wie alles so schnell den Bach hatte runter gehen können. Eben noch hatte er in diesem Sarg gelegen, Beth hatte ihm vorgesungen und sie hatten darüber gesprochen, hier zu bleiben. Und dann ganz plötzlich...

Jetzt war Beth von irgendwem entführt worden und die Spur verlor sich langsam. Er wusste nicht mehr, wie lange er noch durchhalten konnte. Er hatte nicht gegessen, nicht geschlafen, war einfach immer nur weitergerannt um Beth zu finden.

Er kam an eine Kreuzung, wo ein Bahnübergang zu sehen war. Die Spur war weg. Und Beth...fort.

Daryl fiel die Armbrust aus der Hand und er ließ sich erschöpft zu Boden fallen. Er gab auf. Sollten ihn doch die Beißer holen oder sonst irgendwer von hinten abknallen. Was spielte es noch für eine Rolle? Er hatte Beth nicht beschützen können. Nicht Jodie oder Carol...

Wahrscheinlich hatte er es sogar verdient. Er konnte hier sterben. Dieser Ort war genau so gut, wie jeder andere.

Und dann war er plötzlich von mehreren Männern umringt. Daryl sah nicht auf. Es war ihm egal. Alles war ihm egal.

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Jodie und Ashley zogen weiter und folgten den Spuren zu Terminus. Meistens redeten sie kaum miteinander, wenn sie liefen. Unterhaltungen kamen eher abends, wenn sie ein Lager aufschlugen. Jeden Abend erzählte Ashley Jodie etwas von sich. Eine Erinnerung aus ihrer Kindheit oder ihrem Leben als erwachsene Frau. Was sie vermisste, bevor die Apokalypse ausbrach oder Männern mit denen sie ausgegangen war.

„Was ist mit dir, Jodie? Hattest du jemanden, vor der Apokalypse?", fragte Ashley sie dann augenzwinkernd.

Jodie schüttelte verlegen lächelnd den Kopf. Jungs und erste Liebe war kein Thema, für das sie groß Zeit oder Gedanken verschwendet hatte, bevor die Welt den Bach runter ging. Die Angst wegen Melvin war immer vorrangig gewesen.

„Kapier ich nicht. Du bist doch ein hübsches Mädchen, da müssen die Jungs sich doch um dich gerissen haben", meinte Ashley verständnislos.

„Ich hatte andere Probleme damals", schrieb Jodie nur auf ihren Arm.

Sie hatte Ashley bisher nichts von ihrer gewaltvollen Vergangenheit mit Melvin und ihrer Mutter erzählt. Es war ihr zu persönlich gewesen.

„Was denn für Probleme?", fragt Ashley.

Jodie antwortete jedoch nicht darauf.

„Du, wegen deinem „Sprech-Problem", müssen wir uns echt was einfallen lassen. Du kannst nicht immer nur alles auf den Arm schreiben. Wir müssen irgendeinen anderen Weg finden uns zu verständigen. Kannst du Gebärdensprache?", fragte sie dann.

Jodie schüttelte den Kopf.

„Okay, wir sollten mal Ausschau nach einer Bibliothek oder sowas halte. Vielleicht finden war ja da irgendwas über Gebärdensprache und können es uns gegenseitig beibringen. Dann können wir auch ohne Worte kommunizieren. Könnte uns vielleicht nochmal nützlich sein", meinte Ashley.

Jodie zuckte mit den Schultern. Bisher war sie ohne Gebärdensprache bestens ausgekommen. Aber wenn Ashley es so wollte. Außerdem konnte es tatsächlich von Vorteil sein. Sollte sie vielleicht mal jemand angreifen, konnten sie sich ja nonverbal gegenseitig helfen.

Allerdings war ein Stadtgang mehr als gefährlich, wenn man nur zu zweit war. In einer Stadt waren bekanntlich mehr Untote, als auf dem Land. Und dort konnte man viel schneller in bedrohliche Situationen geraten. Nur wegen eines Buches, sollten sie das nicht riskieren.

Silent FighterWhere stories live. Discover now