Geheimnisse und Narben

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Hershel musterte Jodies blutige Handrücken. Überraschung und Sorge spiegelte sich auf seinem Gesicht.

„Wie ist denn das passiert?", fragte der alte Mann und wandte sich an Daryl.

Jodie wich Hershels Blick aus, wollte nichts dazu sagen. Und Daryls auch, obwohl sie spürte, wie er sie streng von der Seite ansah.

„Sie hat sich mit diesem Roderick geprügelt", brummte Daryl.

„Das klingt gar nicht nach dir Jodie. Was ist passiert?" Hershel sah mit hochgezogenen Augenbrauen nun auf Jodie.

„Ich wär' auch angefressen, wenn man über meine Familie schlecht reden würde", antwortete Daryl schließlich für Jodie.

Hershel seufzte und in diesem einen Geräusch lag ein ganzes Gespräch. Sorge, Vorwurf, Mahnung. Ohne weiter nachzuhaken verband er Jodies Hände und ordnete an, dass sie diese nun die nächste Woche schonen sollte, bis die offenen Stellen verheilt wären.

„Geh wieder in deine Zelle und ruh dich aus. Glenn ist von seiner Tour zurück, vielleicht hat er ja wieder was für dich." Hershel zwinkerte ihr zu. Schwach lächelnd nickte sie und verließ leise wie eine Katze den Raum. Daryl wollte sich ebenfalls abwenden, als Hershel ihn zurück hielt.

„Du solltest mit ihr reden. Auf dich hört sie. Sie hat dich gern."

Hershels Blick war wie der eines Großvaters. Autoritär und respekteinflößend, aber doch auch so unendlich warm.

„Bin doch kein beschissener Psychodoc", brummte Daryl nur ablehnend. Allein der Gedanken ließ ihn sich innerlich dagegen sträuben.

„Nein, aber es kann so nicht weiter gehen, dass sie von den anderen Kindern immer nur gehänselt wird, weil sie eben nicht spricht. Vielleicht öffnet sie sich ja dir gegenüber und spricht mal. Das würde einige Probleme lösen. Worte bewirken mehr als Fäuste."

Der sanfte, aber drängende Appell in seinen Worten entging Daryl nicht.

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Auf dem Weg zu seiner Zelle traf er Cole. Der hochgewachsene, junge Mann mit den blauen Augen wirkte besorgt.

„Hey, ich hab gerade Jodie gesehen. Was ist mit ihr passiert?" Er benahm sich wie ein Bruder Jodie gegenüber. Beschützend, besorgt, immer bemüht ihre Angelegenheiten zu regeln.

„Hat sich mit Roderick geprügelt, weil er über ihre Familie was gesagt hat", antwortete Daryl knapp.

„Schon wieder, dieser Penner", schimpfte Cole. „Der scheint es wirklich drauf anzulegen, dabei hat der doch gar keine Ahnung."

„Keine Ahnung von was?" Daryl hatte keine Ahnung wieso, aber etwas in seinen Worten hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Als wäre er kurz davor einen zündenden Gedanken zu haben, musste ihn aber erst selbst einfangen.

„Wenn ich das wüsste. Die Kleine hat ne Menge durchgemacht. Was genau weiß ich nicht, weshalb ich manchmal wünschte, dass sie sprechen würde. Es würde alles leichter machen.", seufzte er.

„Was is' eigentlich passiert? Warum redet sie nich'?", hakte Daryl nun nach.

„Wie gesagt, keine Ahnung. Ich kannte sie aus unserem ersten Camp, da hat sie noch gesprochen. Zwar nicht viel, weil sie ziemlich schüchtern war, aber immerhin. Unser Camp wurde von Beißern überrannt und wir waren gezwungen in kleinen Gruppen oder allein zu fliehen. Ich war mit zwei Freunden unterwegs, und das zwei Monate lang, bis wir sie durch Zufall fanden. Völlig erschöpft, von oben bis unten voller Blut, aber trotzdem hat sie uns noch zwei Beißer vom Leib gehalten. Klar hat sie sich auch gefreut, aber etwas war eben anders. Sie war so kalt. Mutig, aber irgendwie still. Egal was wir versucht haben, sie hat nicht mehr gesprochen. Ich weiß nicht was mit ihr passiert ist, aber ich vermute mal, dass sie irgendwas gesehen oder getan hat, was sie so traumatisiert hat.", erzählte Cole und seine Augen wurden traurig.

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