Die Menschen, die wir verloren

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Ashley erwies sich als gute Verbündete. Sie hielt Jodie nicht für ein dummes Kind, dass niemals allein hätte, überleben können. Aber sie bestand auch darauf, dass Jodie immer bei ihr blieb, wenn sie nach draußen gingen um nach Nahrung und den Anderen suchten.

Hin und wieder versuchte sie Jodie auf die lustigen Arten zum Reden zu bringen, aber sie bedrängte sie auch nicht und ließ sie auch in Frieden, wenn es Jodie zu viel wurde.

Ashley erzählte Jodie von ihrem früheren Leben. Sie hatte sich mit vielen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten und am besten hatte ihr die Arbeit in einem Tattoo-Studio gefallen. Sie zeigte Jodie einige von den Tattoos, die sie sich dort hatte stechen lassen.

Ashley hatte es dort geliebt und sie hatte auch hin und wieder ihre eigenen Tattoo Zeichnungen entworfen. Manche davon hatten ihrem Chef sogar sehr gut gefallen und sie auch schon als Motive ausgehängt.

„Ich sag dir was, Jodie. Sollten wir mal eine Tattoo Maschine auftreiben, zeig ich dir mal, wie so was geht. Wenn du willst, kann ich dir auch eins stechen, wie fändest du das?", fragte Ashley sie.

Jodie nickte. Sie hatte bereits ein paar von Daryls Tattoos gesehen und hatte sich insgeheim auch schon so eins gewünscht.

„Wie alt bist du eigentlich? Ich darf eben nicht Tattoo bei Kindern unter 16 Jahren stechen. Es sei denn, sie haben die schriftliche Erlaubnis ihrer Eltern", meinte Ashley da grinsend.

Jodie hielt erst vier, dann zehn Finger hoch.

„Vierzehn? Hm, bist du sicher, dass du das schon darfst?", fragte Ashley grinsend.

„Ich könnte auch schon fünfzehn sein. Wer weiß das heute noch und außerdem, wo willst du jetzt noch ne schriftliche Erlaubnis herbekommen?", fragte Jodie spöttisch von ihrem Block aus.

Ashley lachte und erzählte ihr noch mehr. Erzählte, die Geschichte, die sie Jodie zu Anfang versprochen hatte.

Erzählte von ihrem Freund mit dem sie geflohen war, als der ganze Scheiß anfing und mit dem sie sich einer anderen Gruppe von Männern und Frauen angeschlossen hatte. Dann hatte es einen Beißer Angriff gegeben und die meisten Leute, darunter auch ihr Freund waren gestorben. Nur ein paar Männer und sie hatten überlebt und plötzlich war es mit dem friedlichen Zusammenleben vorbei. Die Männer hatten klare Vorstellungen davon, was die wenigen Frauen, die ebenfalls überlebt hatten, zu tun und zu lassen hatten. Sie hatten ihnen alle Waffen abgenommen und sie mit Drohungen und Gewalt, von sich abhängig gemacht. Schließlich wurden es durch Schwächeanfälle oder Ermordungen oder Beißer immer weniger Frauen und irgendwann waren nur noch Ashley und drei Männer übrig. Und diese ließen sie nicht mehr gehen. Nahmen ihr alles, was zur Verteidigung hätte dienen können und hielten sie bei sich gefangen, während sie immer weiterzogen. Schließlich hatte Ashley sich eines Nachts befreien können und zwei der Männer töten können. Sie hatte versucht wegzulaufen, aber Tony, der dritte Kerl hatte sie erwischt und war völlig ausgerastet.

„Er war größenwahnsinnig. Er hat behauptet, dass ich ihn brauche, dass ich ohne ihn nicht überleben kann und dass ich ihm gehöre", meinte Ashley schließlich, während sie sich in einer anderen Wohnung auf dem Sofa gegenüber saßen. Mittlerweile wie zwei Freundinnen.

Jodie beobachtete sie genau. Wie angespannt und traurig sie wirkte.

Sie traute sich fast nicht es zu fragen, aber dann tat sie es doch.

„Haben sie dich...?", schrieb sie auf den Block und sah sie besorgt und vorsichtig an. Ashley schien die Frage zu verstehen, selbst wenn sie nicht fertig geschrieben war.

„Vergewaltigt? Nein. Die Männer waren zwar chauvinistische Schweine, aber keine Vergewaltiger. Aber Tony hätte es getan, zumindest irgendwann. Ich glaube, als er mich gefangen hat, wollte er es sogar, aber dann bist du ja gekommen."

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