American Horror Story

14 1 0
                                    

Ich fliege Nachhause. Nicht zu Besuch, nein endgültig.

Für manche eine Überraschung "Waaas? Aber in deiner Instagram-Story sahst du doch immer so glücklich aus!" Aber Social Media Seiten entsprechen selten der Realität.

Der Grund: Hauptsächlich meine Gastmutter. Mit ihrer ständigen Kritik vermittelte sie mir das Gefühl, nichts richtig machen zu können und dass ich ein totaler Versager wäre. Ich, die schon bei zwei Familien rausgeworfen wurde, rechnete bei so viel Kritik mit einem weiteren Rauswurf. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mich dann noch eine Familie aufnehmen würde, da ich schon bei dreien rausgeworfen wurde. Rematch konnte ich also vergessen. Als Kurzschlussreaktion schrieb ich mich an der Goethe-Uni ein, um dann nicht völlig planlos in Deutschland zu sitzen.

Es immer mehr Kritik, ich konnte nichts richtig machen und alles war meine Schuld. Meiner Gastmutter lief der Hund weg...ach, dass muss daran liegen, dass Julia den vor 3 Tagen nur 2x Gassi geführt hat. (Natürlich nicht daran, dass man dem Hund die Leine umlegt BEVOR man die Tür aufmacht).

Dann kam es zum Showdown: Sie quetschte mich so lange aus, bis ich ihr sagte, dass ich überlege zu gehen. Nach einigen netten Vorwürfen kam dann der Satz "You can't go. I won't let you go". Es stellte sich heraus, dass sie gar nicht plante mich rauszuwerfen und die ganze Kritik nur "Peanuts" wären. Warum man das dann immer so darstellen muss, als wäre es der Weltuntergang, weiß ich allerdings auch nicht. Aber wir beschlossen daran zu arbeiten. Eigentlich wollte ich ja auch gar nicht gehen. Das war mein Traum. In den USA leben, 30 Minuten von New York City entfernt, auf ein Kind aufpassen und dafür noch ordentlich Geld zu kassieren. Hört sich doch alles super an. Wieso sollte ich das für ein Leben in einem kleinen Kaff in Deutschland und Tellerspülen aufgeben wollen?
Ich beschloss zu bleiben. "I'll give it a try". Und so verbrachten wir ein angenehmes Weihnachtsfest und Chanukka zusammen, Kira kam vorbei und ich brachte meinem Gastkind Inliner fahren bei. Alles war gut.

Doch dann ging Kira, ich war wieder alleine. Das war auch ein Problem, hier war ich immer alleine. Viele Freunde hatte ich hier noch nicht gefunden, denn ich kam ja erst im Herbst an und die meisten anderen kannten sich seit Sommer. Ich verbrachte die Woche alleine (mein Gastkind ist nur selten Zuhause), das Wochenende alleine in New York und reiste alleine.
Besonders in der Weihnachtszeit, war das ziemlich schwierig für mich. Da spürte ich zum ersten Mal Heimweh. Ich wollte lieber Zuhause bei meiner Familie sein, wo ich erwünscht war, statt mich hier wie ein Außenseiter zu fühlen. Meiner Theorie nach tritt Heimweh vor allem dann auf, wenn es einem nicht gut geht. Die ersten Monate war ich hier glücklich, hatte viel zu tun und rief meine Eltern vielleicht alle zwei Wochen mal an. Ich war so dankbar meine Zeit hier verbringen zu können, ich wollte nicht Nachhause. Bei beiden Rematches war mein Ziel "Nur nicht Nachhause". Aber irgendwann, wenn alles schiefläuft, hast du den Punkt erreicht, wo du einfach nicht mehr kannst und willst.

Nachdem meine erste Arbeitswoche wieder genauso verlief wie der ganze Dezember (über Weihnachten war meine Gastmutter viel netter zu mir) beschloss ich einen Schlussstrich zu ziehen. Es würde sich hier nichts ändern.
Ich hatte Angst es meiner Gastmutter zu sagen, da ich mir ausmalen konnte, wie sie reagieren würde. Ich sprach mit meiner LCC (Frau von der AuPair Agentur) und sie sagte mir, sobald ich es meiner Gastmutter sage, muss ich noch zwei Wochen bleiben, dann kann ich Nachhause.

Etwas feige, aber ich wollte nicht dabei sein, wenn sie von meinem Abreiseplan erfuhr, schrieb ich einen langen Brief. Dann wendete ich die Handgranatentaktik an: hinwerfen und wegrennen. Ich verbrachte einen schönen Tag in Princeton mit ein paar Freunden und als ich am Abend Nachhause kam, hatte sich meinee Gastmutter schon etwas beruhigt. Sie konnte gefasst mit mir reden, schien aber nicht zu verstehen, wie schlecht es mir wirklich ging, denn sie bat mich neben den zwei Wochen noch eine dritte zu bleiben. Ich hatte allerdings schon einen Flug Nachhause gebucht. Ich sagte ihr, ich würde mal darüber nachdenken und erkundigte mich, ob meine Reiseversicherung greifen würde. Tat sie aber (leider?) nicht.

Als ich ihr das am nächsten Tag mitteilte, kam die Reaktion die ich erwartet hatte: Beleidigungen und Beschimpfungen in Englisch und Spanisch und irgendeine Regel, bei der ich angeblich dazu verpflichtet wäre noch weitere vier Wochen zu bleiben. Dabei ging es ihr nur darum, dass es einfacher für sie wäre, später ein neues AuPair zu suchen. (Ich war AuPair Nummer 3, das seit Sommer die Familie verlassen hat. Spricht auch für sich, oder?) Sie wollte mich nicht mehr dahaben (Okay, kann ich auch verstehen), brauchte jedoch einfach jemanden, der den Job macht. Dass es mir wirklich nicht gut ging und ich einfach alles hinter mir lassen wollte, kam ihr nicht in den Sinn.

In diesem Jahr ist nichts so gelaufen wie geplant. Alles lief schief, angefangen bei dem Flug, der in Boston und nicht in Newark landete. Manches war einfach Pech, aber auch falsche Entscheidungen und meine eigene Unfähigkeit. Trotzdem bereue ich es nicht, am AuPair Programm teilgenommen zu haben,
In meiner ersten Familie fühlte ich mich als Familienmitglied, war immer auf Ausflügen dabei und verbrachte einen tollen Sommer in Virginia. So sollte das AuPair Jahr sein, ich durfte es erleben, wenn auch nur für 3 Monate.
Auch in meiner jetzigen Gastfamilie war nicht alles schlecht. Ich konnte jedes Wochenende nach New York City und hatte mein Gastkind lieb gewonnen. Wenn sie nicht gestresst war, war meine Gastmutter ein völlig anderer Mensch. Man konnte lustige Gespräche führen und wir hatten spaßige Brettspielabende zusammen.

Ich habe in diesem halben Jahr so viel erlebt, gesehen und gelernt. Ich habe viele neue Leute aus allen möglichen Ländern kennengelernt und hoffentlich Travelbuddies und Freunde fürs Leben gefunden. Ich konnte in den "American Way of Life" eintauchen und habe sogar rausgefunden, was ich mit meinem Leben anfangen möchte.

Deshalb an alle, die ein AuPair Jahr oder Auslandsjahr machen wollen: Versucht es! Klar es kann alles schiefgehen, aber das muss es nicht. Selbst ich hatte hier teilweise die Zeit meines Lebens und konnte mir nichts besseres vorstellen.

American Horror Story - Mein Leben als AuPairWhere stories live. Discover now