12. Kapitel - Josephine

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Sein Gesichtsausdruck ist überrascht, als er sich zu mir umdreht. 
"Hallo", sage ich, weil mir gerade einfach nichts einfällt, was ich sagen könnte. 
"Hallo", sagt er und starrt mich nur an. Ich starre zurück und mustere unauffällig sein Gesicht. 
Einen Moment lang schweigen wir beide und schauen uns nur gegenseitig in die Augen. 
"Was ist los?", flüstert er.
Seine Augen leuchten im Licht der Sonne hellblau.
Ich weiß nicht, warum mir das ausgerechnet jetzt auffällt und was das überhaupt für eine Rolle spielt. 
Ich glaube doch sowieso nicht, dass die Augen das Tor zur Seele sind. Ich glaube doch so gut wie nichts, was nicht wissenschaftlich bewiesen ist. Warum eigentlich nicht? Warum glaube ich nicht Einhörner, Feen, Drachen oder Meerjungfrauen? Warum kann ich nicht glauben, dass es sie gibt, obwohl es doch jeder andere tut? 
Warum kann ich nicht dasselbe denken, wie alle anderen auch?
Was sehen die anderen, was ich nicht sehe? 
Oder was sehe ich, was die anderen einfach nicht sehen? 
Wo ist der kleine feine Unterschied? - Wenn es einen gibt.
Mache ich vielleicht irgendwas richtig oder so richtig falsch? 
Ich will es wissen. Nein, ich muss es wissen. 
Vielleicht kann er mir helfen. 
Apropos Er, wie heißt er noch gleich? Es war doch irgendwas mit L. Liam vielleicht? Oder doch Leo? War es vielleicht Luis? 
Warum kann ich mir seinen Namen nicht merken? 
Weil es dich nicht interessiert, sagt eine Stimme in meinen Kopf, die sich noch nie zu Wort gemeldet hat.  
Er hebt die Augenbraue.
Durch meine ganzen Gedanken habe ich seine Frage ganz vergessen. 
"Ich weiß es nicht", sage ich schlicht, weil mir beim besten Willen nicht einfällt, was los ist.
Warum ich gerade vor ihm stehe. 
Obwohl ich schon den ganzen Tag über darüber nachgedacht habe. 
"Es geht um dein Angebot", sage ich, "das, was du mir vor ein paar Tagen gemacht hast. Steht es noch?"
Er hält kurz inne. Ist er überrascht oder überlegt er, wie er mir ganz einfach sagen kann, dass das Angebot nicht mehr steht? 
Jetzt hebe ich eine Augenbraue. 
"Ja, es steht noch", sagt er leise. 
Ich sage nichts. 
"Ich hätte nicht gedacht, dass du ja sagst", sagt er. 
"Das habe ich nicht gesagt", erwidere ich und hebe ein wenig den Kopf. 
Er geht auf meine Erwiderung nicht ein. "Ich muss zugeben, dass ich manchmal davon geträumt habe, dass du quasi zusagt" 
"Träumen ist eine sonderbare Zeitverschwendung, die dabei hilft die Realität zu vergessen", sage ich, aber es rutscht mir mehr raus. Ich schaue kurz zu Boden. 
"Wieso redest du so abstoßend über das Träumen?", fragt er mich und ich schaue ihn wieder an. 
"Es ist nicht gut, die Realität zu vergessen. Dadurch vergessen wir, dass wir sterblich sind", sage ich. 
"Aber ist es wirklich so gut jeden Tag an sein Ende zu denken?", fragt er mich.
"Es ist besser, als den Tod zu vergessen und dann am Ende vom Leben überrumpelt zu werden", sage ich, "Ich hege nämlich die Vermutung, dass wir in einem Moment sterben, in dem wir nicht daran denken. Ich denke nicht, dass man es in diesem Moment weiß"
"Aber immer an den Tod zu denken, nimmt dem Leben seine Magie", sagt er. 
"Das Leben hat keine Magie", entscheide ich. 
"Vielleicht hast du diese Magie ja noch nie erlebt", sagt er, "wenn ja, dann muss dein Leben ziemlich trostlos sein"
Ich schnappe nach Luft. "Wie kannst du es wagen, mein Leben als trostlos abzustempeln, obwohl du doch keine Ahnung von mir hast. Du weißt doch überhaupt nicht wer ich bin!"
"Ja, du weißt es anscheinend ja auch nicht!", sagt er. 
"Nur weil nicht jeder ein rosarote Brille aufhat und wie blöde rumläuft wie du, heißt es ja noch lange nicht, dass derjenige keine Ahnung von sich selbst und dem Leben hat. Denn ich glaube, mein lieber Leo, dass du von allen Menschen am wenigsten Ahnung von allem hast. 
Deine Welt mag so einfach sein, aber das trifft nicht auf jeden zu! Du hast von nichts eine Ahnung. Du bist einfach nur dumm und blind!", entfährt es mir. 
Ich weiß nicht, ob ich es bereue, was ich da gesagt habe, aber ich weiß, dass es ihn anscheinend verletzt hat und dass ich es bereuen sollte. 
In seinem Gesicht spiegelt sich Enttäuschung. 
"Tja, du scheinst auch nicht viel Ahnung von irgendwas zu haben und du bist allemal blinder als ich. Du interessierst dich für nichts außer dich selbst. Man hat es eben wieder gemerkt. Ich heiße Lars nicht Leo und würdest du dich nicht nur auf dich konzentrieren, wüsstest du das. 
Also unterstelle mir nicht, dass ich von nichts eine Ahnung habe. Und glaub mir, du bist so viel blinder als ich.
Also komm aus deinem scheiß Sicherheitsbunker raus und check endlich, dass es etwas gibt, dass sich Leben nennt und dass du jenes gerade verpasst!", schleudert er zurück, dreht sich um und geht. 
Und schon wieder habe ich etwas vermasselt, was vielleicht gut gelaufen wäre.
Aber Lars hat keine Ahnung von irgendwas. 
Doch trotzdem muss ich mir eingestehen, dass er sowas von verdammt Recht hatte, mit seinen Worte. 
Er hat Recht, ich bin so und es wird so bleiben, egal was ich tue und letztendlich werde ich wohl an allem Schuld sein. 
Egal, was ich tun werde.

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So, das nächste Kapitel ist draußen. Ich werde versuchen jeden Tag ein Kapitel hochzuladen, also in dieser Woche. 
Ich muss auch echt sagen, dass es ziemlich viel Spaß macht mit Josephine und Lars Stück für Stück eine Geschichte auszutüfteln. 
Ich habe noch eine Frage: Wer hat ist mehr im Recht, Josephine oder Lars?



Niemals... VielleichtTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang