5. Kapitel - Josephine

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Zusammen mit dem ersten Sonnenstrahl ging ich aus dem Haus. Damit ich mir das nervige Gestreite meiner Eltern nicht anhören musste, die es anscheinend noch immer nicht kapiert hatten, dass es besser wäre, wenn sie sich endlich trennen würden. Ich bin echt nur von dummen Leuten umgeben! In der Schule UND "zu Hause"! Auch dieser neue Mitschüler Louis oder Liam - wie auch immer der hieß - scheint nicht besonders viel Grips im Hirn zu haben. Anstatt sich nämlich am Unterricht zu beteiligen, schaut der Junge mich die ganze Stunde nur blöd an, als wäre ich irgendein spannendes Forschungsobjekt! Das ist Traurig, einfach nur schrecklich traurig! Heute wird ein heißer Tag, trotzdem kommen wir ziemlich ungewöhnlich kleine Fünftklässler entgegen, die dicke Pullis und gefütterte Hosen tragen. Meine Güter, deren Eltern dürften auch nicht so schlau sein! Ich gehe an ihnen vorbei. Sie starren mich fasziniert an, als wäre ich sowas wie Gott. Hoffentlich verraten ihre Gehirnzellen ihnen demnächst, dass ich nur ein ganz gewöhnlich Jugendliche bin und nicht Gott, aber das halte ich für sehr unwahrscheinlich - sind ja schließlich Fünftklässler. Man sollte nicht zu viel erwarten. Ich gehe weiter, an Senioren und einer Gruppe Jogger vorbei. Zum Glück beachtet mich keiner von ihnen, bis auf eine ältere Dame, die ihren Begleiter zu flüstert. "Das muss endlich mal ein anständiges Mädchen sein!" Ja, ich bin anständig und intelligent. Ich betrete das  Schulgelände, alles ist wie ausgestorben, genauso wie ich es mag. Keine nervigen Mädchen, die denken, dass sie wunderschön sind und ihnen alle Jungs zu Füßen liegen. In den meisten Fällen stimmt es nicht - diese können sich eigentlich glücklich schätzen, aber sie tun es nicht und peppen ihr Aussehen weiter auf - in anderen Fällen dagegen stimmt es und das dumme ist, diese Mädchen merken es einfach nicht! Tja, schön aussehen reicht eben nicht. Deshalb bekommen sie ihr Studium nicht gleich geschenkt. Pech gehabt. "Man muss etwas für seinen Erfolg tun" hat meine Mutter immer gesagt und in diesem Fall hatte sich recht, doch wenn es um meinen Vater geht, hat sie den IQ eines Toastbrotes - was eigentlich nicht geht, denn dann wäre sie nicht lebendig. Mein Vater hat eigentlich noch nie etwas Schlaues gesagt. Mein Vater ist ein Versager, er verliert immer wieder seine Arbeit und er hat seit Jahren eine Affäre mit seiner Arbeitskollegin und Mutter ist zu doof um es zu bemerken, dabei weiß ich es, seit ich sieben bin, weil ich gesehen habe, wie sich sich im Bett meiner Eltern vergnügt haben. Meine Mutter sollte vielleicht auch mal eine Affäre beginnen, ihr einer Chef sieht nicht mal so schlecht aus - bis auf seinem schleimigen Blick. Außerdem ist er total scharf auf meine Mutter, dass sieht man an seinem Blick, den er ihr immer zu wirft. Wieso riskiert sie es nicht? Mein Versager von Vater schafft das ja schließlich seit neun Jahren! Nächstes Jahr müssen wir unbedingt Jubiläum feiern! Die Fluren meiner Schule sind noch leer. Das Licht fackelt, als würde jeden Moment ein Geist kommen. Jetzt habe ich endlich Ruhe vor meinem Mitschülern. Ich gehe zu dem Raum, indem wir heute die ersten zwei Stunden haben werden. Vor der Tür sitzt allerdings schon jemand. Louis. - oder war es doch Liam? "Was machst du hier?!", rutscht es mir heraus. "Vor der Tür sitzen und auf dem Lehrer warten", sagt er ruhig. Ja, Dummheit muss anstecken sein und ich habe mich gerade damit infiziert! Ich kann jetzt alles aufgeben, mein Medizinstudium kann ich jetzt vergessen! Nein, jetzt werde ich auch noch wahnsinnig. Ich muss mich zusammenreißen. Ich setzte mich ohne noch ein Wort zu sagen, auf den Boden, soweit wie möglich von ihm entfernt. "Was machst du so früh hier in der Schule?", fragt er mich. Ich schaue ihn nicht an. "Das Selbe könnte ich dich auch fragen, aber da ich keinerlei Interesse an einer Konversation mit dir habe, geht das wohl nicht", sage ich und starre an die Wand mir gegenüber. "Ich habe aber Interesse an einer Konversation mit dir", sagt er. "Schön für dich, aber eine Konversation beruht auf Gegenseitigkeit", sage ich. Ich will nicht mit ihm sprechen. Sein Leben ist mir egal, seine Gefühle sind mir egal, er ist mir egal. Ich will nichts mit ihm zu tun haben. Er ist einfältig, ich bin vielfältig. Oder vielleicht bilde ich es mir nur ein. "Aber nur hier zu sitzen ist doch bestimmt langweilig", meint er. "Das mag für dich so sein", sage ich. Er nickt. " Ich verschwende gerade meine Zeit mit dir, also halt deine einfältige Klappe und lass mich in Frieden!", sage ich und starre weiter stur an die Wand. "Bald sind Sommerferien", stellt er das Offensichtlich fest. Wahnsinn, er verdient eine Auszeichnung! "Du bist kalt. Du findest keine Freude an dieser Welt. Ich will dir helfen" Jetzt redet auch noch mit mir, als wäre ich eine Depressive, die ritzt! Unglaublich, einfach unglaublich! Was bildet sich diese Einfältigkeit eigentlich ein? "Gib mir eine Woche, in den Sommerferien und in dieser Woche wirst du dich im mich verlieben", sagt er. Das hätte er wohl gerne. Ich schüttele entschlossen den Kopf. Der Junge muss wahnsinnig geworden sein! Ich entwickle generell keine romantischen oder freundschaftlichen Gefühle. Die anderen sind mir egal, sie sind nur die Steine auf meinem Weg, die ich überwinden muss. Sie sind nicht von Bedeutung für mich. 

Niemals... VielleichtWhere stories live. Discover now