☆Light - 29☆

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Gegenwart

Ohne weiter darüber nachzudenken, zog sich Jenna in Stephens Arme. Hielt ihn fest umklammert, um sicher zu sein, dass er es wirklich war. Bis sie sich mit leichten Tränen in den Augen von ihm löste und langsam mit Stephens Hilfe vom Tisch aufstand und ihre anderen Freunde in die Arme zog. Andras lehnte im Türrahmen, als Jenna sich von Wong gelöst hatte und wieder neben Stephen zu stehen kam. Er lächelte ihr charmant zu und ja, auch sie freute sich, den Dämon zu sehen. Umso mehr freute Jenna sich darüber, dass die beiden hitzköpfigen Männer sich nicht die Köpfe eingeschlagen hatten. Dennoch überraschte es sie, wie Stephen es geschafft haben muss, sie aus der Hölle zu befreien. Fragend sah sie ihren Freund an und bevor sich überhaupt ihre Lippen bewegten, tauchte wie aus dem nichts eine rothaarige Frau neben Andras auf. Dieser lehnte weiter im Türrahmen und sah zu der jungen Frau hinunter.

"Jenna, ich bin Lethe. Ich habe dich aus der Hölle gezogen. Ich weiß, dass du bestimmt einige Fragen hast und mein Auftauchen mehr als ungewöhnlich ist, doch zuerst muss ich etwas wissen!" Aufgeregt kam Lethe um den Tisch gelaufen und stellte sich dicht vor Jenna. Diese sah den Engel verwundert an, wusste ja nicht, welch ein Wesen dort vor ihr stand. Eine merkwürdige Empfindung ging durch Jenna, als sie in diese wunderschönen blauen Augen sah. Sie strahlten vor Reinheit und gaben der Bändigerin das Gefühl, ihr Vertrauen zu können. Vorsichtig nickte Jenna auf und ab. Spürte Stephens beruhigende Berührung an ihrer Seite und war sich sicher, dass richtige zu tun. "Gut, als ich dich an deiner Schulter gepackt und rausgezogen habe, da stimmte etwas nicht mit dir!", fing Lethe ruhig an zu erklären. Fragend überkreuzte Jenna ihre Arme und neugierig sah Stephen zu dem Engel auf, bevor er nachfragte: "Stimmte etwas nicht mit ihr?"
"Ich kann es schlecht erklären, aber ich kann es euch zeigen." Bevor Lethe weiter sprach, knöpfte sie die Knöpfe an ihrem Arm der hellen Bluse auf und entblößte ihre Haut. Diese zeigte frische Verbrennungen, die durchaus schmerzten, doch der Engel schien ein anderes Schmerzempfinden zu haben.

Verwundert lösste sich der Dämon aus seiner bequemen Haltung und kam vor Lethe zu stehen, um sich ihren Arm genauer anzusehen.
"Als ich deine Seele gepackt habe, hat die gewaltige Energie an meinen Körper gezerrt. Beinah hätte ich dich verloren, aber das ist gerade noch einmal gut gegangen.", schmunzelte Lethe und sah nachdenklich auf ihre frische Wunde.  "Das tut mir leid!", entschuldigte Jenna sich für etwas, wo sie sich keiner Schuld bewusst war. "Schon gut, doch noch nie habe ich so etwas bei einer Seele gespürt. Bitte sag mir einfach, dass du dafür verantwortlich bist!" Ernst blieb der Engel vor Jenna stehen.

"Ich denke, aber ehrlicherweise weiß ich selbst noch nicht, wie ich das gemacht habe. All der Hass, meine Angst und die Sorge gebündelt in einem Angriff, es war gewaltig und gleichzeitig so beängstigend.", stammelte Jenna aufgebracht. Auch wenn sie wenige Minuten zuvor aus der Hölle gezogen wurde, waren ihre Erinnerungen schwammig. Beinah, als würde ihr Verstand sie absichtlich schützen, sodass Jenna nicht einmal beantworten konnte, wie lange sie tatsächlich in der Hölle gefangen war. Erleichtert, fast glücklich schien Lethe über Jennas antwort zu sein und auch die Bändigerin verstand, dass diese eindeutige Pläne mit ihr hatte. Jenna musste allen Anwesenden sofort die Luft aus den Segeln nehmen. Die anderen durften nicht davon ausgehen, dass es selbstverständlich war, dass sie diese Energie noch einmal formen konnte. Es war nicht gelogen, sie wusste wirklich nicht, was sie in diesem Moment anders gemacht hatte. Sie war in der Hölle gewesen, niemand hier konnte ahnen, wie es sich für Jenna angefühlt hatte. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit und die Angst Stephen nie wiederzusehen, waren die einzigen Empfindungen, die ihr augenscheinlich im Gedächtnis geblieben waren und diese fühlten sich schrecklich an. Erst jetzt bemerkte sie, wie anstrengend der Kampf ums Überleben tatsächlich für sie war.

Erschöpft brach Jenna im Reden ab und lehnte sich gegen Stephens Brust. Die erste Erleichterung und damit entstandene Freude ihrer seits verschwand komplett und im Augenblick wünschte sie sich nichts Sehnlicheres, als einfach zu verschwinden. "Ich weiß, dass es unfassbar schwer für dich sein muss, doch wir haben jetzt keine Zeit, uns auszuruhen." Lethe erfasste als Erste das Wort und sah streng zwischen den Gesichtern der anderen hin und her. Stephen hatte behutsam seinen Arm um die erschöpfte Bändigerin gelegt und sah nachdenklich zu dieser hinunter. Jenna ging es alles andere als gut. Doch der Engel hatte recht, jetzt war definitiv der falsche Zeitpunkt. Zärtlich rüttelte der Magier seine Freundin zu Verstand, da diese erschöpft ihre Augen geschlossen hatte. "Sie ist zu erschöpft, tue es einfach! Ich weiß doch, dass du das kannst.", mischte Andras sich ein und sah zu Lethe. Stephen zog neugierig seine Stirn in Falten. Die beiden verstanden sich erstaunlich gut, was interessant war, denn er war immer davon ausgegangen, dass Dämonen und Engel sich hassten. Wie zwei Gegensätze standen die beiden im Raum und trotzdem lag da etwas zwischen ihnen in der Luft. Etwas, was Stephen sich noch nicht erklären konnte, genau wie die Tatsache, ob er dem Engel tatsächlich so vertrauen konnte, wie sein Körper es ihm vorspielte. Dennoch, auch wenn er den Gedanken weit in seinem Kopf verdrängte, war er dem Dämon dankbar gewesen und ja, vielleicht würden sie sich wirklich irgendwann verstehen können. Zumindest, wenn Andras sich aus seiner Beziehung heraushielt.

„Du hast recht.", holten Lethes Worte den Magier aus seinen Gedanken. Der Engel kam mit ausgestreckter Hand auf Jenna zu gelaufen, bis Stephen schützend seinen Körper zwischen den beiden drehte. "Hey, was soll das werden?" Stephen griff Lethe am Handgelenk und hielt ihren Arm fest umklammert. „Du musst mir vertrauen, ich kann ihr helfen." Lethes blaue Augen sahen den Doktor aufrichtig an und zum ersten Mal sah dieser fragend zu dem Dämon. Ja, Stephen wollte tatsächlich Andras um Rat bitten. Verwundert löste der Dämon sich aus seiner lockeren Position, zog seinen Anzug gerade und lächelte dem Magier in seinem typischen charmanten Lächeln zu. Ein Grinsen, welches Stephen hasste und ihn veranlasste, die Augen zu verdrehen. Doch als er hinunter zu Jenna sah, wusste der Doktor, dass er keine andere Wahl hatte. Er musste den beiden vertrauen, auch wenn es ihm unglaublich schwerfiel.

Stephen lockerte seinen Griff um die junge Frau und gab ihr somit sein Einverständnis. Lethe lächelte ruhig und positionierte ihre flache Hand auf Jennas Stirn. Diese sah verwundert zu der rothaarigen Frau auf, als sie die weißmagische Kraft vernahm, die ihren müden Körper mit neuer Energie versorgte und die Bändigerin über beide Ohren anfing zu strahlen. Stephen spürte, wie in Jennas Griff die Kraft zurückkehrte und wie ein neuer Mensch, löste diese sich aus seinem Halt und streckte ihren Rücken gerade.
„Danke." Jennas Augen leuchteten die rothaarige Frau vor sich an und bevor Lethe sich versah, zog die Bändigerin sie in eine herzliche Umarmung. Jenna war diesem Wesen mehr als dankbar und hatte aus ihrem Bauch heraus entschieden. Verwundert wusste Lethe im ersten Moment nicht, wie sie die Geste auffassen sollte, doch als sie die Dankbarkeit spürte, lehnte sie vorsichtig ihre Arme um Jenna. Stephen strich sanft über Jennas Rücken, als diese sich von dem Engel gelöst hatte und mit leichten Tränen in den Augen sah sie ihren Freund an.

„Oh Stephen." Liebevoll strich Jenna über seine Wange und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Hingebungsvoll erwiderte er ihre Geste und küsste anschließend ihre Stirn. Zog sie an sich, um ihr das Gefühl zu geben, sie nie wieder gehen zu lassen, auch die letzten Stunden waren für ihn die Hölle gewesen.

Unauffällig hatten alle Anwesenden den Raum verlassen. Auch wenn es ein kurzer Moment war, wussten alle, wie dringend die beiden die gemeinsame Zeit brauchten.

Nachdenklich kam Andras vor einem der großen Fenster zu stehen und blickte nach draußen. Beobachtete die Menschen, wie einige gestresst und die anderen entspannt durch die Straßen liefen. Mit den Händen in der Anzugtasche drehte der Dämon sich um, als er den Engel hinter sich spürte. Grübelnd musterte Lethe den Mann, mit dem sie damals diese verbotene Beziehung geführt hatte, doch diese Zeit war schon lange vorbei.
„Glaubst du nur, weil du plötzlich aufgetaucht bist und ihr hilfst, werde ich alles was war vergessen?", monoton sprach der Dämon, während er dem Engel nicht mal ein Blick schenkte. „Andras, dass damals, ich hatte einfach Angst.", fasste Lethe sich kurz. Der Dämon belächelte ihre Aussage, als er sich wieder zu ihr umdrehte und elegant auf sie zu kam. Jedoch blieb er mit genügend Abstand vor ihr stehen. Er musterte sie schweigend und seine stechend weißen Augen verunsicherten Lethe erneut, bis Andras Blick sich von ihr löste. „Du hast mir damals gezeigt, dass Gefühle einen nur schwach machen und dennoch bin ich wieder darauf hereingefallen. Fast schon lächerlich, wenn man mal drüber nachdenkt.", murmelte Andras und überspielte damit seine Verwirrtheit. „Du hast mich nie geliebt, nicht so wie du dieses Mädchen liebst. Ich sehe doch, wie du sie ansieht." Lethe näherte sich dem Dämon und unfreiwillig sah er den Engel neben sich an. Sie spürte dessen Schmerz hinter seinen kalten Augen. „Ich habe dich geliebt, Lethe. Bis zu diesem Tag." Bevor der Engel etwas erwidern konnte, flüchtete der Dämon in seine geliebte Dunkelheit. Er verschwand und ging der unangenehmen Situation aus dem Weg. Schwer musste der Engel schlucken und fasste sich verwundert an die Brust. Viel zu lange schon hatte sie nicht mehr an ihn denken müssen, wollte ihre Gefühle nicht mehr zulassen. Doch wie damals war der Dämon die große und einzige Ausnahme, die den Engel durcheinanderbrachte.

Light (Dr.Strange FF - Buch 2)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن