☆Light - 38☆

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Kalter Dunst umschlug Jennas Glieder, als die Bändigerin mit einer Gänsehaut auf ihrem Körper die Augen öffnete.
Knöcheltief stand sie in einem aus schwarzen Wasser bestehenden See und die triste Umgebung erhellte sich durch die Spiegelung ihres eigenen Selbst auf der Oberfläche. Verwundert drehte die Bändigerin sich um. Einfach nur um sicher zu sein, dass ihr niemand gefolgt war. Doch wer hätte ihr folgen sollen? Niemand hätte ahnen können, wo Jenna sich gerade befand, denn sie wusste es selbst nicht einmal.
Ihre Gedanken waren schleierhaft, als sie sich krampfhaft versuchte zu erinnern, wie sie hier her gekommen war. Tief im Innern wusste sie die Antwort, doch ihr Verstand versuchte ihren Geist zu schützen, um sie nicht wahnsinnig werden zu lassen. Wahnsinnig, das war das Stichwort, als sie von Weitem eine Gestalt näher auf sich zu Schweben sah. Eine Gestalt, die nicht hätte hier sein dürfen und dennoch direkt vor ihr zu stehen kam.

"Stephen?", wisperte Jenna vorsichtig und fragend legte dieser seinen Kopf in den Nacken, während die junge Frau sich räusperte und ihre Worte mit mehr Kraft wiederholte. Ein verschmitztes Lächeln umspielte Stephens Gesicht.

"Was machst du hier?" Verwundert lief Jenna näher auf Stephen zu. "Was machst du hier?", erwiderte er ihre Frage und verunsichert blieb die Bändigerin stehen, um sich erneut um zu sehen. Er ist es nicht! - ertönte Mareks Stimme flüsternd in Jennas Gedanken und fragend zog sie ihre Augenbrauen tiefer ins Gesicht. Stephen lachte laut auf, als er ihre Zweifel sah.

"Ich weiß es nicht. Ich war gerade noch-." Lichtblitze flammten in Jennas Erinnerung auf. Bilder aus der Hölle, wie sie mit Andras und Stephen gegen den Kriegsdämon gekämpft hatte und wie schließlich alles um sie herum schwarz wurde. Taumelnd umfasste Jenna ihre Schläfen. Die Bilder in ihrem Kopf brannten sich in ihrem Schädel fest. Irgendetwas oder irgendjemand, ja, irgendwer hat sie an der Schulter in die Finsternis gezogen. War es etwa? - bevor Jenna den Gedanken zu Enden führen konnte, schärfte sich ihr Blick, da Stephen sie lachend aus der Erinnerung zurückholte.

"Liebling, du weißt es wirklich nicht mehr? Komm zu mir, ich warte schon die ganze Zeit auf dich!", forderte der Magier Jenna auf und wie in Trance tat sie mehrere Schritte auf ihren Freund zu. Wieder ertönte Mareks Stimme in der Bändigerin, doch es war, als würde eine unsichtbare Kraft ihr Inneres blockieren, vernahm sie seine Stimme so schleierhaft, dass sie nicht einmal verstand, was er zu ihr sprach.
Langsam schwebte der Magier zu Boden, sodass auch er mit den Füßen in dem schwarzen See eintauchte. Anders als bei Jenna hinterließ Stephen keine Spiegelung auf dem kühlen Nass, doch wie besessen wandte die junge Frau ihren Blick nicht von seinem Gesicht ab. Verschmitzt senkte Stephen seinen Blick, als Jenna nur noch wenige Schritte entfernt vor ihm anhielt.
Stopp! - ertönte Mareks Stimme laut in Jennas Kopf und für einen kleinen Moment löste die Bändigerin sich von Stephens hypnotisierenden Augen.

"Was machst du hier?", murmelte Jenna an sich selbst gerichtet, als sie feste ihren Kopf schüttelte und wieder sie selbst zu sein schien. Die junge Frau wich mehrere Schritte von ihrem Freund zurück.

Sein Gesicht, seine Augen, seine Bewegungen, die Art, wie er lächelte und den Kopf auf die Seite legte, während er sie betrachtete, unzweifelhaft das war Stephen. Nur das Lächeln selbst war anders. Es fand keinen Weg hinauf zu seinen Augen, die kalt und rot schimmerten wie der blutrote See, den Jenna krampfhaft versuchte zu verdrängen.
Rot, Stephen hatte blaue Augen! Das vor ihr war nicht Stephen!

Während die Gestalt, die aussah, wie ihr Freund, weiter auf sie einredete, blickte sich Jenna hilfesuchend um. Stephens Gestalt lachte auf und erntete erneut die Aufmerksamkeit der jungen Frau.

"Liebling, möchtest du mich nicht etwa begrüßen? Mich in die Arme nehmen?", fuhr Stephen fort und näherte sich zwar langsam, aber deutlich Jenna. Diese allerdings spiegelte seine Bewegungen und trat in entgegengesetzter Richtung einen Fuß nach dem anderen zurück.
Angespannt verlagerte die Bändigerin ihr Gewicht und blieb stehen. Die Gestalt vor ihr lächelte und beinah hätte Jenna ihren Geist erneut in diese hypnotisierenden roten Augen verloren.
"Du bist nicht Stephen!", konfrontierte sie das Wesen vor sich. Nachdenklich legte Stephen seinen Kopf zur Seite, bis er süffisant zu lächeln begann.

"Ach nein?", sprach die Gestalt in einer unmenschlichen Stimme.
"Deine Augen haben dich verraten, Luzifer!" Ernst ließ Jenna den Teufel keine Sekunde aus den Augen. Luzifer lachte laut auf und Stephens Körperform verschwand, wandelte sich und vor ihr stand nun er selbst, der Teufel.

Bevor Jenna überhaupt reagieren konnte, packte Luzifer sie am Hals und schnürte der Frau die Luft ab. Panisch umklammerte sie seinen Arm, während der Druck durch das gestaute Blut in ihrem Kopf immer größer wurde. Sterne flimmerten vor Jennas geistigem Auge und die Versuche, auch nur einen Funken zu entzünden, scheiterten vergeblich. Das wars, weit und breit war kein Stephen, kein Andras oder sonst wer der ihr jetzt helfen konnte. Auf eine so lächerliche Art und Weise würde sie ihr Leben lassen.
Doch auch sie war nur ein Mensch und machen wir uns nichts vor, die Idee, den Teufel zu besiegen, war von Anfang an dumm gewesen. Wie sollte sie das alleine schaffen?
Sie spürte es deutlich, dieses Gefühl. Das Gefühl des Scheiterns, wie ihre Hoffnung den Körper verließ. Die Hoffnung, das Böse zu bekämpfen. Die Hoffnung, das Stephen und Andras noch am leben waren. Mit letzter Kraft streckte Jenna ihre Hand zu Luzifer aus. Der Versuch, ihn von sich wegzudrücken, war allerdings vergeblich. Beinah sanft ruhte ihre Hand auf dessen Wange und als ihre Fingerspitzen die Narbe berührte, die Jenna dem Teufel einst zugefügt hatte, durchfuhr eine ihr vertraute Stimme ihre Sinne.

"Vertraue dem Licht. Es ist wichtig, dass du an dich glaubst, wie wir an dich glauben!", benebelt aber dennoch deutlich vernahm Jenna Mareks Stimme in ihrem Kopf. Dem Licht? Mir selbst vertrauen? "Du bist zu so viel mehr fähig, du bist niemals alleine! Vertraue dem Geist, der dich leitet, gutes zutun." Erneut wieder die Stimme des alten Bändigers.

Sie hatten recht, sie alle. Immer wieder stand Jenna sich selbst im Weg. Alle legten Hoffnung in sie. Sogar Stephen wusste, dass Jenna zu so viel mehr fähig war. Nur sie selbst traute sich nie etwas zu. Stephen, Andras, diese Verbindung von Tag eins, die sie bei beiden Männern gespürt hatte. Sie hatte sich selbst blockiert, dass eine nicht einsehen wollen und dennoch war es so. Sie liebte beide!
Sie sehnte sich nach beiden. Die Dunkelheit existiert nicht ohne das Licht und ohne die Elemente existierte kein Gleichgewicht. Sie hielt beide Welten zusammen, sie müsse die Kraft besitzen, einen der beiden zurückzudrängen. Aber nicht zu zerstören! Nein, zerstören würde nicht funktionieren und die Welt nur ins Chaos stürzen. Dennoch wusste sie, Luzifer war zu gefährlich. Sollte sie ihn töten, brauchte es einen neuen Anführer der Hölle. Einem Führer, dem sie vertrauen konnte.
Vertrauen erst müsse sie sich selbst vertrauen. Die Kraft, die an ihrem Körper gebunden war, sie musste eins werden, sich leiten lassen von der Energie. Schon einmal hatte sie Luzifer verletzen können, woher also kamen immer diese Zweifel?

Es begann mit einem Glühen in ihren Fingerspitzen und für einen kurzen Moment lockerte der Teufel verwundert seinen Griff um Jennas Hals. Er spürte die aufkommende Hitze an seiner Haut und auch wenn das Feuer nur einem leichten Kerzenflackern nah kam, brannten ihre Finger höllisch auf seinem Gesicht. Nein, diesmal würde er keine Zeit verlieren. Er würde sie töten und zwar auf der Stelle!

Im selben Moment, als er Jenna mit einer spielerischen Bewegung das Genick brechen wollte, leuchtete der Körper der jungen Frau auf und unter schmerzverzehrenden Schreien musste der Teufel Jenna loslassen. Das Licht brannte in seinen Augen. An seiner Hand und seinem Gesicht, wo die Bändigerin ihn zuvor berührt hatte, brannte ihm das Fleisch von den Knochen.

Bei Jenna hingegen wirkte der Schleier von reiner Energie ganz anders. Die Wärme des Lichts hüllte sie ein, sie konnte sie förmlich spüren und mit einem Mal wusste Jenna, dass auch das Gute eine Substanz war. Etwas, was die Dinge ändern konnte, bessern konnte. Ihr Körper gewann an unglaublicher Kraft und jetzt wusste sie, dass sie weiter kämpfen würde. Ja, sie würde nicht aufgeben, niemals! Sie würde der Hölle entgegentreten. Sie war bereit. Es wurde Zeit, dass sie für Gleichgewicht in dieser Welt sorgen würde!

Light (Dr.Strange FF - Buch 2)Where stories live. Discover now