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Nach dem Gespräch mit dem Rektor, ist der Unterricht bereits vorbei und ich beschließe nur noch meine Sachen zu holen und dann direkt nach Hause zu fahren. Als ich im Klassenzimmer ankomme, sind meine Sachen aber nicht mehr da. Ich gehe in den Raum und sehe mich um, aber ich finde sie nirgendwo.

Es ist unwahrscheinlich, dass jemand aus meinem Kurs sie mitgenommen hat, denn bis heute war ich nahezu unsichtbar. Ich habe mich aus allem herausgehalten und rede nicht viel. Meine Pausen verbringe ich allein im Wald, weil ich da meine Ruhe habe. Mir fällt also niemand ein, der meine Sachen mitgenommen haben könnte.

Weil mir nichts Besseres einfällt, gehe ich zu meinem Spind, um dort mein Handy zu holen. Kurz bevor ich ankomme, kommt mir ein braungelocktes Mädchen entgegen.
Es ist Zoey, sie ist die Schülersprecherin, glaube ich. Was mich aber verwirrt ist, dass sie meine Sachen mit sich herumträgt. Bevor ich mich fragen kann warum sie meine Sachen mitgenommen hat und woher sie weiß wo mein Spind ist, beginnt sie auch schon sich zu erklären.

„Hey, Emily, richtig oder?"

Ich nicke nur verwirrt.

„Hier, ich habe deine Sachen, deine Lehrerin meinte, ich soll sie dir ins Büro vom Direx bringen, aber du warst schon weg, da dachte ich, ich schau mal hier nach und da bist du ja", sagt sie und ich kann meinen Blick nicht von ihren strahlend grünen Augen wenden.
Ich habe vorher noch nie mit Zoey geredet, sie ist in meiner Kursstufe, aber ich rede ja allgemein nicht viel. Sie scheint jedenfalls ganz nett zu sein.

„Danke", sage ich und schließe meinen Spind auf, um mein Handy herauszuholen und in meine Hosentasche zu stecken.

„Kein Problem", meint Zoey und verschwindet so schnell wie sie aufgetaucht ist wieder.

Ich ziehe meinen Rucksack auf und merke wie mein Blick wieder verschwimmt.

Nicht jetzt!

Ich halte mich an meiner Spind Tür fest. Hier und jetzt einzuschlafen wäre fatal für meine kostbare Unsichtbarkeit. Ich wäre das Gesprächsthema Nummer eins.
Das im Unterricht heute war ja schon nicht gerade vorteilhaft, aber wenn ich jetzt mitten im Gang einschlafe, in dem es nur so vor Schülern wimmelt, war's das mit dem unauffällig sein.

Ich gehe mit etwas wankenden Schritten in den nächstbesten Klassenraum, werde aufgrund meines wackeligen Schrittes auch schon schief beäugt und setze mich vorsichtshalber auf einen der Stühle.
Mein Blick verschwimmt wieder und ich sehe das Bild. Diesmal einen Augenblick länger, aber nicht lang genug um zu erkennen was es zeigt.
Noch während ich einschlafe spüre ich ein brennen an meinem linken Oberarm.

Als ich wieder aufwache, weiß ich nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Den Stimmen im Gang nach zu schließen, wahrscheinlich nicht sehr viel. Ein Blick auf die Uhr bestätigt meine Vermutung. Nicht mal drei Minuten.
Ich stehe auf und beschließe so schnell wie möglich nach Hause zu fahren, bevor ich noch mitten auf dem Weg einschlafe.

Zu Hause angekommen gehe ich die Treppen in mein Zimmer hoch und werfe meinen Rucksack in die Ecke. Es ist kein großes Zimmer, es hat gerade genug Platz für einen Schreibtisch, einen Kleiderschrank, ein Bett und einen Sitz Sack, auf den ich mich jetzt fallen lasse.
Ich nehme eines meiner Bücher, das extra auf einem Stapel neben meinem Sitz Sack bereitliegt und lese ein wenig.

Mein Buch handelt von einer Welt, in der es Magie gibt, Magikalie um genau zu sein. Diese Welt kommt mir immer wie ein Traum vor.

Jeden Tag tauche ich in meine Bücher ein und wandle in anderen Sphären. Ich liebe es zu lesen und mir vorzustellen ich wäre ein Teil der Geschichte. Außerdem ist das eine willkommene Ablenkung vom heutigen Tag. Wenn ich hier wieder einschlafen sollte, wäre es zum Glück auch nicht so schlimm.

Nach etwa einer Stunde ruft meine Mutter mich und meinen Bruder zum Mittagessen. Als ich unten ankomme, ist das Essen zwar noch nicht fertig, aber das macht nichts.

„Was hast du denn gemacht?", fragt meine Mutter mit einem besorgten Blick und deutet auf meinen linken Arm, während ich gerade die Teller aus dem Schrank hole. Mein Blick folgt ihrer Geste und ich entdecke eine Narbe an meinem Arm. Das seltsame an der Sache ist nur, dass sie nicht aussieht wie eine normale Narbe. Sie ist Z-förmig.

„Weiß nicht", sage ich und streife meinen Ärmel wieder über die Narbe, nachdem ich die Teller auf dem Tisch verteilt habe.
„Das ist wie mit den blauen Flecken, bei denen weiß man auch nie woher sie kommen", sage ich noch einmal zur Beschwichtigung.

Ich habe nämlich einen Verdacht. Als ich das letzte Mal eigeschlafen bin, hat es an genau dieser Stelle gebrannt. Ich wüsste zwar nicht, woran ich mich verbrannt haben könnte, aber das ist die einzige Erklärung, die irgenwie, wenn auch auf eine seltsame Weise, Sinn ergibt. Außerdem möchte ich nicht dass meine Mutter sich unnötig Sorgen macht.

Beim Essen haue ich wie immer rein. Ich kann unglaublich viel essen und mache das auch gerne, auch wenn ich dafür meistens verwunderte Blicke ernte.
Ich sehe anscheinend nicht so aus, als wäre ich ein Vielfraß.

Als ich gerade meinen Teller aufräume, verschwimmt meine Sicht wieder.

Das ist das vierte Mal heute!
Schnell stelle ich meinen Teller ab und laufe hoch in mein Zimmer. Kaum schließe ich die Tür hinter mir, fallen mir auch schon die Augen zu.

Ich sehe vier Gestalten:
Drei Jungen und ein Mädchen, sie sind alle älter als ich. Bei genauerem Hinsehen, stelle ich fest, dass ich sie alle kenne.
Das braungelockte Mädchen mit den strahlend grünen Augen, ist Zoey und Elias, der grauäugige, mit den blonden kurzen Locken. Beide habe ich heute in der Schule getroffen.
Die Zwillinge kenne ich aus der Nachbarschaft, sie gehen nicht auf meine Schule, ich glaube sie heißen Jaron und Joel. Doch wir alle haben eines gemeinsam: Ein leuchtendes Z auf dem linken Oberarm. Bei den Zwillingen leuchtet es in Grün, bei Zoey in Rot, bei Elias in Weiß und bei mir in Blau.

Das Licht wird immer heller, bis ich schließlich nichts mehr erkennen kann.

Auf einmal halt es immer wieder die Worte "Zirkel" und "Zirkenia".

Die Worte verstummen plötzlich, das Licht lässt nach und ich sehe eine Hütte, die aus einem Berg ragt. In dem Haus ist eine Tür und ich weiß diese Tür ist eine besondere Tür.
Ich weiß nicht wie oder wo, aber ich muss sie finden. Und ich weiß auch, dass die Anderen, die ich gesehen habe, das gleiche Gefühl haben. Ich bin mir sicher, dass ich sie wiedersehen werde.

„Emily!"

Ich schlafe.

Nein, ich habe geschlafen! Jedenfalls habe ich das, bis meine Mutter mich geweckt hat. Ich sehe auf meine Uhr und stelle entsetzt fest, dass es sechs Uhr morgens ist! Ich habe fast 14 Stunden geschlafen. Heute ist Freitag, der letzte Schultag vor den nächsten Ferien. Schnell stehe ich auf und mache mich für die Schule fertig.

Ich muss die ganze Zeit über meinen Traum nachdenken, im Bus, den kurzen Weg von der Haltestelle bis zur Schule. Der Unterricht lenkt mich ein wenig ab, doch so wirklich vergessen, kann ich den Traum nicht. Immerhin scheine ich heute nicht von plötzlichen Müdigkeitsattacken geplagt zu werden.
Der Unterricht verläuft ereignislos bis zur vierten Stunde. Mir ist langweilig und ich schlage meinen Block auf um darauf herumzukritzeln, als ich die Seite von gestern sehe. Das Bild ist verschmiert, aber ich bin mir trotzdem sicher.
Ich habe die Hütte gezeichnet. Dieselbe Hütte, von der ich letzte Nacht geträumt habe. Und mir wird jetzt auch bewusst, was für ein Bild ich die ganze Zeit gesehen habe. Es war genau dieses kleine hölzerne Häuschen.

Es fühlt sich so verrückt an, aber irgendwie auch richtig. Da merke ich, was genau ich in diesem Moment fühle.

Ich spüre Heimweh nach der Tür!

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Falls jetzt jemand Lust auf die Welt mit der Magikalie hat, die in diesem Kapitel kurz erwähnt wurde (als Buch das Emily gerne liest), diese Welt gehört in "Die Sumpflochsaga" von meiner Lieblings Autorin Halo Summer.
Hust hust *unbezahlte Schleichwerbung* hust hust

Zirkenia - Die Macht der ElementeWhere stories live. Discover now