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Während ich renne, laufen mir die Tränen übers Gesicht. Ich renne durch das riesige Stadttor, direkt in den Wald. Ich höre eine dumpfe Stimme meinen Namen rufen, aber es fühlt sich an, als wäre sie weit weg. Das dornige Gestrüpp reißt Löcher in meine Kleidung und verpasst mir einige Kratzer. Ich stolpere mehrmals fast über Wurzeln, die aus dem Boden ragen, aber ich renne einfach weiter. Ich will einfach nur weg von hier, am liebsten zurück zu meiner Familie. Ich laufe immer tiefer in den Wald, bis ich nicht mehr weiter rennen kann und mich irgendwann einfach auf meine Knie fallen lasse und einfach nur still dasitze. Ich spüre mein Herz wie wild gegen meine Brust hämmern und merke wie es sich langsam wieder beruhigt. Ich kralle meine Finger in den Boden und spüre etwas Weiches, wahrscheinlich Moos. Durch mein Element fühle ich jeden einzelnen Tropfen Wasser um mich herum. Irgendwo hier in der Nähe muss ein kleiner Bach sein. Wieder nehme ich eine Stimme war, nur diesmal scheint sie nicht mehr so weit weg zu sein. Auch wenn diese Stimme meinen Namen ruft reagiere ich nicht darauf. Ich will gerade allein sein. Ich will nachdenken. Ich glaube kaum, dass die Wächter uns wirklich festhalten würden, wenn wir versuchen zu gehen. Wir können ihnen auch nicht erklären, warum wir auf einmal gehen wollen. Sie wollen nicht, dass wir die Steine vereinen, da werden sie wohl kaum begeistert sein wenn wir ihnen verkünden, dass wir sie zerstören wollen. Mir läuft eine einzelne Träne über die Wange. Keine Träne der Trauer, nein, es ist eine Träne der Wut. Wut, weil ich belogen wurde. Wut, weil sich alle auf mich verlassen. Wut, weil ich trotz sechs neuer Freunde, die wie ich sind, immer noch allein bin.
„Emily!" jetzt höre ich es ganz deutlich. Es ist Elias Stimme. Schnell wische ich mir die Träne weg. Ich drehe mich noch während dem Aufstehen um und starre Elias direkt ins Gesicht.
„Ist alles in Ordnung?", fragt er mit einem besorgten Blick.
„Mir geht es gut", lüge ich „Ich wollte nur allein sein."
„Es ist nicht gut, wenn man all die Wut in sich hineinfrisst", er starrt mich aus seinen grauen Augen an. Trotz der grauen Farbe, strahlen sie eine unfassbare Wärme aus und passen genau in sein perfektes Gesicht.
Moment, was?
„Möchtest du darüber reden?", er kommt einige Schritte näher. Ich schüttele nur den Kopf,
wie immer. Wieder läuft mir eine Träne über die Wange. Wieder ist es eine Träne der Wut
und wieder schweige ich trotzdem.
„Lass uns zurück zum Palast gehen", bitte ich ihn und gehe in die Richtung aus der ich glaube, gekommen zu sein.
„Der Palast ist in der Richtung!", lacht Elias und deutet neben sich.
„Das wusste ich..." schnell gehe ich in die richtige Richtung, um zu überspielen, wie rot mein
Gesicht geworden ist. Sowas passiert mir aber auch jedes Mal! Elias holt mich aber so schnell ein, dass er die Rötung nicht übersehen haben kann. Er spricht mich aber freundlicherweise nicht darauf an, sondern fragt noch einmal, ob ich nicht doch darüber reden will. Ich kenne ihn mittlerweile gut genug um zu wissen, dass er so schnell nicht aufgeben wird. Vielleicht hat er ja recht? Vielleicht hilft es ja wirklich darüber zu sprechen.
„Also gut!", lenke ich ein „Aber nur wenn du dann endlich Ruhe gibst!"
Als Antwort bekomme ich ein schlichtes Nicken, dass auch von mir hätte stammen können.
„Weißt du, ich steh nicht gern im Mittelpunkt und ich rede nicht gern. Das heißt, ich rede schon gern, nur rede ich nicht so viel..." mir entfährt ein leiser Seufzer „Das wisst ihr ja bereits"
„Ja, das wissen wir. Aber nicht warum"
„Ich hab die Erfahrung gemacht das es niemanden interessiert was ich zu sagen habe. Wenn ich etwas sage hört niemand hin, oder es wird absichtlich überhört. Aber am schlimmsten ist es, dass mir so jedes Mal deutlich gemacht wird, dass ich nicht dazugehöre und auch, dass niemand vorhat mich aufzunehmen. Deswegen versuche ich es gar nicht erst..." schnell weiche ich seinem Blick aus und starre auf den von Laub bedeckten Weg, auf dem wir hoffentlich zurück zum Palast kommen.
„Ich glaube nicht, dass dir hier sowas passieren wird. Alle vergöttern dich! Außerdem höre ich dir gern zu...", er wuschelt sich mit der Hand durch seine blonden Locken und es fallen einige Blätter heraus. Die meisten bleiben aber stecken.
„Bist du mir hinterhergeflogen?", frage ich belustigt. Wären nicht die Blätter in seinen Haaren wäre mir das nicht aufgefallen. Er ist viel größer wie ich und hätte mir deshalb nicht so schnell durch das dornige Gestrüpp folgen können. Außerdem hätten seine Klamotten genauso zerrupft wie meine sein müssen, aber sie sehen aus wie neu. Da ist fliegen natürlich die bessere Wahl. Kein Wunder war er so schnell. Er grinst als Antwort.
„Weißt du was? Wenn du mir denn Rest erzählst fliegen wir zurück, und müssen nicht durch die Dornen", sagt er. Noch während ich überlege, ob ich das überhaupt für eine gute Idee halte, sprudeln die Worte schon aus mir hinaus.
„Ich hasse es belogen zu werden, vor allem wenn mich jemand belügt dem ich vertraue. Alea hat zu mir gesagt das es egal ist, wie ich mich entscheide und jetzt sitzen wir hier angeblich fest! Denkst du wirklich sie lassen uns nicht zurück nach Hause?"
„Ich denke wir finden einen Weg!", sagt Elias.
„Und weil ich keine Lust hab diesen Weg zu gehen", meint er und deutet auf den dornigen Pfad vor uns „Fliegen wir den restlichen Weg zurück!"
Schon packt er mich mit seinen kräftigen Armen und mir bleibt nichts anderes übrig, als die Luft anzuhalten und mich an ihm festzukrallen. Ich will gerade wieder anfangen zu atmen, da bleib mir die Luft auch schon wieder weg. Die Aussicht ist Atemberaubend! Wir fliegen über ein Meer von Bäumen hinweg auf den Sonnenaufgang zu. Unter uns. Eine Stadt die aus dem Mittelalter kommen könnte. Dieses Bild könnte aus dem kitschigsten Liebesfilm stammen. Als wäre das alles nicht schon genug, erscheinen am Horizont jetzt auch noch die Türme des Palastes. Als ich merke wie sehr ich meine Finger in Elias gekrallt habe lockere ich meinen Griff kaum merklich. Mich wundert es, das er sich nicht beschwert hat, dass muss bestimmt weh getan haben. Der erste Schreck ist überwunden und jetzt kann ich den Flug richtig genießen. Ich spüre wie der Wind durch meine Haare weht und fühle mich seltsam frei. Ich vergesse für diesen Moment all meine Sorgen und Unsicherheit und fühle mich einfach nur wohl in der Luft und Elias Armen. Aber auch der schönste Moment dauert nicht ewig und so steuert Elias auch schon auf ein Fenster zu. Wir fliegen hindurch und landen. Elias lockert seinen Griff um mich. Ich lasse etwas zu früh los und falle etwa einen halben Meter auf dem harten Boden, noch während ich mein Gleichgewicht verliere greife ich nach Elias, der offensichtlich nicht damit gerechnet hat. Ich versuche mich an ihm festzuhalten, bringe ihn aber nur zu Fall. Ich lande ungeschickt auf ihm und starre ihm direkt in seine grauen Augen. Ernsthaft, wieso passiert mir sowas immer?
Peinlich berührt, wie ich bin, stehe ich natürlich nicht sofort auf, sondern sehe ihn nur weiter an. „Gut gefangen!" grinse ich ihn an und versuche das Beste aus der Situation zu machen.
„Immer wieder gern", meint Elias macht aber nicht die geringsten Anstalten aufzustehen. Mir der Situation jetzt viel bewusster, dass ich noch immer auf ihm liege stehe ich schnell auf.
„Danke für den Flug", sage ich und fliehe dann so schnell ich kann in mein Zimmer. Da ich so schnell aufgestanden bin, schwanke ich noch kurz gegen die Wand fange mich dann aber zum Glück relativ schnell wieder. Das war ja mal wieder eine Glanzleistung. Besser hätte es nicht schieflaufen können. Wieso muss ich auch so tollpatschig sein?

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Achtung Kitsch Gefahr!
Ich weiß das kommt hier etwas spät aber was solls...
Danke fürs lesen :)
Und erst Recht fürs Voten

~Aurelia

Zirkenia - Die Macht der ElementeOnde histórias criam vida. Descubra agora