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Keuchend und mit klopfendem Herzen renne ich durch den Wald, das was weiß ich wievielte Mal dieselbe Strecke. Es ist dunkel, weshalb ich abbremsen muss, um nicht über die unzähligen Wurzeln und Steine zu stolpern, aber meine Panik um die anderen Beiden treibt mich voran durch die Dunkelheit. Ich höre keine Schreie mehr, was wohl bedeutet, dass der Kampf vorbei ist. Natürlich, es gibt nichts mehr, um das man kämpfen könnte. Die Steine sind weg und mit ihnen die Magie. Das ist auch der Grund, aus dem ich mir solche Sorgen um die beiden mache, ohne ihre Fähigkeiten ist der Kampf schnell verloren. Sie waren umstellt, fliehen funktioniert also auch nicht. Nur Arons Worte beruhigen mich. Der Zirkel will uns nicht schaden, er hat nur einen anderen Weg zum Ziel.
Ich komme an der Stelle an, an der vor wenigen Minuten, oder auch Stunden – ich war ohnmächtig, also wer weiß schon wie lang – der Kampf stattgefunden hat. Von einem Kampf ist aber nichts mehr zu sehen, geschweige denn von irgendwelchen Menschen. Ich drehe mich panisch im Kreis.
„Alea, Lexian! Wo seid ihr?", rufe ich, aber es kommt keine Antwort. Plötzlich raschelt es hinter mir und ich höre Schritte im trockenen Laub. Hoffnungsvoll drehe ich mich um.
„Ganz ruhig wir sind's nur", sagt Elias. „Alles in Ordnung mit dir?"
Ich nicke nur schnell und laufe gleich weiter in Richtung Palast. Nichts ist in Ordnung, wenn den beiden irgendetwas passiert ist, ist das allein meine Schuld. Die Schuld der ach so tollen Anführerin. Dass ich nicht gut Schauspielern kann, ist mir ja bereits mehr als bewusst, so ist es nicht verwunderlich, dass Elias hinter mir hergerannt kommt.
„Ihnen ist schon nichts passiert", sagt er, um mich zu beruhigen.
„Netter Versuch, aber das kannst du nicht wissen", gebe ich mit scharfem Ton zurück. Ich weiß er meint es nur gut, aber im Moment habe ich einfach nur Angst um die beiden.
„Schon klar, dass weiß ich nicht, aber ich weiß, dass die beiden hier aufgewachsen sind. Mit dem Zirkel, nicht gegen ihn. Ich bezweifle stark, dass sie ihnen egal sind. Außerdem haben sie nichts mehr, was sie wollen. Es gibt keinen Grund mehr zu kämpfen."
„Das denke ich auch die ganze Zeit, aber wir können doch nicht wissen, wie sie reagieren. Und was ist mit den Wächtern? Die werden uns hassen, wir haben ihr Heiligtum zerstört! Jetzt ist nicht nur der Zirkel, sondern auch noch die Wächter hinter uns her", er schaut mich schon den ganzen Weg so seltsam an und jetzt wird er auch noch langsamer. „Ist alles in OK mit dir, hörst du mir überhaupt no..."
Weiter komme ich nicht, denn er stoppt meinen Redeschwall, indem er mich küsst. Einfach so! In mir breitet sich ein wohliges Kribbeln aus, das in meinem Bauch beginnt und sich bis in jede Faser meines Körpers langsam ausbreitet. Das Kribbeln wird immer stärker und als ich das Gefühl habe es nicht mehr auszuhalten, löst Elias sich wieder von mir. Leicht geschockt sehe ich ihn an. Damit habe ich nicht gerechnet, vor allem nicht jetzt.
„Hätte nie gedacht, dass ich dich mal vom Reden abhalten muss", meint er, als er sich wieder von mir löst und mir in die Augen schaut.
„Dann kennst du mich aber schlecht, ich rede eigentlich echt gerne."
„Ich unterbreche euch ja nur ungern, aber wollten wir nicht nach Alea und Lexian sehen", zerstört Jaron den Moment. Kurz sehe ich ihn vorwurfsvoll an, warum ist er nur so taktlos? Er liegt aber richtig, jetzt ist nicht die Zeit für so etwas, auch wenn das Kribbeln in meinem etwas Anderes sagt.
„Du hast recht, beeilen wir uns!", sage ich immer noch benebelt und mit kribbelndem Bauch. Mein Gesicht fühlt sich ganz heiß an und auf einmal ist es mir ganz unangenehm, dass die anderen unseren Kuss gesehen haben, mal abgesehen davon das es mein erster Kuss war. Noch schlimmer, ich merke, dass das Grinsen in meinem Gesicht nicht mehr verschwinden will. Ich muss knallrot sein und das Grinsen muss aussehen, wie das einer Verrückten. Zudem habe ich wahrscheinlich auch noch verstrubbelte, mit Blättern verzierte Haare, was mir wahrscheinlich den Charme einer garstigen, in die Jahre gekommenen, Hexe mit ernsthaften psychischen Problemen verleihen muss. Und so sollen wir in den Palast, den Wächtern und dem gesamten Zirkeln entgegentreten? Wir sind niemand mehr, seit wir die Steine zerstört haben und so unwichtig, wie ich es immer sein wollte. Aber jetzt da es so ist, merke ich, dass ich eigentlich nicht niemand sein will. Ich will wieder ich sein, die Anführerin einer Gruppe, die mithilfe der Elemente Zaubern und Wunder bewirken kann. Jemand, der etwas Bedeutsames leistet und schlechte Entscheidungen trifft nur, um sie später zu bereuen.
Den restlichen Weg gehen wir schweigend und in einem zügigen Tempo, der Wald liegt schon hinter uns und wir durchqueren jetzt den Garten, der im Mondlicht einen magischen Schimmer bekommt. Das kann natürlich nicht sein, denn all die Magie, die in Zirkenia war, ist verschwunden, gemeinsam mit den Steinen.
Bedrohlich wie noch nie erhebt sich der Palast vor unseren Augen in die Höhe. Vielleicht kam er mir aber auch nur nie bedrohlich vor, weil ich ihm immer als Freund betreten habe. Mir war meine Position bis jetzt immer bewusst, jetzt weiß ich nicht, wie wir empfangen werden. Wir laufen den Weg zur großen Eingangstür entlang und durchqueren diese schließlich. Im Palast angekommen beschließe ich, dass wir in den Ballsaal gehen. Wenn sie irgendwo auf uns warten sollten, dann dort. Der Weg der normalerweise einige Minuten in Anspruch nimmt, kommt mir diesmal kürzer vor denn je. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich unfassbare Angst habe, vor dem was uns erwartet. Wir laufen vorbei an den unzähligen Gängen, dem Speisesaal und an der Abzweigung, an der ich an meinem ersten Tag vorbeigekommen bin, bis wir schließlich am Ballsaal angelangt sind. Die beiden Türen stehen weit offen, es fehlen nur noch wenige Schritte. Ich sehe noch einmal zu den anderen, Zoey nickt. Langsam treten wir ein und laufen zum Podium nach vorne. Im Saal ertönt ein aufgeregtes Geflüster, doch ich achte gar nicht darauf, denn ich habe Alea und Lexian gerade vor mir entdeckt. Sie stehen links vor dem Podium und scheinen sich aufgeregt zu unterhalten, wahrscheinlich streiten sie schon wieder. Überglücklich und erleichtert, dass es den beiden gut geht, beschleunige ich meine Schritte, bis ich schließlich auf sie zu renne und ihnen überschwänglich um den Hals falle. Alea schreit leise auf, erwidert dann aber meine Umarmung.
„Ihr habt es geschafft!", sagt sie erleichtert. Ich löse mich von den beiden.
„Wieso sollten wir es denn nicht geschafft haben? Was hast du denn gedacht?", frage ich gespielt vorwurfsvoll.
„Was haben die Wächter dazu gesagt?", fragt Zoey vorsichtig.
„Noch nicht viel, sie wollen mit uns allen reden schätze ich", sagt Lexian und wirft einen Blick auf das Podest. Dort oben stehen die vier Wächter. Sie alle strahlen eine gewaltige Autorität aus, und das, obwohl nichts mehr sie von allen anderen unterscheidet.

Keine Magie, keine Steine und keine Fähigkeiten.

Sie waren mehrere Jahre so eine Art Herrscher von Zirkenia, ich schätze mal das legt man nicht so einfach wieder ab. Ich glaube sogar, dass sie es tatsächlich noch immer sind, wir sind eigentlich nur die Beschützer der Steine gewesen, Steine, die jetzt nicht mehr existieren, womit unsere Position dann auch hinfällig geworden sein durfte. Die Aufregung, die im Saal entstanden ist, lichtet sich so schnell wieder, wie sie gekommen ist, denn das Geflüster lässt nach und es folgt allgemein aufgeregtes Geplapper, als hätte der Kampf gar nicht stattgefunden. Ich sehe noch einmal zu den Wächtern und wäge immer noch ab, ob es schlauer ist, dass wir zu ihnen gehen oder ob wir warten sollen bis sie zu uns kommen. Ich entscheide mich schließlich für ersteres, da es in meinen Augen nicht schaden kann etwas Respekt zu zeigen, wenn wir schon etwas getan haben, wovon sie wahrscheinlich wenig begeistert sind.

Zirkenia - Die Macht der ElementeKde žijí příběhy. Začni objevovat