5 ~ Nichts als Probleme

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'Gott sei Dank, endlich allein.'

Seufzend schaltete Cian den Rechner ein und setzte sich vor den Bildschirm. Die Tür zu seinem kleinen Büro stand offen und ließ gedimmtes Licht vom Flur herein. Durch die großen Fenster konnte er über die gesamte Stadt blicken. Diese breitete sich unter ihm aus wie ein See aus kleinen funkelnden Lichtern. Der weitläufige Komplex war am Hang errichtet worden – eine unverbaubare Aussicht.

Außer ihm befanden sich nur noch fünf weitere Personen auf diesem Stockwerk. Allerdings hielten sie sich in einem anderen Abschnitt auf, so dass Cian nur das Klicken und Rattern des Computers hörte. Der Stuhl knarrte unter ihm, als er sich setzte. Der spartanisch eingerichtete Raum verblasse um ihn herum, als er sein Passwort eingab und ins Internet ging.

„Zeit zum Arbeiten", murmelte er vor sich hin und trank einen Schluck Kaffee. Er sah auf die Uhr und nickte zufrieden. Es war halb elf – er war pünktlich. Viele mochten seine Arbeitszeiten für anstrengend oder unmenschlich halten. Doch Cian hatte es sich selbst so ausgesucht.

„Und du bist sicher, dass du lieber die Nachtschicht haben willst?", hatte ihn sein Boss gefragt, als er in den Innendienst versetzt worden war. Und Cian war bei seiner Entscheidung geblieben, hatte es nicht bereut.

Nachts fühlte er sich sicher – sicher vor den Menschen. Sie konnten bei Dunkelheit nicht so gut sehen wie Nairi. Sie hörten schlechter und ihr Geruchssinn war ein Witz. Sie fühlten nicht dieses besondere Kribbeln im Nacken, wenn sich ihnen jemand näherte. Sie besaßen keine Instinkte mehr. Cians Instinkte und Sinne hingegen arbeiteten auf Hochtouren, während er sich in die verschiedenen Programme einloggte. Seine Augen waren zwar mit den Buchstaben und Zahlen auf dem Bildschirm beschäftigt, doch seine Ohren und seine Nase sondierten die Umgebung.

Tagsüber waren hier zu viele Leute. Ihre Gerüche und Stimmen hätten alles überlagert und Cian damit in den Wahnsinn getrieben. Nachts hingegen war er ungestört und konnte konzentriert seinen Job machen.

Cian arbeitete für eine Organisation, die Gestaltwandler vor einer speziellen Gruppe von Menschen schützte. Diese nannten sich „PurHuman". Hinter diesem harmlosen Namen versteckte sich eine terroristische Vereinigung, die sich gezielt gegen Nairi richtete. In der gesamten Geschichte der beiden Rassen hatte es noch nie Krieg gegeben. Kleinere Auseinandersetzungen, aber nie eine große blutige Schlacht. Beide waren nebeneinander und später miteinander gediehen.

Doch vor etwa fünfzig Jahren hatte sich das geändert. Anfangs waren PurHuman nur ein kleiner Haufen unzufriedener Versager gewesen, die Gestaltwandler schikaniert hatten. Sie waren eifersüchtig und neidisch auf deren scheinbar besseres Leben gewesen. Es stimmte, Nairi hatten eine bessere Abwehr und waren im Alter länger fit – aber Nachteile waren ebenso vorhanden.

Es gab eine ansteckende Krankheit, die nur Nairi befiel und die unheilbar war. Sie trug den Namen „Switch". Es war eine Virusinfektion, die die Nairi schon seit Jahrhunderten geißelte. Einmal infiziert, konnte ein Gestaltwandler den imaginären Muskel in seinem Innern nicht mehr kontrollieren. Er wechselte unvorhersehbar zwischen seinen drei Gestalten. Das fatale daran war, dass dadurch der Energieverbrauch so sehr anstieg, dass der Nairi innerhalb von Tagen einfach verhungerte. Nicht einmal im Schlaf lässt die Krankheit von seinem Opfer ab.

Aber für die Mitglieder von PurHuman zählte das nicht. Sie sahen nur die Monster, die ihre Gemeinden infiltrierten, ihnen die Jobs stahlen, ihre Kindergärten verseuchten und augenscheinlich ihr Leben zerstörten. Anfangs waren die kleinen und unbedeutenden Anschläge von der Regierung belächelt worden. Man hatte nicht viel dagegen getan und es nur als „dumme Jungenstreiche" abgetan. Doch dann machte die Gruppe plötzlich ernst.

Als die ersten Nairi starben, reagierten die Behörden endlich. Sie sammelten Männer und Frauen zusammen – alles Nairi – die sich dieses Problems annehmen sollten. Sie verfolgten PurHuman, versuchten ihre Verstecke aufzuspüren und die Mitglieder festzunehmen. Doch es war alles schon zu weit fortgeschritten. Über die Jahre war PurHuman immer weiter gewachsen. Hatten neue Mitglieder gewonnen, hatten sich mit Waffen und dem Wissen ausgestatten, wie sie die Gestaltwandler wirklich treffen konnten.

Love Me WildWhere stories live. Discover now