27 ~ Auf Spurensuche

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Banks nippte an seinem siebten Kaffee an diesem Tag und stellte sich hinter Falps. Über dessen Schulter blickend betrachtete er die firmeninterne Website der Satellitenüberwachung.

„Haben Sie schon was gefunden?"

Falps blies die Backen auf und atmete langsam aus. Während er sich am Kopf kratze, sagte er: „Tut mir leid, noch nichts."

„Warum?", fragte Banks und war sich bewusst, dass seine Stimme wieder sehr viel Löwe durchklingen ließ. Dieses Desaster schaffte es tatsächlich, dass er Stück für Stück seine Selbstbeherrschung verlor.

„Sorry für die Ausdrucksweise, aber die Verbindung hier her ist einfach scheiße. Durch die ganzen Firewalls und Sicherheitsschleusen kommt nicht genug Input." Falps trommelte mit seinen Fingern auf dem Tisch. „Es kann sich um Stunde handeln, aber die Bilder von letzter Nacht habe ich bereits." „Die nützen uns leider herzlich wenig", murrte Banks und setzte sich an seinen eigenen Laptop zurück.

Vor wenigen Minuten hatte er Clara angerufen, doch auch in der Zentrale gab es nichts Neues. Er machte sich keine Illusionen – früher oder später würden PurHuman eine Nachricht schicken.

'Eine total überzogene Forderung', dachte er und stellte seine Tasse bedacht langsam auf den Tisch. Victor wusste genau, dass diese Irren genau wussten, wo ihre Zentrale lag. Er erwartete jede Minute den Anruf seiner getreuen Mitarbeiterin.

Aber er konnte warten. Jeder Nairi, der sich in ein Raubtier verwandeln konnte, konnte warten. Still sitzend in einem dunklen Versteck, bis sein Opfer einen Fehler machte und er zuschlagen konnte. Der Erfolg hing einzig und allein davon ab, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Doch das kostete nicht nur Geduld, sondern auch Kraft. Er hatte sie, aber ob Cian Walker das auch aufbringen konnte, wusste er nicht. Er kannte ihn, arbeitete schon Jahre mit ihm zusammen. Aber wenn dieser disziplinierte junge Mann eine Schwachstelle war, dann war es PurHuman in Verbindung mit einer Entführung.

Victor schloss kurz die Augen und gestattete sich, innerlich für einen kleinen Moment die Vorgesetzten- und Angestelltensichtweise abzulegen. Er fühlte mit ihm, keine Frage. Taluna Giordano hatte erstaunlicherweise geschafft, woran Psychologen, Menschen und Nairi vor ihr gescheitert waren: Sie hatte Cian erreicht und ihn aus seinem Schneckenhaus gezogen. Nun hofften er, der Mensch und der Löwe gleichermaßen, dass dieser neue Cian Walker auch in der Lage war, sich zu zügeln.

'Nichts ist gefährlicher, als eine wütende Katze, die aus ihrem Käfig gelassen wurde', erinnerte er sich an den alten Spruch seines Mentors.

~

Es war schwer, nicht die Beherrschung zu verlieren. Jeder ruhige Atemzug war eine neue Herausforderung, ebenso wie die zur Schau gestellte gelassene Miene. Alles war Maskerade, denn in seinem Inneren war die Hölle los. Die Katze hatte ihre Krallen bis zum Anschlag ausgefahren, die Zähne gefletscht und brüllte aus Leibeskräften. Ihr dürstete es nach Blut und Vergeltung, Rache und Tod.

Cian fühlte sich dabei wie ein Schizophrener, doch er ignorierte den anderen Teil seines Selbst. Er musste einen klaren Kopf bewahren, wenn er alle wichtigen Details seiner Umwelt in sich aufnehmen wollte. So wie jetzt, als er aus dem Auto stieg und auf den Club zulief. Das „An Imal" war lediglich an einem schlichten Schriftzug an einem unauffälligen Gebäude zu erkennen – offensichtlich ein Geheimtipp, wenn der Betreiber sich aufwändige Werbung und Fassadenschmuck ersparte.

Ohne den Haupteingang zu beachten – dieser roch lediglich nach gewöhnlichen Nairi – steuerte Cian auf eine kleine, unscheinbare Tür am Ende des Gebäudes zu. Hier roch es viel eher nach der kleinen Schneeleopardin, Talunas Freundin Kathi. Cian schaffte es zwar, die Blutgier seines Tieres zu unterdrücken, doch seine Sinne funktionierten trotzdem ohne Filter. Lästig, wenn man bedachte, dass es überall nach Schweiß und Erbrochenem roch.

Love Me WildWhere stories live. Discover now