19 ~ Gewagter Plan

279 38 5
                                    

Ruhelos tigerte Taluna in ihrem Zimmer hin und her. Regen klatschte gegen die Fenster und vereinzelt ließ lautes Donnergrollen das Haus erzittern. Pixi hatte sich auf dem Bett zusammengerollt und beobachtete Talunas Wanderung. Vom Schreibtisch vorbei am Bad bis zu den Fenstern und wieder zurücklief sie langsam aber sicher eine Spur in den Teppich.

Sie konnte nicht schlafen, da ihr ständig Cians Worte im Kopf herum gingen. Er hatte so ernst geklungen, als er von der möglichen Gefahr gesprochen hatte, die wie ein Damoklesschwert über ihr hing. Aber sie fühlte, dass er ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte. Herr Gott noch mal, sie arbeitete bei einer Zeitung, sie wurde täglich mit Lügen und Halbwahrheiten konfrontiert – sogar als Fotografin.

Sie raufte sich die Haare und setzte sich vor ihren Laptop. Ungeduldig trommelte sie mit ihren Fingern auf das Holz und wartete, während das Gerät hochfuhr. Sie legte ihre Finger auf die Tasten, als sich die Googleseite auf dem Bildschirm aufbaute.

„Nun wollen wir mal schauen", murmelte sie vor sich hin und tippte einen Namen in das Suchfeld ein: Cian Walker.

Ihr Finger schwebte über der Entertaste, doch sie schickte die Suche noch nicht los.

'Was mache ich, wenn alles gelogen war?', fragte sie sich und biss auf ihre Unterlippe. 'Was, wenn er doch ein Psychopath ist?' Es vergingen einige Augenblicke, ehe Taluna sich überwand. Bespannt starrte sie auf den Bildschirm und sah – nichts.

Verwirrt runzelte sie die Stirn und ging in eine andere Suchmaschine – doch wieder nichts.

„Das kann doch nicht...", murmelte sie und ging auf die Seite des örtlichen Telefonbuchs. Schließlich musste unter seiner jetzigen Adresse irgendein Name stehen. Es dauerte, ehe das Internet etwas ausspuckte.

„Was ist denn das?", fragte sie in die Stille ihres Zimmers hinein und lehnte sich weiter vor.

Neben der Adresse des Hauses, in dem Cian in Heyton wohnte, stand der Name einer Firma: Firebird Ltd. Wieder auf der Seite von Google gab Taluna den Namen ein. Gleich der erste Eintrag führte sie auf die Firmenwebsite. Sie traute ihren Augen nicht, als sie den Leitspruch des Unternehmens las.

„Wir verbinden Sie – Telekommunikation für jedermann", las sie und konnte mit Mühe ein hysterisches Lachen unterdrücken.

'Das ist doch nicht zu glauben', ging es ihr durch den Kopf. Entweder hatte er ihr einen riesigen, stinkenden Bären aufgebunden oder er war Mitglied einer Organisation, die sich eine solch raffinierte Maske leisten konnte. Taluna wusste nicht genau, was ihr lieber war.

Ohne dass sie es wollte, klickte sie in das Verzeichnis ihrer Bilder. Viele ihrer Lieblingsfotos hatte sie auf ihrem privaten Laptop gespeichert und es erfüllte sie mit einer inneren Ruhe, wenn sie die Bilder betrachtete. Sie schnappte sich die Speicherkarte ihrer Kamera und zog die neusten Fotos auf die Festplatte.

Als Diashow ließ sie die Bilder der Nairikinder über den Bildschirm laufen, gefolgt von dem Regenbogen den sie nur wenige Stunden zuvor fotografiert hatte. Der Durchlauf stoppte und blieb beim letzten Bild stehen – das von Cian. Taluna versuchte seine Gestalt mit der Nüchternheit einer professionellen Fotografin zu betrachten.

Scheinbar lässig lehnte er mit einer Schulter an einem der Pfosten an der Veranda und sah ins Leere. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und unter seiner Haut zeichneten sich deutlich die Muskeln und Sehnen ab. Am linken Unterarm konnte man die Narben erahnen, die dort seine Haut durchteilten.

Doch es war der Ausdruck in seinem Gesicht, der Taluna gegen ihren Willen fesselte. Er wirkte einsam und verloren, als wüsste er keinen Ort auf der Welt, an den er wirklich gehörte. Unwillkürlich fühlte Taluna sich an sich selbst erinnert. Auch von ihr gab es solche Bilder – sie waren in der Zeit entstanden, als ihre Mutter und ihre Schwester gerade von ihr gegangen waren.

Love Me WildWhere stories live. Discover now