12 ~ Geschäftiger Morgen

310 37 8
                                    

Viel zu schnell saß Cian im Bett auf und rang nach Luft. Verstört sah er sich nach seinem Pager um, der piepsend und blinkend auf seinem Nachttisch lag. Cian brauchte einige Sekunden, ehe er den Sinn dieses Radaus verstand: Jemand hatte die Bewegungsmelder aktiviert.

Adrenalin schwemmte durch seine Adern und vertrieb die Reste des Schlafs. Er fühlte, wie sich sein Körper auf den bevorstehenden Kampf einstellte, als er beinah ohne sein Zutun in die Hybridform wechselte. Seine Konditionierung begleitete ihn noch immer, selbst nach all den Jahren – und Cian war dankbar dafür. Das seine Boxershorts dabei zerrissen wurde und auf den Boden fiel, störte ihn kein bisschen.

Sein dunkel geflecktes Fell schimmerte im kühlen Sternenlicht, als er geduckt zum Fenster schlich. Vorsichtig spähte er hinaus, suchte mit den Augen die dunklen Schatten und Winkel hab. Sein Herz setzte kurz aus, als er eine Bewegung am äußeren Rand des Grundstücks wahrnahm. Er kniff die Augen zusammen und sah genauer hin.

'Das ist aber ziemlich groß für eine gewöhnliche Straßenkatze', dachte er und entspannte sich etwas. Kein Nairi hatte ihn je gefoltert, nie so sehr verletzt. Dennoch blieb er auf der Hut, als er lautlos ins Erdgeschoss lief. Die letzten beiden Stufen übersprang er und landete geschmeidig auf dem Boden. Als er bei der Hintertür angekommen war, legte er vorsichtig eine Hand auf die Klinke. Mit der anderen öffnete er möglichst lautlos die Riegel.

Prüfend sog er die Nachtluft in seine Lungen, als die Tür einen Spalt offen stand. All seine Sinne bestätigten ihm, dass sich dort draußen ein Nairi in Tiergestalt aufhielt. Ein freudloses Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

'Ich dachte, in der Stadt wandeln sie sich nicht mehr zu Tieren.' Aber in seinem Garten streifte der unwiderlegbare Gegenbeweis durch die Büsche.

Cian hielt mitten in der Bewegung an, als er Flieder roch. Leise schnupperte er, ehe er sich vollkommen sicher war. Das Aufblitzen eines silbernen Ohrrings im Mondlicht bestätigte seine Vermutung. Die Anspannung wich weiter von ihm und er richtete sich auf. Absichtlich warf er die Tür mit voller Wucht auf, blieb aber selbst im Schatten des Hauses stehen.

Wie erwartete erstarrte der schwarze Geist. Cian stieß ein tiefes Knurren aus – nicht aggressiv, doch eine eindeutige Warnung. Die Nairi konnten sich noch so sehr den Menschen anpassen, doch sie waren immer noch zu einer Hälfte Tiere. Und diese tierische Hälfte verstand solche Laute instinktiv. Ein leises Fauchen antwortete ihm und er beobachtete, wie sie leise verschwand.

Erst als er die Hintertür wieder geschlossen hatte, bemerkte er, dass er grinste. Verwirrt über sich selbst schüttelte er den Kopf und verschloss die Riegel.

„Da gibt es nichts zum Lachen", murmelte er in die Stille hinein und schloss die Augen. Routiniert zog er den Muskel in seinem Inneren wieder an und wechselte die Gestalt. Vollkommen nackt ging er wieder hinauf und legte sich auf sein Bett.

„Ich reiße Banks den Kopf runter." Seine leise Stimme erfüllte den dunklen Raum und er schloss erschöpft die Augen. Es würde ein interessanter Abend werden, wenn die Pantherin wusste, wer er war. Denn Cian war sich sicher, dass sie seine Fährte aufgespürt hatte. Ihm war nicht entgangen, dass sie seinen Geruch auf dem Fest wiedererkannt hatte.

'Gott sei Dank weiß sie nicht wie ich aussehe', dachte er und knirschte mit den Zähnen.

Sie hatte es zwar geschafft, ihn zu fotografieren, doch er war nach seinem letzten Fehler vorsichtiger geworden. Mit der Basecap und dem falschen Bart würde sie nur einen normalen Touristen auf den Fotos sehen.

'Aber das nützt mir auch nichts mehr, wenn ich morgen Abend in ihrem Esszimmer sitze.' Cian atmete tief durch. Bei den Gedanken an das bevorstehende Abendessen überkam ihn kalte Furcht.

Love Me WildWhere stories live. Discover now