» Die 24. Hungerspiele beginnen «

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Die heisse Flüssigkeit verbrannte mir zwar fast die Lippen, aber der süssliche Geschmack des Honigs in meinem Mund glich den Schmerz wieder aus. Meine Finger waren fest an die heisse Tasse gepresst, doch der Schmerz, welcher meine Handfläche durchzuckte, störte mich nicht. Mein Blick war starr auf die Leinwand gerichtet, welche den Countdown zu dem Start der 24. Hungerspiele anzeigte. Noch genau dreizehn Minuten und zweiunddreissig Sekunden und dann würde das Startzeichen erklingen und... Ich zuckte zusammen und verkrampfte mich augenblicklich, als ich eine warme Hand auf meiner Schulter spürte. Wenn ich die Tasse nicht so fest gehalten hätte, wäre sie runter gefallen. »Alles okay?« Ich entspannte mich, als ich die bekannte Stimme von Thélmo hörte und ich drehte mich zu ihm um. Er blickte mit seinen grünen Augen auf mich hinunter, er sah besorgt aus. »Ja, danke«, antwortete ich knapp. Seinem Blick zufolge, hatte er meine Lüge durchschaut und ich senkte den Blick. Er ging in die Hocke und umfasste meine Hände. Es war eine schöne Berührung und ein angenehmer Blitz durchzuckte meinen Körper. »Das ist ja ganz heiss!«, murmelte er und löste meine Hände vorsichtig von dem heissen Porzellan. Ich wehrte mich nicht, aber als meine Hände von der Tasse gelöst war, taten diese schrecklich weh. Sie brannten wie Feuer und ich musste ein spitzer Schrei unterdrücken. Thélmo stellte die Tasse neben mir auf den Tisch und umschloss meine Hände mit seinen. »Man, was machst du bloss für einen Mist?«, fragte er mich besorgt. Ich antwortete nicht, sondern betrachtete ihn nur, wie er vorsichtig über meine feuerroten Hände strich. »Es tut nicht weh«, log ich und bewegte langsam meine Finger. Thélmo blickte zu mir: »Du bist eine schlechte Lügnerin.« »Bin ich das?«, konterte ich und dachte augenblicklich an meine Hungerspiele. Ich war alles, aber keine schlechte Lügnerin. »Ich hab dich damals schon auf den Dach durchschaut«, erwiderte er und schenkte mir ein charmantes Lächeln, welches meinen Atem stocken liess. Bevor ich etwas erwidern konnte, sah er wieder auf meine Hände und sagte: »Hast nochmals Glück gehabt, sollte keine Blasen geben. Aber vielleicht solltest du trotzdem etwas kaltes Wasser darüber giessen.« »Nein, geht schon. Danke«, meinte ich und verschränkte meine Finger ineinander. Thélmo musterte mich einige Sekunden, bevor er sich erhob und mir durch meine dunklen Locken wuschelte: »Pass ein bisschen auf, okay? Ich bin leider nicht ständig da um Mami zu spielen.« Ich musste kichern: »Wie Schade.« Er lachte und ging auf seinen Platz. Die Leinwand zeigte noch fünf Minuten und zweiundzwanzig Sekunden an.

Inzwischen wurde der Countdown auf der Leinwand durch eine Aufnahme der Arena ersetzt. Es war eine abwechslungsreiche Landschaft. Am Horizont erkannte man Berge und im Vordergrund gab es einen Tannenwald. In der anderen Richtung gab es ein riesiges Feld mit sehr hohem Gras. Ein piepsen erklang und vor mir auf dem Tisch wurden zwei Displays eingeschaltet. Auf beiden wurden die Metallplatten angezeigt, auf denen noch niemand stand. Noch einmal erklang ein piepsen und ein weiteres Display wurde eingeschaltet. Es zeigte die gesamte Arena von oben. Ich tippte mit meinen Fingerkuppen auf den Tisch. Ich war nervös, keine Frage. Auch wenn ich wusste, das Elvion und Anna mit links durch das Blutbad kommen würden. Der Countdown zeigte nun an, das es noch weitere drei Minuten gehen würde, bevor der Gong erklang. Mit jeder Sekunde wurde ich nervöser und mein Bauch kribbelte vor Aufregung. Mein Blick wanderte zu Thélmo, dieser sah ebenfalls zu mir. »Head Up And Smile«, formte er mit den Lippen und zwinkerte mir zu. Ich setzte ein gespieltes Lächeln auf und nickte. Nur noch zwei Minuten, verkündigte mir der Countdown. Ich presste die Lippen aufeinander und starrte auf die Metallplattformen vor mir auf dem Tisch. Mein Bein zitterte, ebenso meine Hände. Ich ballte diese zu Fäusten und hämmerte leise auf den Tisch. Ich musste mich beruhigen! Auf den Displays erschienen Anna und Elvion, wie beide auf die Metallplatten hochgefahren wurden. Noch eine Minute. Anna blickte starr auf das Füllhorn, während Elvion sich mit zusammen gekniffenen Augen umsah. Der Countdown, welche draussen die Kapitolsleute schrien, war kaum zu überhören. Ich strich mir eine Haarsträhne aus meinem Gesicht und versuchte mein zittern zu unterdrücken. Zwanzig Sekunden... Anna hatte ihren Blick nicht abgewandt, Elvions Blick war nun auch auf das Füllhorn gerichtet. Zehn Sekunden.. Die Kapitolsleute schrien draussen immer lauter und schriller. Acht... Sechs... Vier... Zwei... Der Gong erklang und die Kapitolsleute jubelten wie verrückt.

Elvion war der erste am Füllhorn, er war unglaublich schnell. Anna kam wenige Sekunden später an und schnappte sich mit einem schnellen Handgriff zwei Äxte und stürzte sich ins Getümmel. Elvion hatte nur wenige Wimpernschläge ebenfalls ein Schwert in der Hand und stach auf einen unbekannten Tribute ein, welcher sich gerade einen Rucksack am Füllhorn schnappen wollte. Ich biss mir auf die Lippen, ich hatte ihn zwar trainieren gesehen, aber einen echten Menschen umbringen... Es war komisch. Anna erledigte zwei Tribute in wenigen Sekunden, Elvion war auch schon beim nächsten. Ich hob eine Braue und beobachtete traurig, wie die unschuldigen sterben mussten und freute mich darüber, wenn jemand flüchten konnte. Es vergingen sicherlich zehn Minuten, bis das Blutbad vorbei war. Ich war mir nicht sicher, wie viele sterben mussten.

Die Karrerios waren zufrieden mit sich selbst und beschlossen, das sie zusammen auf die Jagd gehen würden. Eigentlich sollte man Tiere jagen und nicht Kinder, oder? Es stellte sich sofort raus, das Chelsea, die kleinste und zierlichste der Truppe, die Anführerin war. Anna war sogar einverstanden, was mich sehr verwirrte. Sie liefen in den Tannenwald, dort würden sich sicherlich einige Tribute verstecken. Es passierte eine Weile nichts, nur die Kanonen wurden abgefeuert – genau zehn. Einige Mentoren hatten sich bereits aus dem Raum entfernt, es gab welche, die beide Tribute verloren hatten. »Gefunden!« Ich schreckte auf und blickte auf den Monitor, welcher die Arena anzeigte. In der nähe der Karrerios war jemand aus Distrikt Fünf, das zeigten die Figuren auf dem Display. Meine Hände wurden feucht und ich betete, das dieser noch schnell flüchten konnte. Doch es war zu spät, Chelsea hatte ihn zu Boden gerissen und richtete ein spitzes Messer auf seine Stirn. Er wollte sie runter rütteln, doch wie leicht sie auch aussah, sie blieb wie angeklebt auf ihm sitzen. Er hatte Tränen in den Augen, wimmerte leise. Doch Chelsea lachte nur und ritzte ihm eine Wunde in die Stirne. Er schrie um Hilfe, doch natürlich kam ihm niemand zu Hilfe. Chelsea ritzte weitere Muster in sein Gesicht, überall war Blut. Er schrie und ich hielt mir die Ohren zu und wand den Blick ab. Er schrie immer noch, es wollte nicht aufhören. Ich erinnerte mich an letztes Jahr. Ich hatte ein kleines Mädchen umgebracht, Zarah. Ich erinnerte mich so gut an diesen Moment und die Schreie von diesem Jungen machte alles schlimmer. Erst als die Schreie verstummt waren, wagte ich einen Blick auf den Monitor. Der Junge hatte die Augen weit aufgerissen und überall im Gesicht hatte er Blut. Ein Schwert ragte ihm aus der Brust. Chelsea sah wütend aus, sprang auf und schlug urplötzlich auf Elvion ein. »Was denkst du dir eigentlich? Er war mein Opfer! Okay, meins? Was fällt dir ein?«, kreischte sie, aber Elvion packte ihre Hände und hielt sie steif fest. »Er hatte genug, klar? Wir sollten sie nicht unnötig quälen!« Chelsea knurrte und riss sich von ihm los. Wahrscheinlich hatte Elvion den armen Jungen erlöst. Ich war ihm dafür sehr dankbar.


Es dämmerte in der Arena und die meisten Mentoren waren bereits zu Bett gegangen. Auch die Tribute sassen am Feuer, assen zusammen und bestimmten Anna zur Wache. In der Arena war es ziemlich schnell dunkel und helle Sterne funkelten am Himmel. Die Hymne erklang und die Bilder der gefallenen wurden gezeigt. Die Karrerios schienen sich nicht sonderlich dafür zu interessieren, sie krochen ins Füllhorn und schon bald waren sie schon eingeschlafen. Anna sass am Füllhorn angelehnt, blickte zum Himmel hinauf und gähnte. Sie war müde und so war ich es. Thélmo kam zu mir: »Hey, ich gehe jetzt. Du solltest auch schlafen gehen.« »Werde ich kaum können«, antwortete ich leise. »Wenn du willst, leiste ich dir Gesellschaft«, lachte er und ich winkte ebenfalls lachend ab. »Danke, aber ich glaube deine Freundin würde nicht einverstanden sein.« Er hob eine Braue, ehe er den Mentorenraum verliess. Ich erhob mich ebenfalls und wollte gehen, als sich plötzlich etwas in der Arena regte. Anna. Sie stand auf, packte sich einen Rucksack und... rannte weg.
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Hallöchen :)
Mal wieder ein Kapitel, hoffentlich mögt ihr es...
Ausserdem seht ihr ein Bild von den Karrerios an der Seite :D ♥
Danke fürs lesen,
xx Nana.

Revenge ~ Der Tod kommt immer Näher [#2] ON HOLDWhere stories live. Discover now