» Das Schicksal «

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Da sass ich also: zusammengekauert in der Ecke eines abgeschlossenen Raumes des Justizgebäudes. Den Blick hatte ich starr auf meine dunkelblauen Ballerinas gerichtet, welche in diesem unheimlichen Licht beinahe schwarz wirkten.

Der Boden war eiskalt, trotz des hellgrauen Teppich, den sie wohl zur Feier des ersten Jubeljubliäums ausgelegt hatten. Genauso wie die hellgraue Vorhänge, welche sie vor den Fenstern aufgemacht hatten. Und da, gleich neben der Türe starrte mir ein Porträt von Präsident Snow entgegen. Einfach nur gruselig.

Das Weinen hatte ich inzwischen aufgegeben. Was brachte es mir schon? Genau – überhaupt nichts. Die Tränen sparte ich lieber für einen Moment, der meine Tränen verdient hatte. Vielleicht kurz bevor ich in der Arena sterben würde? Klang ganz klar nach einem guten Moment, in dem ich meine Tränen vergeuden konnte.

Ein leiser Seufzer verliess meinen Mund, als ich meinen Hinterkopf gegen die kalte Wand hinter mir lehnte.

Verdammte Hungerspiele. Verdammtes Jubeljubliäum. Verdammter Präsident Snow.

Jegliche Trauer oder Verzweiflung war wie auf einen Schlag verschwunden. Nur noch die pure Wut fühlte ich in mir. Wut auf das Kapitol, Wut auf die Spiele und unglaubliche Wut auf unseren scheinbar wundervollen Präsidenten.

Ich hatte das Bedürfniss, irgendwas zu zerstören. Etwas auf gegen die Wand zu schmeissen, auf etwas einzuschlagen - einfach meine Wut auf alles los zu werden.

»Gewalt ist keine Lösung«, erinnerte mich mein Unterbewusstsein amüsiert.

Stumm schloss ich die Augen und schlug meinen Hinterkopf sanft gegen die kalte Wand. Ich musste mich beruhigen, wieder einen klaren Kopf bekommen.

Ich zuckte kurz zusammen, als die Türe des Raumes aufging und ich die barsche Stimme eines Friedenswächter hörte: »Sie haben drei Minuten - keine Sekunde mehr.« Dann ging die Türe mit einem lauten Knall wieder zu.

»Was soll dieser Scheiss?«

Verblüfft öffnete ich die Augen und erblickte Delphia. Sie hatte ihre Augen zu Schlitzen verengt und ihre Hände waren zu zwei festen Fäusten geballt. Man sah, wie ihre Knöchel bereits weiss anliefen.

»Das ist unfair!«, kreischte sie hysterisch, eher zu sich selbst als zu meiner Mutter oder mir. »Unfair, unfair, unfair, unfair!«

Meine Mutter blickte auf den Boden, ihr Körper zitterte ein wenig und bloss der Anblick meiner hilflosen Mutter, trieb mir wieder die Tränen in die Augen.

»Ich glaube es nicht! Wie können sie dir so ewas antun? Wie können sie uns so ewas antun?«, Delphia schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu sein. Sie stampfte auf dem Boden auf wie ein Kind, das keinen Nachtisch mehr bekam. »Ich werde ihn umbringen, diesen Möchtegern Präsident!«

Nun hatte ich meinen ganzen Mut zusammen genommen und rappelte mich schwankend auf.

»Delphi«, sagte ich leise, dennoch bestimmt. Meine Stimme klang überraschend kühl und emotionslos. »Das bringt doch nichts. Pass besser auf, was du sagst.«

Delphia sah mich mit grossen Augen an. Ihr hingen einige blonde Haarsträhnen ins Gesicht und ihre Augen waren mit Tränen gefüllt. Der Anblick zerschmetterte mein Herz in tausend Stücke, beinahe so, als wäre es aus Glas.

Sie strich sich eine störende Haarsträhne hinters Ohr. Ihre Unterlippe zitterte leicht, wieder ein Moment, bei dem sie mich an ein kleines Kind erinnerte. »Das können sie doch nicht tun. Du warst schon in der Arena. Das ist gegen die Regeln!«

Ich schluckte schwer. Wie so etwas möglich war, konnte ich mir selbst nicht erklären.

»Es gibt bestimmt eine logische Erklärung für alles«, log ich und sah dabei wieder auf meine Schuhe. Ich hoffte zumindest, dass es eine plausible Erklärung für alles gab - es musste einfach eine geben!

»Es muss eine geben«, erwiderte Delphia mit monotoner Stimme. Sie wand ihren Blick ab, starrte auf Präsident Snows Porträt, welches neben ihr an der Wand hing. »Es gibt doch eine. Nicht wahr, du Mistkerl?«

»Delphia, es reicht!«

Erschrocken drehte ich meinen Kopf zu meiner Mutter, welche Delphia mit geröteten Wangen anstarrte.

»Es reicht!«, wiederholte sie und ging mit schweren Schritte auf meine kleine Schwester zu. Als sie bei ihr angekommen war, packte sie sie grob an den Schultern.

»Aua! Du tust mir weh! Was ist denn los mit dir?«, kreischte Delphia, während sie sich verzweifelt versuchte sich aus dem Griff unserer Mutter zu befreien.

»Benimm dich, alles klar? Präsident Snow ist unser Präsident. Wenn der Friedenswächter da draussen gehört hat..«

Als man gerade vom Teufel sprach, wurde die Tür aufgerissen und der Friedenswächter marschierte mit mechanischen Schritten in den Raum: »Die Zeit ist um. Verlassen Sie jetzt den Raum.«

Delphia schenkte mir einen verzweifelten Blick, meine Mutter dagegen starrte bloss angestrengt auf den Boden.

»Kommen Sie!«, drängte der Friedenswächter mit drohender Stimme.

Nun rannten Delphia die Tränen über die Wange und sie streckte die Hand nach mir aus: »Feli, wir sehen uns wieder. Du hast es schon einmal geschafft - zeig es allen, dass du es nochmal schaffen kannst!«

Der Friedenswächter seufzte genervt auf, packte meine Mutter und Delphia grob an den Schultern und zog sie gegen ihren Willen aus dem Raum.

Wieder diese unglaubliche Wut, die in mir aufstieg. Was erlaubten sich die Friedenswächter bloss? Unglaublich, einfach zum kotzen.

»Ich werde es versuchen«, rief ich Delphia nach, gerade als die Tür ins Schloss fiel.

»Ich werde es versuchen«, wiederholte ich, diesmal wisperte ich die Worte bloss. Es war schwierig, meinen eigenen Worten glauben zu schenken. Es war beinahe unmöglich.

Verzweifelt liess ich mich auf den Boden fallen. Vielleicht waren dies gerade meine letzten Minuten mit den zwei Menschen, die am meisten auf dieser Welt liebte.

Ich biss mir auf die Unterlippe, unterdrückte somit einen Aufschrei und starrte nachdenklich auf meine Hände. Ich konnte mich nicht einmal richtig von ihnen verabschieden und ich hatte die beiden nicht einmal umarmt. Verdammt! Dieser Tag war einfach zum kotzen, zum heulen und zum davon laufen.

An solch verschissenen Tagen waren Finnley und ich immer zum Steg gegangen. Dann hatte er mir immer einige unlustige Witze erzählt, die so unlustig waren, dass man nicht anders konnte als darüber zu Lachen.

Ich versuchte mich krampfhaft an einen dieser Witze zu erinnern, doch es gelang mir nicht. Mein Kopf war voll mit anderen Dingen. Wirre Gedanken und Fragen, die mich beinahe um den Verstand brachten.

Was für andere Tribute wird es geben? Werde ich wieder ein Karrerio sein? Welche Punktzahl werde ich erhalten? Was war so besonders an diesem Jubeljubliäum? Wie würde die Arena aussehen? Werde ich sterben?

Die Gedanken wollten nicht verschwinden und ich wünschte mir für einen kurzen Moment, einfach tot umzufallen. Ich würde nicht in die Spiele müssen, ich hätte endlich Ruhe von allem.

Ich lächelte kurz und schüttelte über meine Dummheit den Kopf.

Lächerlich, einfach nur lächerlich.

Ich musste mich der Zukunft stellen - sie akzeptieren.

Und meine Zukunft war nun halt, dass ich wieder zurück in die Arena musste. Es war meine Zukunft - mein Schicksal und ich konnte nicht dagegen unternehmen.

~

Hallihallöchen! ♥

Hier ist endlich mal wieder ein Kapitel, ich hoffe es gefällt euch.

Ganz zufrieden bin ich damit nicht, irgendwie waren viel zu wenig Emotionen und so drin.. Hach, ich bin beim Beschreiben von Gefühlen ect. echt eine Niete :(

Bis Bald,

x Nana


Revenge ~ Der Tod kommt immer Näher [#2] ON HOLDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt