Tag 1: Krankheiten, Eis und Beziehungen...

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Als Ben ihn zu seinem Tisch schob, fiel der Blick des Jungen sofort auf Riley, der bereits auf ihn zu warten schien und verloren aus dem Fenster starrte. Es regnete noch immer und es sah nicht so aus, als würde sich das ändern.
Anstatt etwas zu ihm zu sagen, schwieg er und einfach weiterhin auf die Stadt. Dany beobachtete den schwarzhaarigen, wie er mit dem Ärmel seines Pullovers spielte.
Das Essen auf dem Teller dampfte und wurde langsam kalt.
,,Tut mir leid, dass ich dich heute aus meinem Zimmer gejagt habe. Ich glaube ich wollte einfach nur meine Ruhe.", entschuldigte sich der Sechzehnjährige und griff zittrig nach dem Glas Wasser, das vor ihm auf dem Tisch stand.
,,Macht nichts.", war alles, was er als Antwort von Riley bekam. Der junge Mann sah nicht einmal zu ihm herüber.
,,I...Ist alles in Ordnung?"
Dany bemerkte, dass der schwarzhaarige ein paar mal seinen Mund aufmachte und wieder schloss, bevor er knapp nickte.
,,Ich hatte heute nur meine Eltern zu Besuch...und einen meiner Brüder. Wie soll ich sagen...es war kein so prickelndes Erlebnis.", der neunzehnjährige rang sich ein erschöpftes Lächeln ab und wandte sich endlich dem Jungen zu.
,,Bin ich heute zu weit gegangen? Mit meinen Fragen meine ich."
Dany zögerte kurz. Ja, das war er.
,,Vielleicht ein bisschen. Hast du dich nicht gefreut, deine Familie zu sehen?", Ben brachte sein Essen und wünschte ihm lächelnd einen guten Appetit.
Am liebsten hätte Dany dem Pfleger das Tablett um die Ohren geworfen, aber das würde wahrscheinlich nur wieder Konsequenzen mit sich ziehen. Er war schon eingesperrt und wollte so schnell wie möglich nach draußen, also murmelte er einfach ein kurzes Danke.
Eine Schalte mit Kartoffelsalat, eine Scheibe Weißbrot und ein Teller auf dem eine dünne Scheibe Fleisch mit Reis und einer zugegeben sehr gut riechenden Soße, standen darauf.
Riley hatte genau dasselbe bekommen.
Er würde also nichts zum tauschen haben.
Den Reis, der nicht mit Soße übergossen war, konnte er mit einem kleinen schlechten Gewissen essen. Oder er versuchte es zumindest.
Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen, um Abends vor dem Schlafengehen sein Magen zumindest etwas mehr bekam, um nicht wieder vom Hunger wachgehalten zu werden.
Viel zu oft hatte er sich vor Hunger in den Schlaf geweint.

,,Wow. Du scheinst ja motiviert zu sein."
,,Ich esse bevor ich schlafen gehe immer am meisten. Dann muss ich nicht hungrig ins Bett gehen.", erklärte Dany und würgte die Reiskörnchen herunter.
,,Naja, musst du ja auch nicht wirklich."
Der Sechzehnjährige verdrehte die Augen und verschränkte seine Arme vor der Brust. Eine Weile lang versuchte Dany den gegenüber sitzenden Mann mit seinem Blick zu erdolchen. Dieser machte ein paar Mal seinen Mund auf, schloss ihn jedoch nach einigen Versuchen die richtigen Worte zu finden und wandte sich seinem Essen zu. Erst dann hörte der weißhaarige auf, den jungen Mann so anzustarren.
Nein, er musste wirklich nicht, aber er wollte.
Er wollte nicht zunehmen oder das Gefühl eines vollen Magens haben. Das Blähbäuchlein nachdem er etwas gegessen hatte sehen, geschweige denn die Folgen auf der Waage.


,,Tut mir leid, falls ich dir zu nahe getreten bin. Ich versuch nur zu verstehen, warum man sich selbst aushungern sollte. Es wäre einfacher wenn dus mir erklären würdest.", man hatte ihnen den Nachtisch gebracht, einen Obstsalat, und Riley sah ihn fragend an.
Er wollte wissen warum?
Tja, das war die Frage.
Warum tat er sich selbst das an?
Warum ließ er seinen Körper hungern und so verkümmern?
Warum aß er nicht?
Warum versuchte er sich selbst zu perfektionieren?
Ja er hatte mal zu viel auf den Rippen gehabt aber jetzt? Jetzt war das schon deutlich zu wenig.
Warum also tat er das ganze weiterhin?
Weil er nicht aufhören konnte.

,,Ich...weiß es nicht."
Bei diesen Worten zog Riley seine Augenbrauen hoch.
,,Wie du weißt es nicht? Du brauchst doch einen Grund! Alles hat seinen Grund!"
,,Ja das weiß ich doch auch. Es gibt sicher einen Grund, vielleicht weiß ich ihn nur nicht. K...Können wir über etwas anderes reden...bitte?", Riley nickte knapp und wandte sich wieder seinem Essen zu.
Ein drückendes Schweigen breitete sich zwischen den beiden aus. Dany stocherte in seinem Teller herum.
Er hatte den Reis, auf dem sich keine Soße befand, gegessen und überlegte nun, ob er etwas von dem Salat essen sollte. Kartoffeln hatten nicht gerade wenig Kalorien....Fleisch jedoch auch nicht...er entschied sich für die Scheibe Weißbrot. Er würde nur die Hälfte essen, das würde für die Nacht reichen.
,,Riley? Kann ich dich auch mal was fragen?"
,,Das hast du doch schon einige Male, da hast du nicht so nett gefragt."
Dany verdrehte seine Augen und nahm einen kleinen Schluck aus dem Wasserglas. Bevor er weiter sprach, sah er aus dem Fenster. Der Regen ließ langsam nach und ein paar wenige Sonnenstrahlen kämpften sich durch die dichten Wolken.
,,Warum bist du eigentlich hier?"
Riley hielt in seiner Bewegung Inne und presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen.
,,...vielleicht erzähle ich dir das mal...aber nicht jetzt.", damit war das Gespräch beendet.
Der weißhaarige schob das Tablett ein wenig von sich und zog die Sweatjacke enger um seinen hageren Körper.
,,Ich wollte nicht unfreundlich sein, Dany."
,,Ist schon okay. Du hast deine Geheimnisse und ich meine."

Ben kam zu ihnen und nahm die Tabletts mit.
,,Na du hast ja sogar mehr als nur zwei Reiskörnchen gegessen.", der Pfleger grinste leicht und brachte das Geschirr weg.
Jetzt nur noch das Dessert....


Als ein anderer Pfleger jedem einen Eisbecher hin stellte, kam Dany das Essen wieder hoch. Eis. Er hatte es nie gemocht. Zumindest nicht dieses Milch-Eis.
,,Sag bloß du magst kein Eis?"
,,Wenn es aus Wasser oder Saft oder etwas anderes als Milch besteht, dann schon...aber so? Ganz sicher nicht."
Der junge Mann lachte leise.
,,Als ob du nicht schon wählerisch genug wärst. Möchtest du die Waffel haben oder sollen wir Ben nach etwas anderen Fragen? Du könntest auch Waffeln haben oder ein Stückchen Kuchen wenn du lieb fragst."
,,Nein, schon gut. Ich habe noch Bonbons auf dem Zimmer."
,,Die dort wahrscheinlich bis zu deiner Entlassung bleiben werden."
Der Junge sah ihn finster an.
Der schwarzhaarige beugte sich vor und kniff die Augen zusammen.
,,Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du sehr schöne Augen hast?"
Ja, Collin hatte ihm das sehr oft gesagt.
Verwirrt blickte Dany den anderen an. Er hatte ja mit allem gerechnet aber mit einem Kompliment...Ganz sicher nicht.
,,Wollt ich nur mal gesagt haben.", er lehnte sich wieder in den Stuhl und rührte in seinem Eisbecher herum. Er hatte noch nichts von dem Eis gegessen.
,,Willst du das trinken oder was?"
,,Ich mag diese Sorte nicht. Wer isst denn bitte Minz-Eis? Ich zumindest nicht! Kann ich dich heute noch einmal besuchen?", dieser Mann sprang von Thema zu Thema wie von einer Pfütze in die andere.
,,Wenn du dieses Mal darüber nachdenkst, was du sagst.."
,,Ja werde ich. Ich wollte dich wirklich nicht verletzen."
,,Hast du aber."
,,Ich weiß und es tut mir leid."

,,Scheint mir als wärt ihr beide nicht gerade begeisterte Eis-Esser.", Ben schon wieder.
,,Ich mag die Sorte nicht und Dany isst nur Wassereis.", antwortete Riley für sie beide und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Das habe ich mir schon fast gedacht.", murmelte der Pfleger als er einen kurzen Blick zu Dany warf.
,,Kann ich zurück auf mein Zimmer?", der sechzehnjährige trank einen weiteren Schluck Wasser und sah dann wieder au dem Fenster. Er vermied den Blick des Mannes.
,,Ich kann dich auf dein Zimmer bringen, dann kann ich ja gleich bleiben.", bevor weder Ben noch er eine Antwort geben konnte, war der neunzehnjährige auch schon aufgesprungen und schon den Jungen davon.


Dany setzte sich auf sein Bett und sah zu wie Riley das Fenster für ihn öffnete.
,,Spielen wir was?"
,,Bist du eigentlich ein Kind? Hast du nichts zu tun?"
,,Hier nicht. Sie haben mir meine Bücher genommen....meine Zeichen Utensilien... alles was mich beschäftigen könnte. Es war schon ein Kampf das Schachspiel zu bekommen. Die nehmen den Scheiß hier echt ernst...", Riley warf sich neben ihm auf das Bett und schloss seine Augen, sodass seine dichten Wimpern seine Wangen berührten.
,,Wann hast du...aufgehört normal zu essen?"
,,Vor etwa zwei Jahren glaube ich."
,,Und warum?"
,,Weil ich zu viel gewogen habe und alles in mich hinein gestopft habe, was ich finden konnte. Jemand hat mich dann mal darauf hingewiesen."
,,Dieser jemand muss dir ja wirklich nahe gestanden haben, wenn du ihm geglaubt hast..."
,,Wenn du mir versprichst, dass du nicht gehst oder anfängst mich zu hänseln deshalb, dann sage ich dir auch wer es ist."
,,So schlimm?"
,,Es war ein Freund. Collin hat mir damals gesagt, dass ich mal auf meine Ernährung achten sollte und auf mein Gewicht. Ein halbes Jahr später hat er mich sitzen gelassen...", Dany vermied es den jungen Mann anzusehen.
,,Und du hast dir nicht irgendwie ein Limit gesetzt? Bei wie vielen Pfund du aufhörst?"
,,Nein, ich...das ist eine ganz andere Geschichte. Du wolltest ein Spiel spielen?"
Riley setzte sich auf und stützte sich mit den Ellbogen ab.
,,Warum wechselst du das Thema? Ist es dir unangenehm?", breit grinsend sah der schwarzhaarige zu ihm auf.
,,Ich weiß ja nicht wie du darüber denkst! Es kann gut sein, dass du einer dieser Typen bist, die sich über...Typen wie mich lustig machen!"
Er schüttelte kichernd den Kopf.
,,Glaub mir, Dany. Der letzte der sich darüber lustig macht, bin ich. Das verspreche ich dir und willst du wissen warum?"
Interessiert wandte sich der Junge dem neunzehnjährigen zu.
,,Ich hatte schon Freundinnen und sogar auch einen Freund. Also kannst du dir sicher sein, dass ich der letzte bin, der dich deshalb verurteilt."

Wake UpWhere stories live. Discover now