Rückblende 3

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Mehrere Monate bin ich nun schon in Hogwarts und das mit den Regeln habe ich so gedreht, dass die Lehrer und ich auf eine einigermaßen gute Lösung gekommen sind. Im Unterricht muss ich zwar diese komische Robe tragen, aber dafür darf ich meinen Hut aufbehalten und den Dolch meines Vaters immer bei mir tragen.

Das Zaubern an sich macht wirklich Spaß und ich bin sogar relativ gut darin. Lily und ich sind gerade auf dem Weg zu unseren letzten beiden Zaubertränkestunden vor den Weihnachtsferien, als sich Malfoy uns mal wieder in den Weg stellt. Mit ihm habe ich mich immer mal wieder angelegt, aber nie Hauspunkte verloren und das, obwohl Lily meint, dass er vorzugsweise Gryffindors für alle möglichen Kleinigkeiten bestraft.

"Was willst du?", frage ich genervt. Lily ist durch die ständigen Schlagabtausche zwischen Malfoy und mir auch selbstsicherer geworden und weicht nicht mehr zurück, wenn er uns mal wieder anspricht. Doch heute wirkt er nicht so, als wolle er uns, oder besser gesagt mich, provozieren. Ganz im Gegenteil, er wirkt sogar etwas nervös. "Kann ich mal mit dir sprechen? Alleine, bitte", fragt er und schafft es sogar freundlich zu lächeln. Genervt drehe ich mich zu Lily und mache eine Kopfbewegung, die ihr symbolisieren soll, zu gehen. Sie nickt und verschwindet in Richtung Klassenraum.

"So, was willst du? Ich muss zum Unterricht", frage ich und verschränke meine Arme vor der Brust. "Treffen wir uns Samstag nach dem Frühstück? Ich möchte dir etwas zeigen", fragt Malfoy und kratzt sich leicht verlegen und nervös mit der rechten Hand im Nacken. Irritiert hebe ich eine Augenbraue und mustere ihn. "Fragst du mich gerade, ob ich mit dir ausgehe?" Er atmet einmal tief durch bevor er antwortet: "Wenn du es so nennen möchtest." Er weicht der Frage aus.

"Du weist aber schon, dass ich fünf Jahre jünger bin alsdu?" äußere ich Bedenken. Ich meine, dass ich ihn nicht anziehend finde, kann ich nicht sagen, aber ich weiß, dass ihm sehr wichtig ist, was die anderen denken und die würden so was nicht viel Verständnis entgegen bringen. "Also mir ist das egal", erklärt er: "Und seit wann ist dir wichtig, was andere denken? Außerdem bist du schon viel erwachsener, als die Mädchen in meinem Jahrgang." Irgendwie ist mir dieses vermutliche Kompliment unangenehm und ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. "Also ich werde da auf dich warten, weil ich dich gerne besser kennen lernen möchte", sagt er und verwindet.

Als ich Lily eröffne, dass ich mich mit Malfoy am Samstag nach dem Frühstück treffen werde, äußert sie Bedenken, die mich aber herzlich wenig interessieren und dann ist auch schon Samstag.

"So, hier bin ich. Was willst du mir zeigen?" versuche ich möglichst neutral zu fragen. Er soll nicht merken, dass ich tierisch aufgeregt bin und mich heute mindestens 100 mal umgezogen habe. Lily hatte mir geholfen, obwohl ich eigentlich dachte, sie wäre nicht begeistert von dem Treffen. Auf die Frage, warum, sagte sie nur, dass ich offensichtlich verliebt wäre und sie mir deshalb helfe.

"Wow, du siehst umwerfend aus", haucht Malfoy. Schon komisch, ich gehe mit ihm aus und weiß nicht mal seinen richtigen Namen. "Können wir?" fragt mein Gegenüber und hält mir den Arm hin. "Ja", sage ich und laufe, ohne mich bei ihm einzuhaken los. Auf Malfoys Gesicht sieht man kurz Enttäuschung, dann folgt er mir nach draußen. "Wo müssen wir lang?" frage ich und werde, kaum dass wir das Schloss verlassen haben, entspannter. Der kalte Wind streicht um meine Nase und ich muss leicht lächeln.

"Komm", sagt Malfoy und will mir wieder seine Hand hin halten. Jedoch zuckt er zurück und läuft dann einfach los. Ich folge ihm und er führt uns zunächst in Richtung See. Dort laufen wir stumm am Ufer entlang, bis wir irgendwann in einen engen Waldweg biegen. "Wo gehen wir hin?" frage ich und ducke mich unter einem Ast her. "Warte ab", antwortet Malfoy lächelnd und folgt weiter dem kleinen Trampelpfad.

Ich muss etwas lachen, da es sich im Moment wie ein kleines Abenteuer anfühlt. Dieses Gefühl habe ich echt vermisst, seit ich hier auf der Schule bin. Einfach mal irgendwo hingehen, wo man nicht genau weiß, was auf einen zukommt. "Vorsicht", flüstert Malfoy plötzlich und bleibt stehen. Irritiert bleibe ich auch stehen und versuche an Malfoy vorbei zuschauen. Vor uns versperrt ein umgekippter Baum den Weg, auf den Malfoy nun vorsichtig hinauf klettert. Dann hält er mir die Hand hin, um mir beim hinaufklettern zu helfen. Eigentlich könnte ich es auch gut alleine, aber hier sieht uns sowieso keiner und es ist ja irgendwie eine süße Geste von ihm. Also nehme ich seine Hand und lasse mir hinauf helfen.

Auf der anderen Seite hilft er mir auch wieder runter und lächelt mich glücklich an. Dann laufen wir weiter und nach wenigen Metern macht der Weg einen Schlenker nach rechts. Wir stehen wieder am See, aber dieses Mal an einer kleinen versteckten Bucht. "Und? Gefällt es dir?", fragt Malfoy und wirkt leicht nervös. "Es ist wirklich schön hier", gebe ich zu und lächle ihn leicht an. Dann folge ich Malfoy zu einer alten Bank und wir setzen uns. "Und, was machen wir jetzt?" frage ich, als mir die Stille zu blöd wurde. Malfoy zuckt mit den Schultern und wendet sich mir zu. "Was möchtest du denn machen?", fragt er dann und sieht mich auffordernd an. "Was machst du denn sonst immer?" stelle ich eine Gegenfrage. "Normalerweise würde ich sage, man redet, um sich ein bisschen besser kennen zu lernen, aber mir wurde gesagt, du redest nicht gerne. Jedenfalls mit niemandem außer Lily und Sirius", antwortet Malfoy und lächelt unsicher.

Irgendwie süß, diese Unsicherheit. "Na gut, worüber möchtest du denn reden oder sollen wir es so machen, dass wir uns abwechselnd immer eine Frage stellen und die dann ehrlich beantworten?", schlage ich vor, weil mir wieder einfällt, dass mein Vater das mit meiner Mutter gespielt hat, als sie das zweite mal bei ihm war. Jedenfalls hat er mir das so erzählt. "Das können wir gerne machen", stimmt Malfoy zu. "Dann stell deine erste Frage", fordere ich ihn auf und er überlegt kurz.

"Wo kommst du her?", fragt er eine Standardfrage für den Anfang. Ich erzähle ihm, dass ich bei meinem Vater auf der Flying Panther aufgewachsen bin und keinen Kontakt zu meiner Mutter habe. Dann bin ich mit meiner ersten Frage dran. "Wie heißt du eigentlich mit vollem Namen?" frage ich und er fängt an zu lachen. Ich boxe ihm leicht gegen die Schulter. "Nicht lachen. Die, die ich kenne nennen dich alle nur Malfoy", erkläre ich und spucke den Namen so wie die anderen Gryffindors auch. "Lucius Malfoy und wenn ich das richtig verstehe, nicht so besonders beliebt im Hause Gryffindor", lacht er und hält mir seine Hand hin. Ich greife nach seiner Hand und sage: "Schön dich kennen zu lernen." Dann müssen wir beide lachen. Seine Lache ist wirklich schön und extrem ansteckend. Ich wünsche mir, ich könnte sie öfter hören. "Du bist wieder", sage ich nach einigen Minuten und er stellt seine nächste Frage.

Wir sitzen den ganzen Tag dort und stellen uns Fragen, die wir dann beantworten. Zwischendurch holt Lucius von irgendwo her noch einen Picknickkorb, in dem viele leckere Kleinigkeiten sind, die wir während dem Fragen stellen und beantworten essen. Zum Schluss sind wir einfach nur noch so am reden und ich habe für einen kurzen Moment alles um uns herum vergessen. Als es anfängt zu dämmern wird es immer kälter und wir sind gezwungen, zurück ins Schloss zu gehen.

Lucius bringt mich noch bis zum Gemälde der fetten Dame. Mir ist auch komplett egal, ob uns jemand sieht und Lucius scheint es ähnlich zu gehen. "Ich fand, das war ein sehr schöner Tag heute mit dir", sagt er und bleibt vor dem Gemälde stehen. Ich drehe mich zu ihm und nicke. "Fand ich auch. Ich muss sagen, heute Morgen war ich noch skeptisch, weil immer alle sagen, du seist ein Nichtsnutz, aber du bist eigentlich voll in Ordnung", sage ich.

Lucius und ich stehen eine ganze Weile einfach nur da und sehen uns in die Augen. Wir wollen wohl beide noch nicht, dass das Treffen jetzt endet. Nach einigen Minuten nehme ich all meinen Mut zusammen, stelle mich auf die Zehenspitzen und drücke ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. Dann stelle ich mich schnell wieder normal und einen Schritt von ihm entfernt hin. Unsicher sehe ich auf meine Schuhe und frage mich, wo die Handlung nun herkam. Das ist eigentlich nicht meine Art, aber irgendwie hat es sich in dem Moment richtig angefühlt.

Lucius braucht einige Sekunden um meine Aktion zu verarbeiten und zu verstehen, kommt dann aber einen Schritt auf mich zu. Ich spüre seinen Blick auf mir und lege meinen Kopf in den Nacken, um ihm in die Augen zu sehen. Er ist ein ganz schönes Stück größer als ich. Langsam beugt er sich zu mir runter, doch bevor er mich küssen kann, öffnet sich das Gemälde und Sirius kommt mit seinen Freunden raus. Lucius und ich schrecken auseinander und ich funkle Sirius böse an. Sein Blick wandert kurz zwischen Lucius und mir hin und her, aber er scheint nicht zu verstehen, was gerade zwischen uns ist und läuft einfach mit den anderen weiter.

"Ich glaub, ich sollte jetzt rein gehen", sage ich leicht enttäuscht und wende mich dem Eingang zum Gemeinschaftsraum zu. Doch Lucius scheint es nicht so einfach hinzunehmen, dass wir bei unserem Fast-Kuss unterbrochen wurden, denn er greift nach meiner Hand und zieht mich zu sich. Leicht erschrocken zucke ich zusammen und reiße die Augen auf, doch dann liegen schon seine Lippen auf meinen und meine Augen schließen sich wie von alleine. Der Kuss dauert nicht lange, aber ist der Beginn einer wundervollen Beziehung, die bei vielen auf Unverständnis trifft. Allerdings sind uns die Meinungen der anderen herzlich egal und wir machen das Beste draus. Ich verbringe sogar meine zweiten Sommerferien mit ihm im Malfoy Manor.

Eine Piratin in HogwartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt