1.Kapitel *Überarbeitet*

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Wen man stirbt sagt man, zieht das Leben an einem vorbei. Bei mir war es nicht so. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich nur kurz tot war. Oder dass es nur ein Mythos ist. Woher soll man das schließlich auch genau wissen?

Meine Bettnachbarin schnarchte kurz auf. Sie war ganz nett. Ich hatte wirklich schon schlimmere Bettnachbarn. Eine hat die ganze Nacht über laut geschnarcht und mich so die ganze Nacht über wachgehalten. Zum Glück war die nur ein paar Tage da. Eine andere hat immer rumgenörgelt. Egal was war, sie fand etwas zum rumnörgeln. Das war echt nervig. Aber am schlimmsten sind die, die Besuch von ihrer Familie bekamen, denn das erinnert mich immer wieder daran, dass ich niemanden mehr hatte.

Vor drei Monaten war der Autounfall. Meine Eltern, mein großer Bruder und meine gerade mal zwei Jahre alte Schwester waren mit mir im Auto.

Wir lachten als es geschah. Mein Vater erzählte uns mal wieder, wie er versucht hat, meine Mutter zu beeindrucken, und dabei in den Brunnen gefallen ist, da zwei kleine Kinder an ihm vorbei gelaufen sind. Es war eine so schöne Geschichte.

Doch dann war da auf einmal dieser Lastwagen. Das letzte was ich mitbekam, waren seine grellen Scheinwerfer und der schrille Schrei, denn meine Mutter ausstieß. Mehr bekam ich nicht mit, da alles schwarz wurde.

Als ich aufwachte, lag ich im Krankenhaus, auf der Intensivstation. Die Ärzte sagten mir, dass ich mit dem Kopf gegen die Auto Decke geknallt bin, worauf ich direkt Ohnmächtig wurde. Als die Rettungskräfte angekommen sind, waren alle Insassen tot. Nur mich konnten sie noch lebend bergen. Sie waren zuerst überrascht, dass ich noch lebe, doch noch nicht ganz im Krankenwagen, hat auch mein Herz aufgehört zu schlagen. Keiner aus meiner Familie lebt mehr. Jetzt bin ich ganz alleine.

Ich fange wieder an zu weinen. Kaum zu glauben, dass ich das noch kann. Aber ich reiße mich wieder zusammen. Wenn es stimmt, dass meine Familie mir jetzt vom Himmel aus zusieht, soll sie nicht sehen, wie ich weine. Nein, ich sollte für sie das Leben mit genießen. Vor allem für meine kleine Schwester, die ihr ganzes Leben noch vor ihr gehabt hatte. Klar es wird bestimmt schwer werden. Aber ich bin stark. Muss stark sein. Für Sie.

Morgen sollte ich aus dem Krankenhaus entlassen werden.

Dann soll ich in ein Heim etwa zwei Autostunden entfernt kommen. Als erstes wollten sie mich hier ganz in der Nähe in eins stecken, doch ich kann nicht hier leben, wo mich alle kennen und mich fragen ob es mir gut geht, wo alles an meine Familie erinnert. Ich brauche einen Neuanfang. Einen Neuanfang, um normal weiterzuleben. Trotzdem heißt das nicht, dass ich meine Vergangenheit vergessen möchte.

Im Gegenteil.

Ich will mich einfach immer an meine Familie erinnern. Sie waren einfach so toll, und ich bin für jede Minute dankbar, die ich mit ihnen verbringen durfte.

Und ich bin mir sicher, dass ich den Neuanfang schaffen werde.

Ich bin eine starke Person.

Zumindest sagten das die Pflegerinnen und auch die Pfleger hier auf der Station immer.

Sie hatten irgendwie ja auch Recht.

Als ich hier ankam waren beide Beine gebrochen. Ich hatte unzählige Schnittwunden an meinem Bauch, Armen und auch am Rücken. Die Ärzte hatten kaum eine Hoffnung, dass ich wirklich überlebe, doch ich habe es.

Man sieht die Stellen immer noch, da viele zu Narben geworden sind.

Trotzdem fiel ich drei Tage ins Koma. Ich schlafe wieder ein.

Ich werde von Jule, einer der Pflegerinnen die mich die drei Monate über betreut hat, geweckt.

"Aufstehen. Du wirst in einer Stunde abgeholt. Soll ich dir noch beim Packen helfen?"

"Morgen. Ja es wär wirklich nett wenn du mir helfen würdest", antworte ich.

Ich steige aus dem Bett aus, und gehe zum Schrank. Meine Beide sind immer noch etwas steif, doch ich schaffe es recht gut mich zu bewegen.

Langsam fangen Jule und ich an meinen Koffer zu packen. Es ist der Koffer, den mir meine Oma geschenkt hat, bevor sie vor drei Jahren am Krebs gestorben ist. Sie war auch eine starke Frau, doch leider nicht stark genug, um gegen den Krebs zu gewinnen.

"Und? Freust du dich schon auf dein neues Zuhause?", fragt mich Jule.

"Naja. Es wäre schon schöner, wenn ich hier bleiben könnte."

"Du willst hier bleiben?", fragt sie mich und fängt an zu Lachen.

"Das ist nicht witzig", gebe ich beleidigt wieder.

"Sorry, aber eigentlich schon. Alle anderen sind froh, wenn sie hier raus dürfen, und du willst bleiben."

"Ja. Hier kenne ich alle. In diesem Heim aber kenne ich einfach keinen. Und außerdem bist du auch gerne hier."

"Ja schon. Aber trotzdem bin ich jeden Abend froh, wenn ich nach Hause kann. Klar ich liebe diese Arbeit und bin auch unendlich froh darüber, dass ich sie habe, aber hier wohnen? Nein danke".

"Du kannst ja auch zu deiner Familie gehen, oder zu Freunden. Ich müsste um zu meiner Familie zu gelangen, auf den Friedhof und zu meinen Freunden gehen geht nicht. Dafür müsste man nämlich noch welche haben", sage ich. Früher hatte ich ein paar Freunde, doch sie haben mich hier noch kein einziges Mal besucht, und ich habe auch nicht vor, sie zu besuchen, denn sie standen mir in dieser schweren Zeit nicht zur Seite, und solche Freunde will ich nicht haben.

"Stimmt nicht ganz. Du hast ja schließlich noch mich", versucht sie mich aufzuheitern.

"Deswegen will ich ja auch hier bleiben. Hier habe ich dich, aber in dem Heim bist du nicht und ich bin alleine".

"Trotzdem können wir doch in Kontakt bleiben. Sagt ja schließlich keiner, dass das nicht geht".

"Trotzdem will ich hier bleiben", bleibe ich dabei.

"Das werde ich aber nicht zulassen. Du, Skyler Heyer, wirst in dieses Heim gehen und wenn ich dich dort selbst hinbringen muss. Also los, nehme dir deine Sachen mach dich fertig und komm zum Gemeinschaftsraum. Ich werde auf dich warten", sagt Jule und verlässt mein Zimmer.

Ich gehe das letzte Mal ins Badezimmer und machte mich fertig. Schnell kämme ich mir nochmal über meine kurzen braunen Haare. Früher hatte ich so schön langes Haar, doch sie wurden mir abrasiert als ich im Koma lag um zu schauen, ob ich dort eine schwerwiegendere Verletzung habe.

Ich schaue noch mal in den Spiegel. Kaum zu glauben. Vor nicht mal vier Monaten habe ich Krankenhäuser noch verabscheut, und jetzt will ich nicht mehr weg.

Ich dachte noch etwas darüber nach und kam zu dem Entschluss: Schlimmer als mein altes Leben kann es wohl kaum werden.

Ich Lebe. Na und? *Wird Überarbeitet*Where stories live. Discover now