30 | Entscheidung

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Ich hatte Angst davor, was Raphael mir nun sagen wollte. So aufgebracht, wie er wegen des Kusses gewesen war und sich anschließend verhalten hatte, schätzte ich meine Chancen nicht besonders gut ein. Vor lauter Nervosität spielte ich die ganze Zeit mit den Bändeln meiner Trackpants herum und meine Hände wurden ganz schwitzig.

»Also«, Raphael macht eine bedeutungsschwere Pause, »ich muss mich bei dir entschuldigen. Zum einen dafür, dass ich dich letztens im Hotel sitzen gelassen habe. Das war scheiße von mir und ich hätte daran denken sollen, dass du auch irgendwo schlafen musst. Hab ich aber nicht. Das mit der Tasche hat sich ja Gott sei Dank schon geklärt. Tut mir leid, dass wir dich so erschreckt haben. Ich wusste nicht, dass du ausgerechnet heute wieder hierherkommst. Auch die Sache mit dem Groupie im Club gestern - du hast das falsch verstanden. Ich habe dir die kompletten Videos von Joshi gezeigt. Du musst mir bitte glauben, dass ich nichts mit ihr hatte. Im Gegenteil, ich verabscheue diese aufdringlichen Menschen, die sowieso nur Interesse daran haben, mich ins Bett zu kriegen, weil ich ein bekannter Rapper bin. Denkst du wirklich, ich bin so oberflächlich und würde etwas mit so einem Groupie oder irgendwelchen Frauen aus einem Musikvideo anfangen? Niemals, egal was ich im Streit gesagt habe. Ich bin auf der Suche nach etwas Ernsthaftem, will irgendwann bald eine eigene Familie gründen und brauche keine Mädchen für eine Nacht. Es gibt auch nur eine Einzige, von der ich wirklich etwas wollen würde«, sagte er geradeheraus und sah mich abwartend an.

Meinte er etwa wirklich mich? »Ach Raphael«, seufzte ich traurig. »Ich sehe schon, du glaubst mir nicht«, antwortete er enttäuscht. »Doch das tue ich. Aber weißt du, das, was ich gesehen habe - die ganzen Musikvideos, später dann die Sache mir dieser leicht bekleideten Blondine im Club und schließlich noch die Tasche. Ich weiß mittlerweile, dass du sehr gefragt bist - gerade auch bei der Damenwelt. Ich habe einfach eins und eins zusammengezählt. Es war so offensichtlich für mich, aber ich habe mich wohl getäuscht. Ich hätte dir mehr vertrauen müssen und eigentlich hätte ich auch wissen müssen, dass du keines der Models aus euren Videos jemals angefasst hast. Ich habe es doch selbst gesehen, finde es aber trotzdem nicht so gut, wie ihr euch mit denen präsentiert. Ich glaube, dass du die Wahrheit sagst. Tut mir leid, dass ich dir sowas unterstellt habe. Du bist in der Hinsicht offenbar wirklich ganz anders als die Jungs von der 187 Strassenbande.«

»Okay, Entschuldigung angenommen. Ich muss aber schon sagen, diese Eifersucht steht dir«, witzelte er, wurde jedoch schnell wieder ernst. »Aber wenn wir schon beim Thema 187 sind, was war mit dem Kuss von John? Ich habe mich mittlerweile mit ihm ausgesprochen und von seiner Seite aus ist alles klar, aber was ist mit dir? Bedeutet er dir etwas? Stehst du auf ihn? Das fickt schon seit Wochen meinen Kopf. Ich muss es endlich wissen!« Unsicherheit und Angst spiegelten sich in Raphaels Augen wider. Er wippte mit seinem linken Fuß einen unruhigen Rhythmus.

»Nein, ich stehe nicht auf John. Weder ich noch er haben da irgendetwas hineininterpretiert. Es ging von ihm aus und war völlig ohne Hintergedanken. Ich habe ihm deutlich gemacht, dass er es trotzdem zukünftig bleiben lassen soll. Mir war das selbst total unangenehm, weshalb ich direkt danach aufgestanden und auf Abstand gegangen bin. Sorry, dass du das mitbekommen musstest. Ich kann sogar verstehen, dass du so wütend reagiert hast. Dafür, dass du mich dann so beleidigt hast, habe ich aber keinerlei Verständnis. Das hat mir richtig wehgetan. Es muss für dich wohl so ausgesehen haben, als würde da etwas zwischen mir und John laufen, aber es war nichts und da wird auch nie etwas sein. Wir haben uns, nachdem du weg warst, ausgesprochen und er hat sich auch sofort entschuldigt. Er wollte nie zwischen uns stehen. Raphael, ich würde dich nie betrügen oder verarschen. Mir ist das in meiner letzten Beziehung selbst passiert und ich weiß, wie scheiße sich das anfühlt«, erklärte ich ernst.

»Aber lass uns jetzt nicht weiter über die Vergangenheit reden.« Ich konnte beinahe hören, wie Raphael soeben ein riesiger Stein vom Herzen gefallen war. »Hmm, verstehe. Das tut mir sehr leid. Wenn du irgendwann mal darüber sprechen willst, bin ich natürlich für dich da«, bot Raphael an.

In meiner Wolke | 1raf7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt