27. Anders als geplant

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Ich streckte mich auf meinem Stuhl und merkte erst jetzt, dass ich vom vielen Sitzen völlig verspannt war. Mein Nacken schmerzte und ich bekam langsam Kopfschmerzen, ob nun vom Nacken oder durch die Bildschirme, wusste ich nicht.
Seit wir den Rechten Arm erreicht hatten waren ein paar Tage vergangen. Es war Dienstag und ich hatte bis gerade beobachtet, wie Newt mit Alby einige Pläne angesehen hatte, die Nick und George von den Teilen des Labyrinths gezeichnet hatten, die sie bereits erkundet hatten. Sie hatten durch seine Hilfe herausgefunden, dass es sich in jeder Nacht veränderte, auch wenn sie alle es anfangs nicht für möglich gehalten hatten. Doch nachdem sie es nicht mehr leugnen konnten, hatte man Newt, ohne dass darüber gesprochen oder abgestimmt worden war, zu Albys Stellvertreter erklärt – der wiederum war Nicks Stellvertreter. Irgendwie eine lustige Zusammensetzung.
Auch Gally hatte nichts einzuwenden gehabt, auch wenn er sich mehr und mehr als Kritiker an so ziemlich allem, was ihm nicht geheuer war, herausstellte. Die Tatsache, dass statt mir Newt hochgekommen war gefiel ihm überhaupt nicht und das hatte er Alby auch so gesagt. Trotzdem konnte er nicht leugnen, dass Newt in Ordnung und noch dazu ziemlich clever war.
Langsam, weil ich einen Krampf im Nacken befürchtete, stand ich auf und wartete, dass Teresa und Thomas mich zum Abendessen begleiteten. Die beiden räumten gerade ihre Plätze auf und folgten mir dann aus dem Raum.
Wir redeten über die Arbeit und darüber, was es wohl heute zum Essen gab und ich dachte nicht ein bisschen an unser Vorhaben mit den Kids. Uns blieben noch fast 3 Wochen bis wir es durchziehen wollten und wir hatten bereits alles durchgeplant, sodass wir Vince nur noch den genauen Tag mitteilen mussten und das würden wir in ein paar Tagen machen.
Als wir den Speisesaal erreichten holten wir uns etwas zu essen und Thomas rümpfte die Nase über das Gemüse, das man ihm aufgetan hatte. Ich musste lachen und konnte auch Teresa schmunzeln sehen.
Wir setzten uns wie die letzten Tage zu meinen Freunden und ich wunderte mich, dass Minho noch nicht da war, obwohl Ben mir gegenüber saß.
„Hey Ben, wo hast du Minho gelassen?", fragte ich, bevor ich mir ein Stück Kartoffel in den Mund steckte.
„Da fragst du was, ich dachte er wäre bei dir." Ich sah ihn verwirrt an und er fuhr fort. „Eben kam deine Freundin – Wie heißt sie nochmal? Hängt immer mit diesem schrägen Typen rum, Aris heißt der glaube ich -" „Rachel" „- genau, Rachel. Sie kam zu unserem Zimmer und hat wie bekloppt gegen die Tür gehämmert, ich habe ihr aufgemacht und sie hat mich fast umgerannt, als sie auf Minho zugestürzt ist. Dann hat sie ganz wirres Zeug geredet, irgendetwas von wegen Janson weiß etwas oder so. Minho hat sie völlig entsetzt angeguckt und nur gesagt 'Wir müssen Anna finden' und dann sind sie ohne ein Wort abgerauscht. Und ich hab da gestanden." Er schüttelte den Kopf über diese Geschichte.
Ich sah ihn mit großen Augen an. Was war passiert? Was wusste Janson?
Ohne es gemerkt zu haben hatte ich meine Gabel fallen lassen und Thomas, der sie aufgehoben hatte, hielt sie mir jetzt hin.
„Alles okay, Anna?", fragte er besorgt.
„Ich muss nochmal zum Labor, ich hab was vergessen. Würdest du mein Tablett wegbringen?" Ohne auf eine Antwort zu warten stand ich auf und stürzte aus dem Saal, wobei ich noch ein „Danke, Tommy" über die Schulter rief.
Rennend erreichte ich den Korridor der Labore und sah Minho und Rachel auf mich zu kommen, sie völlig außer Atem, er sichtlich aufgebracht.
„Was ist passiert?", rief ich, noch bevor ich bei ihnen ankam.
„Janson, er hat irgendwie etwas mitbekommen. Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte, aber Aris hat gehört, wie er davon sprach, die Kids alle zu verlegen, weil es zu riskant sei, sie hier so offen zu 'halten'. Er meinte, wenn uns jemand angreifen würde, würden sie die Kids zuerst mitnehmen. Vielleicht ist es auch einfach nur schlechtes Timing und er ahnt gar nichts, aber das ändert die Situation. Wenn Aris Recht hat, wollen sie sie schon Donnerstagmorgen von hier wegbringen!"
„Ach du meine Güte", stieß ich hervor und sah sie entsetzt an.
„Was sollen wir tun, Anna? Das können wir doch nicht zulassen!" Rachel klang nicht ganz so bestimmend, wie sie wollte, denn sie war noch immer leicht am keuchen.
Aber sie hatte Recht.
Ich stand kurz da, während es in meinem Kopf ratterte. Was sollten wir tun? Wenn mir jetzt nichts einfiel, dann konnten wir die Rettungsaktion vergessen.
„Okay, ganz ruhig. Lasst uns ganz in Ruhe nachdenken."
„Wir müssen es morgen Nacht machen. Anders geht es nicht." Das war kein Vorschlag, Minho machte einfach eine Feststellung.
Ja, das ist unsere einzige Chance.
Ich nickte langsam und sah von einem zum anderen. „Na gut. Minho hat Recht. Wenn wir die Kids hier rausschaffen wollen, müssen wir es dann machen. Das heißt, wir müssen den Rechten Arm erreichen. Heute Nacht. Und dafür brauchen wir Thomas."

„Und Janson soll woher etwas wissen? Leute, ihr müsst mir glauben, von mir hat er nichts erfahren." Es war fast 2 Uhr morgens und wir liefen so schnell und leise wie es ging durch die Korridore, um zum Funkgerät zu gelangen.
„Ich habe keine Ahnung. Aber ich glaube dir." Ich wusste, dass Thomas uns niemals verraten würde.
Er nickte mir dankbar zu und wir erreichten den Korridor, in dem der Raum mit dem Funkgerät lag.
Schnell schlüpften wir alle hinein und Minho verschloss die Tür hinter uns.
„Also schön. Wir machen es genauso wie letztes Mal. Ich stelle alles ein und du redest." Ich nickte und er machte sich an die Arbeit.
Dieses Mal dauerte es nicht so lange wie letzte Woche und er hatte den richtigen Kanal gefunden. Und nach ein wenig Herumprobieren konnten wir wieder jemanden am anderen Ende hören.
„Hallo, Vince? Sind Sie das?", fragte ich vorsichtig.
„Ja, ich bin es. Bist du es, Anna?"
„Ja, ja, ich bin es. Vince, Sie müssen mir zuhören. Wir haben hier ein Problem. Die haben irgendetwas gewittert und wollen die Kids Donnerstag verlegen. In ein ganz anderes Gebäude. Wir müssen unseren Plan jetzt durchziehen. Ist das irgendwie möglich? Morgen Nacht zum Beispiel?" Oh Mann, klang das albern. Wie eine Verabredung zum Essen.
Aber auch dieses Mal schien Vince das alles überhaupt nicht albern zu finden. „Also gut. Gib mir eure Koordinaten durch. Und dann erzähl mir doch mal, wie ihr vom Dach kommen wollt, wenn ihr erst einmal drauf seid. Habt ihr irgendetwas, um die Kinder abzuseilen?"
In meinem Kopf ratterte es, aber Rachel schien einen Geistesblitz zu haben. „Bettdecken! Ein Seil aus Bettdecken. Etwas anderes haben wir nicht."
Ich unterbreitete Vince diesen Vorschlag und er schien es ziemlich amüsant zu finden, aber als er verstand, dass wir es ernst meinten und wirklich keine andere Idee hatten, wurde er wieder ernst.
„Das ist ziemlich riskant, die Kinder könnten fallen. Aber wenn ihr keine andere Wahl habt... Versuchen wir es und drücken die Daumen, dass eure Kids kleine Kletteraffen sind." Ich konnte ihn schon wieder schmunzeln hören.
Ja, wir mussten wirklich die Daumen drücken. Der Sand hatte zwar große Teile des Gebäudes bereits übertürmt, sodass, schon bevor das Labyrinth gebaut worden war, alles unter der zwanzigsten Etage eigentlich ein Keller war, aber trotzdem waren da noch einige Stockwerke, die über dem Sand waren.
Trotz aller Bedenken konnte es nur so überhaupt funktionieren und deshalb gab ich Vince die Koordinaten durch, die Thomas mir diktierte und sprach dann mit ihm ab, dass wir die Kinder um 3 Uhr morgen Nacht auf dem Dach versammelt hatten.
Wir verabschiedeten uns und als die Verbindung unterbrochen war, schwiegen wir wieder alle.
„Meinst du wirklich, das klappt?" Rachel durchbrach die Stille und sprach das aus, was wir uns wohl alle fragten.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich würde mal sagen, eine andere Möglichkeit haben wir nicht. Entweder wir machen es so - oder die Kids werden weggebracht und keiner rettet sie."
Wieder herrschte Stille. Minho machte einen Schritt auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. Er nickte mir stumm zu und ich wusste, dass er mir damit sagen wollte, dass wir das schon packen würden und dass es die richtige Entscheidung war, es zu versuchen.
Thomas hingegen stand etwas abseits und starrte auf seine Füße. Für ihn war das Ganze an diesem Punkt vorbei. Ich ging zu ihm herüber und nahm ihn in den Arm.
„Danke, Tommy. Du hast uns wirklich sehr geholfen."
„Ja, Mann. Das werde ich dir nie vergessen." Minho klopfte ihm auf die Schulter und auch Rachel nickte zustimmend.
„Aber Thomas, kommst du denn nicht mit uns?", fragte sie da verwirrt.
Er schüttelte nur den Kopf.
„Warum das denn nicht? Wie kannst du freiwillig hier bleiben wollen? Das kann doch nicht dein Ernst sein."
„Es gibt einfach zu viel, was mich hier hält. Wenn ich gehe, wer passt dann auf die Jungs im Labyrinth auf? Wer sorgt dafür, dass ihnen nichts Schlimmes passiert?" - Und Teresa konnte er auch nicht zurück lassen.
„Du kannst ihnen doch eh nicht helfen. Am Ende sterben sie alle und du siehst zu."
Ich merkte, wie Thomas sich in meiner Umarmung verkrampfte. Rachels Worte trafen ihn hart.
„Das reicht, Rachel. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht. Komm Tommy, ich bringe dich zu deinem Zimmer." Damit nahm ich seine Hand und zog ihn aus dem Raum, in dem eine perplexe Rachel und ein etwas peinlich berührter Minho zurückblieben.
Schweigend liefen wir die dunklen Korridore entlang und als wir Thomas' Zimmer erreichten umarmte ich ihn noch einmal und flüsterte: „Du triffst die richtige Entscheidung, Tommy. Und du passt auf die Jungs im Labyrinth auf so gut du kannst. Ich weiß das. Schlaf gut." Ich löste mich aus der Umarmung und lächelte ihn an. Er nickte und verschwand dann in seinem Zimmer. Ich blieb noch kurz vor der geschlossenen Tür stehen und wusste, dass er garantiert nicht schlafen können würde. So wie ich.

From The WICKED Start | A Maze Runner Story Onde histórias criam vida. Descubra agora