11. Die Nachricht

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Als ich am nächsten Morgen in Newts Armen aufwachte, weil der Wecker klingelte, stellte ich diesen dieses Mal unfallfrei aus und drehte mich zu ihm um.
Heute war auch er vom Klingeln wach geworden und sah mich jetzt mit seinen braunen Augen an. Und schon wieder schoss es mir durch den Kopf.
Teddybäraugen.
Statt 'Guten Morgen' oder etwas Ähnliches zu sagen, zog er mich an sich und küsste mich. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und genoss diesen Moment.
Als wir uns wieder voneinander lösten flüsterte er: „Daran könnte ich mich gewöhnen. Aber wahrscheinlich sollte ich das nicht." Er verzog das Gesicht bei diesen Worten und ich küsste ihn noch einmal vorsichtig.
„Denk nicht daran. Denk daran, dass ich dich liebe, ganz egal was passiert." Nachdem ich das gesagt hatte spürte ich, wie meine Wangen leicht erröteten. Ich hatte ihm das noch nicht gesagt.
Dieses Mal war es Newt, der mich wieder küsste und dieser Kuss war irgendwie anders als die voran gegangenen. Drängender, voller Verlangen.
Wir lösten uns erst, als es so spät war, dass wir es nicht mehr zum Frühstück schaffen würden. Aber das war mir vollkommen egal. Die Zeit mit ihm war einfach zu kostbar.
Wir machten uns beide schnell fertig und als wir aus Zeitgründen nebeneinander standen und uns die Zähne putzten musste ich lächeln.
Ja, ich könnte mich auch daran gewöhnen. Und ich wurde mir immer sicherer, dass es für mich nur einen Weg gab und das war der, bei dem Teresa mir helfen musste.

Im Laufschritt liefen wir zum Überwachungslabor und kamen gerade so pünktlich an. Außer Atem ließen wir uns auf unsere Stühle fallen.
Teresa sah uns mit einer hochgezogenen Augenbraue an und wandte sich dann wieder dem Bildschirm vor sich zu.
Thomas lachte und zwinkerte uns zu, sah dann aber auch wieder auf seinen Monitor.
Ich nahm mein Headset, setzte es auf und tauchte in eine andere Welt ein.
Auf der Lichtung waren sie gerade wieder dabei, zu frühstücken und ich konnte sehen, dass Gally wie gestern alleine an einem Tisch saß. Ich schluckte, als ich sah, dass dieses Mal nicht einmal Alby versuchte, sich neben ihn zu setzen.
Ich hörte, wie sich Nick und George darüber unterhielten, dass die Box heute mit Vorräten kommen müsste und mir fiel erst jetzt wieder die Nachricht ein, die Teresa und ich am Vorabend für Gally versteckt hatten.
Dieser warf den Anderen einen Blick von der Seite zu und stellte ohne ein Wort seinen leeren Teller auf Tobys Tresen.
„Hat's geschmeckt?", wollte dieser wissen, bekam aber keine Antwort.
„Mach dir nichts draus, Pan. Er wird schon noch auftauen."
Ich fragte mich einmal mehr, warum man jemanden, der sich nicht an seinen Namen erinnerte 'Fry Pan' - Bratpfanne - nannte. Nur weil er kochen konnte? Ich schmunzelte und musste zugeben, dass ich fand, dass der Name tatsächlich besser zu ihm passte, als sein alter – Toby.
Aber dazu kam ich nicht, denn auf der Lichtung war plötzlich ein lautes Geräusch zu hören und alle hoben ihre Köpfe.
Gally, der bereits begonnen hatte weiter an der Hütte zu bauen ließ einen Hammer fallen und sah sich verwirrt um. Als er bemerkte, dass alle in eine bestimmte Richtung liefen schloss er sich zwei Jungen an, die ich nur vom Sehen kannte und deren Namen mir nicht einfielen.
Fast gleichzeitig kamen die knapp 10 Jungen bei der Box an, die mittlerweile oben angekommen war.
Alby und George öffneten die Gitter und sahen herunter.
„Frische Vorräte, anscheinend ein paar Samen und Werkzeug. Oh, und neues Baumaterial", rief Alby.
„Okay, Jungs, jeder nimmt das, was er für seine Aufgabe hier braucht und dann wieder zurück an die Arbeit!"
Ohne ein Wort sprang Gally als erster in die Box und hob die Bretter auf, die für ihn dort deponiert lagen. Er kletterte wieder hoch und ignorierte dabei Georges Hand, die er ihm hinstreckte, um ihm zu helfen.
Er war schon wieder bei seinem Arbeitsplatz angekommen, als die Anderen erst begannen, ihre Sachen zusammen zu suchen. Einige hatten ihm verwirrt hinterher geschaut, andere eher genervt.
Ich dachte gerade darüber nach, was sie wohl über ihn dachten, doch da hörte ich durch das Headset, wie Teresa laut nach Luft schnappte.
„Jetzt findet er ihn gleich!", stieß sie hervor und klang richtig aufgeregt dabei.
Ich richtete mich auf und sah aus dem Augenwinkel, dass Newt sich rechts von mir ebenfalls vor beugte und Thomas auf meiner anderen Seite schnell sein Headset aufsetzte.
Was glaubt er zu hören?
Dieser Gedanke geisterte mir unbewusst durch den Kopf, während ich Gally dabei zusah, wie er begann die Bretter nach Größe zu sortieren.
Ich hielt die Luft an. Gleich würde er den Zettel finden. Es konnte nicht mehr lange dauern.
Aber er fand ihn nicht. Mittlerweile hatte er alle Bretter mindestens einmal hochgehoben, aber kein Zettel.
„Oh scheiße!", stieß Teresa hervor und ich sah verwirrt zu ihr herüber.
„Was...?", begann ich, doch sie deutete nur auf den großen Bildschirm, der über unseren Köpfen hing und auf den sie gerade eine Nahaufnahme des Bodens irgendwo zwischen Box und Hütte warf.
Ich sog geräuschvoll Luft ein und spürte, wie jede Faser meines Körpers sich anspannte.
Dort, auf dem Boden, lag meine Nachricht. Sichtbar für jeden.
Als Teresa jetzt etwas wegzoomte bot sich uns ein noch schlimmerer Anblick. Jemand ging genau auf den Zettel zu.
Alby.
Und wie zu erwarten war, entdeckte er den Zettel auf dem Boden und hob ihn auf. Er las, was darauf geschrieben stand, und sah sich dann um.
Kurz schien er nicht schlüssig zu sein, was er tun sollte und ich konnte sehen, wie er zu Nick und George herüber schaute. Doch dann schien er sich entschieden zu haben, ließ den Zettel in seinem Ärmel verschwinden und ging auf Gally zu.
Ich atmete erleichtert aus. Alby würde das Richtige tun, da war ich mir jetzt sicher. Wenn jemand außer Gally den Zettel finden musste, dann war es gut, dass es immerhin Alby war.
Bei Gally angekommen räusperte er sich. Ich konnte es hören, als stünde er direkt neben mir.
Gally sah auf und zog eine Augenbraue hoch, als er Alby erkannte.
„Was willst du dieses Mal?", fragte er.
Alby ließ den Zettel aus seinem Ärmel gleiten und hielt ihn ihm ohne ein Wort hin.
Gally nahm ihn und begann zu lesen.
Ich konnte förmlich sehen, wie sich bei jedem Wort, das er las, seine Augen weiter öffneten und sein Atem schneller ging.
„Woher...?", fragte er und sah Alby mit riesigen Augen an, als er zu Ende gelesen hatte.
„Er muss zwischen den Brettern gesteckt haben", erklärte dieser. „Da wollte jemand, dass nur du ihn liest."
„Anna...", flüsterte Gally. „Ja... Das war ihr Name. Ich... habe sie immer 'Kleine' genannt." Plötzlich sah er sich verwirrt um.
„Denkst du, sie sieht uns gerade zu?" Mein Herz setzte aus.
Alby zuckte mit den Schultern. „Schon möglich. Frag sie doch einfach, falls sie tatsächlich herkommen sollte. Ein Mädchen... Das wäre etwas Neues." Damit wandte er sich zum Gehen.
Gally sah sich immer noch um, als suchte er eine Kamera oder so etwas. Aber er würde garantiert nichts finden.
„Alby!" Der dunkelhäutige Junge drehte sich um. „Glaubst du, wir haben uns auch gekannt? Glaubst du, du hast sie gekannt? Kannten wir uns vielleicht alle früher mal?"
Alby schien zu überlegen. Nach einiger Zeit nickte er langsam, den Blick in die Ferne gerichtet.
„Auch hier würde ich sagen, dass das durchaus möglich ist. Wer weiß, vielleicht waren wir ja sogar Freunde." Wieder wandte er sich um, blieb dann aber stehen, um noch etwas zu sagen.
„Aber das ist völlig egal, Gally. Was zählt, ist was jetzt und hier ist und da kann ich dir nur sagen, dass ich gerne dein Freund wäre. Wir brauchen hier alle Freunde. Und ich bin sicher, dass ich nicht der Einzige bin, der gern dein Freund wäre."
Mit diesen Worten ging er nun endgültig und ließ einen verwirrten Gally zurück, der ihm zuerst nachschaute, dann noch einmal die von mir geschriebenen Zeilen las und sich dann wieder umsah, als suchte er eine Kamera oder so etwas, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte.
„Anna", murmelte er, während er einen Nagel in ein Brett hämmerte und ich konnte sehen, dass er lächelte.
Schon wieder setzte ich mein Headset ab und merkte, dass ich weinte. Und wieder gab Teresa mir ein Taschentuch, das ich dankbar annahm. Doch dieses Mal setzte sie sich nicht wieder sofort hin und ignorierte mich, sondern legte mir eine Hand auf die Schulter und streichelte sie.
„Wir haben das Richtige getan. Jetzt wird es ihm besser gehen." Sie drückte meine Schulter noch einmal und setzte sich dann wieder auf ihren Platz.

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