26. Vier Freunde

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Ich fiel beinahe vom Bett, als jemand gegen die Luftschachtklappe über mir hämmerte. Gerade war ich ein wenig eingeschlafen gewesen, nachdem ich mich geduscht und fertig gemacht hatte.
Schnell holte ich eine Haarspange, stellte mich auf mein Bett und spähte durch die Schlitze.
„Ich bin's." Minho.
Ich öffnete die Klappe und er sprang heraus, wobei er mich beinahe umriss, weil er das Gleichgewicht verlor und sich an mir festhielt. Aber ich konnte ihn halten und musste lachen, als ich sein entsetztes Gesicht sah.
Es dauerte nicht lange und es klopfte leise an der Tür. Rachel stand auf dem Korridor und sah sich immer wieder verängstigt um.
„Ich finde es gar keine gute Idee, nachts durch die Korridore zu laufen. Wenn uns jemand entdeckt... Wir hätten doch die Schächte nehmen sollen."
„Das Luftschachtsystem, das mit unserem verbunden ist beginnt erst auf Ebene 10, das habe ich dir doch schon erklärt. Wir müssen zu Fuß da runter."
Wir liefen im Laufschritt und so leise wie möglich durch die Korridore und benutzten statt der Aufzüge die Notfalltreppenhäuser. Das erschien uns um einiges unauffälliger.
Minho sah auf seine Uhr und ich spähte ebenfalls darauf. Es war 6 Minuten vor 2. Wir waren pünktlich.
Als wir ankamen, wo Thomas uns hinbeordert hatte, war Rachel einmal mehr vollkommen außer Atem, während Minho und ich wahrscheinlich noch kilometerweit hätten laufen können. Ich musste ein wenig lachen, als sie sich auf ihren Knien abstützte und gegen die Wand lehnte und wechselte einen Blick mit Minho, der ebenfalls amüsiert aussah.
Vorsichtig klopfte ich gegen die Tür und betete, dass es die richtige war und ich gleich nicht in die Augen eines Mitarbeiters blicken würde. Sie ging auf und Thomas spähte heraus. Ich atmete erleichtert auf.
„Na los, kommt rein bevor euch jemand sieht."
Wir schlüpften an ihm vorbei und ich sah mich interessiert im Raum um. Er war klein und schien früher ausschließlich zum Funken benutzt worden zu sein.
Thomas schien meine Gedanken zu erraten. „Von hier aus haben sie früher versucht, Überlebende zu erreichen. Aber irgendwann war einfach niemand mehr übrig und zu den anderen WICKED Einrichtungen ist es einfacher anders Verbindung zu halten. Seitdem steht dieser Raum leer. Das Funkgerät haben sie nie weggebracht."
„Gut für uns", meinte Minho schulterzuckend, während er das Gerät betrachtete. „Mann, ich hätte echt keine Ahnung, was man damit machen muss. Gut, dass du hier bist, Thomas." Er nickte ihm zu.
Thomas setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum und begann, an Rädchen zu drehen, Schalter umzulegen und Knöpfe zu drücken.
Plötzlich gab das Funkgerät komische Geräusche von sich, weshalb Rachel neben mir zusammenzuckte.
„Das ist laut!", flüsterte sie mir zu. Ja, da hatte sie Recht.
Als die Geräusche nicht aufhörten beugte ich mich zu Thomas und sagte: „Tommy, das ist wirklich ziemlich laut. Irgendjemand könnte uns hören und -" doch da hörte das Geräusch plötzlich auf.
„Kanal 7, jetzt hab ich ihn."
Ich spürte, wie mein Herz einen Hüpfer machte. Jetzt wurde es ernst.
„Okay, ich versuche mal wen dran zu bekommen." Er begann an einem Rädchen zu drehen. Es rauschte und hin und wieder hatte man das Gefühl etwas zu hören, aber es waren dann doch nur Störgeräusche.
Nachdem Thomas es minutenlang versucht hatte, war ich drauf und dran ihm zu sagen, dass er aufhören solle, dass es keinen Sinn hatte.
Doch plötzlich hielt er eine Hand hoch um uns auf sich aufmerksam zu machen. Als wäre das nötig gewesen.
„Ich hab was."
Und da hörte ich es auch, jemand schien zu reden. Das Signal war zwar schwach, aber es war da.
„Hallo? Kann mich jemand hören?", fragte Thomas.
Keine Antwort.
„Darf ich mal?"
Ohne ein Wort machte er mir Platz.
„Hallo? Ist da jemand? Mein Name ist Anna und ich suche den Rechten Arm..." Ich kam mir irgendwie dumm vor.
Schon wieder keine Antwort. Ich haute verzweifelt mit der Faust auf den Tisch. Das konnte doch nicht wahr sein.
Und dann, ganz leise und undeutlich sagte jemand: „Hallo? Wer spricht da?"
Ich riss die Augen auf und sah zu den Anderen herüber, die ebenfalls wie erstarrt da standen.
„Na los, sag was!" Rachel klatschte in die Hände.
„Ja, hallo! Mein Name ist Anna und ich bin hier mit drei anderen. Wir befinden uns im WICKED Gebäude in -" ich stockte und sah Thomas fragend an, der mit dem Mund 'Chicago' formte „- bei Chicago. Wir werden hier gefangen gehalten und müssen für sie arbeiten. Hier sind auch Kinder bei uns. Wenn wir Ihnen unseren genauen Standort mitteilen, können sie diese Kinder dann retten? Ich..." Jetzt kam ich mir vollkommen bescheuert vor. Was ich da redete klang völlig wirr.
Aber die Person am anderen Ende schien das nicht so zu sehen. „Ganz ruhig. Jetzt noch einmal von vorne und ganz langsam. Wer seid ihr, wo seid ihr und was habt ihr vor? Wie können wir euch helfen?"
Oh mein Gott, dieser Mensch wollte uns wirklich helfen! Mein Herz überschlug sich förmlich.
Ich versuchte so ruhig und genau wie möglich auf alle Fragen zu antworten, die er stellte. Als ich geendet hatte herrschte kurz Stille.
„Okay, Anna, ich verstehe. Das was ihr da vorhabt ist genau das, was wir schon seit Jahren versuchen. Nur haben wir noch lange nicht die Möglichkeiten, WICKED anzugreifen. Und leider wird es wahrscheinlich auch noch ein paar Jahre dauern, bis wir euch alle da raus holen können. Aber wenn ihr die Möglichkeit habt, euren Plan umzusetzen, werden wir da sein und die Kids und euch mitnehmen. Das verspreche ich dir. Abgesehen davon bist du ein sehr mutiges Mädchen mit sehr mutigen Freunden. Glaub mir, wir wissen, wie es bei WICKED aussieht. Bitte melde dich, wenn ihr einen genauen Zeitplan habt. Wir werden kommen, mit ausreichend Platz um alle mitzunehmen. Ich bin immer auf diesem Kanal zu erreichen und wenn ich nicht da bin, dann ist Mary da."
Ich spürte, wie mir ein paar Tränen die Wangen herunter liefen. Freudentränen.
„Okay, ich danke Ihnen so sehr! Wie... wie ist ihr Name, Sir?"
„Vince." Und damit brach die Verbindung ab.
Alle schwiegen und keiner machte einen Mucks. Wir waren wie erstarrt.
Thomas war der Erste, der sich wieder gefangen hatte. „Mary...", murmelte er gedankenverloren.
„Was ist damit?", fragte Minho, verwirrt, dass er sich jetzt über einen Namen Gedanken machte.
„So hieß die Ärztin, die mich damals immer untersucht hat. Sie hat eng mit Paige zusammen gearbeitet. Irgendwann war sie einfach verschwunden. Man sagte uns, sie sei gestorben, aber wirklich geglaubt hat es niemand."
„Ich erinnere mich auch, du hast Recht..." Verwirrt sah ich ihn an.
„Na gut, klar, es kann sein, dass sie hier gearbeitet hat und dann geflüchtet ist. Wundern würde es mich nicht. Die sind alle verrückt, die freiwillig für WICKED arbeiten, wenn ihr mich fragt."
Minho hatte Recht. Damit war das Thema anscheinend abgehakt.
„Leute... Es hat geklappt. Wir haben sie erreicht. Wir schaffen die Kids hier raus. Und wir kommen auch hier raus!" Rachel fiel mir um den Hals und ich griff nach Minho und Thomas, um sie mit in die Umarmung zu ziehen.
Ich sah in Thomas Augen und konnte das gleiche sehen, was auch ich dachte. Wir würden hier nicht weggehen. Wir konnten einfach nicht, auch wenn unsere Gründe sich so unterschieden, waren sie doch am Ende gleich. - Wir liebten jemanden, ohne den wir nirgendwo hin gehen konnten.
Denn ich wusste, was Thomas für Teresa empfand, auch wenn er selber vielleicht keine Ahnung hatte.
Wir hielten uns fest und ich spürte schon wieder eine Träne auf meiner Wange. Wir hatten es wirklich geschafft.
„Ich bin euch so dankbar. Ohne euch hätte ich das niemals geschafft!"
Nach einer kurzen Weile ließen wir uns los. Ich war mir sicher, dass ich noch nie zuvor in diesen Mauern ein solches Gefühl von Verbundenheit zu Menschen gespürt hatte wie gerade. Wir hatten da etwas gemeinsames, etwas, das wir zusammen machten. Und wir würden das schaffen. Wir mussten einfach.

From The WICKED Start | A Maze Runner Story Where stories live. Discover now