6. Noch weniger erfreuliche Neuigkeiten

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„Das machen die doch mit Absicht!"
Newt regte sich jetzt schon auf, seit wir den Speisesaal und damit auch Janson verlassen hatten. Mittlerweile saß ich wieder im Schneidersitz auf meinem Bett, während er in dem kleinen Raum auf und ab lief. So hatte ich ihn noch nicht erlebt. Irgendwie gefiel es mir, wie er über WICKED dachte. Er sprach das aus, was ich nie wirklich getan hatte. Trotzdem versuchte ich ihn zu beruhigen.
„Es besteht trotzdem die Möglichkeit, dass sie es nicht mit Absicht gemacht haben. Das da wirklich zwei Stellen frei geworden sind und wir die Einzigen, die Zeit haben, um sie zu übernehmen..."
Das glaubst du doch wohl selber nicht.
„Quatsch, natürlich ist das Absicht!" Er ließ sich neben mich aufs Bett fallen und seufzte. „Wahrscheinlich ist das irgendeiner von ihren verrückten Tests oder so."
Ich biss mir auf die Unterlippe. Er hatte vermutlich Recht. Und trotzdem konnten wir nichts dagegen tun. Wir konnten es nicht riskieren Janson zu verärgern.
„Newt... Wir müssen tun, was sie verlangen. Wenn wir uns nicht beugen, dann trennen sie uns und sperren uns einfach ein, oder sie bringen uns beide sofort in die Gedächtniskammern und dann ins Labyrinth. Und ich will nicht vergessen. Ich will Gally und die Anderen nicht vergessen. Ich will dich nicht vergessen."
Ich sah ihm tief in die Augen. Er erwiderte meinen Blick und ich spürte sie wieder, die Schmetterlinge in meinem Bauch. Und noch immer verstand ich nicht, was da mit mir passierte.
„Ich will dich nicht in einem Monat verlassen müssen", flüsterte er und jetzt waren unsere Gesichter sich so nahe, dass ich seinen Atem spüren konnte.
„Ich will das auch nicht... Du bist... mir so wichtig, Newt. Und ich verstehe einfach nicht, was mit uns passiert." Auch ich flüsterte.
Was würde jetzt passieren? Würde er mich küssen? Würde ich ihn küssen? War das richtig?
Doch eine Antwort auf meine Fragen bekam ich nicht, denn jemand klopfte an unsere Tür und wir zuckten beide zusammen und entfernten uns wieder voneinander. Ich merkte, wie meine Wangen leicht erröteten, als mir bewusst wurde, wie nah unsere Gesichter sich eben noch gewesen waren.
Schnell stand ich auf und lief die paar Meter Richtung Tür. Ich öffnete sie vorsichtig und spähte hinaus.
Da stand Minho und war völlig außer Atem.
„Anna..."
„Minho, was –?", begann ich, wurde dann aber von ihm unterbrochen, als er sich noch einmal schnell im Korridor umsah und mich dann zurück in das Zimmer drückte.
Keuchend ließ er sich auf das freie Bett fallen, denn Newt saß noch immer auf meinem, so wie ich ihn eben zurück gelassen hatte.
„Was ist los, Minho?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Die... die sind völlig verrückt geworden." Er atmete immer noch schnell, beruhigte sich aber langsam.
Ich setzte mich neben ihn und sah ihm in die Augen.
„Ganz ruhig. Erzähl mir was passiert ist. Wir haben Zeit."
„Nein, haben wir nicht! Überhaupt nicht! Wir müssen schnell handeln, aber ich weiß nicht, was wir machen sollen", er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und redete dann weiter. „Die haben sich was Neues ausgedacht. Irgendwelche Viecher, die sie ins Labyrinth lassen wollen. Griever haben die sie genannt. Ich konnte nicht alles hören. Aber die Dinger scheinen gefährlich zu sein. Janson hat mit Paige darüber geredet, als ich gerade meinen Gesundheitscheck hatte. Die liefen durch das Labor und haben darüber gequatscht als wäre es nichts. Und das schlimmste ist, Janson hat es gefallen. Er hat gelacht! Wann hast du ihn das letzte Mal richtig lachen sehen?"
Ich starrte ihn an, verstand nicht richtig. Was erzählte er da? Und was sollten wir jetzt tun? Wir hatten doch keine Ahnung.
Wir müssen mit Thomas reden.
Das war alles, was mir durch den Kopf schoss. Etwas anderes blieb uns ja auch nicht. Wir mussten herausfinden, was es mit dieser Geschichte auf sich hatte und das wussten sie am ehesten in den Überwachungslabors - wo wir auch bald arbeiten würden.
„Kommt, wir müssen zu Thomas." Mehr brauchte es nicht und wir waren alle auf den Beinen und zur Tür heraus.

„Janson hat was erzählt?! Mitten im Labor?!" Teresa war vollkommen außer sich.
Sie hatte uns ja zuhören müssen, schließlich arbeitete sie um diese Uhrzeit mit Thomas.
„Er sprach von diesen Dingern" – „Grievern", unterbrach sie Minho – „dann halt Grievern, als seien sie etwas ganz tolles. Er hat sich richtig gefreut, zu beobachten, wie die Jungs und Mädels in den Labyrinthen das erste Mal auf sie stoßen."
Er war immer noch völlig aufgebracht. Ich legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.
„Wie viele Menschen waren da? Wer könnte es alles gehört haben? Warum hat Miss Paige ihn nicht aufgehalten?"
Langsam machte sie auch mich wütend.
„Ist das nicht vollkommen egal, Teresa? Jetzt sagt uns endlich, was das alles zu bedeuten hat!"
Ich funkelte sie böse an, was sie allerdings gänzlich kalt zu lassen schien. Thomas, der bisher kein Wort gesagt hatte und immer noch auf seinem Stuhl saß räusperte sich nun und alle Blicke wanderten zu ihm.
„Was Janson da gemeint hat... Diese Griever... Das sind halb organische, halb maschinelle Wesen, die im Labyrinth leben werden und angreifen sollen, wenn sie einem Menschen begegnen. Eins in jedem Abschnitt. Das heißt jeden Tag ist eines frei im Labyrinth. Es wird eine ganz neue Abteilung eingerichtet, um sie zu steuern.  Wenn es nach Miss Paige geht, bleiben sie hauptsächlich nachtaktiv und die Probanden bekommen überwiegend nur ihre Schreie zu hören. Aber das ist leider ziemlich unwahrscheinlich."
Ich hörte, wie Newt neben mir scharf Luft einsog und spürte, wie Minhos Arm sich unter meiner Hand anspannte.
„Was soll das heißen, ziemlich unwahrscheinlich?", fragte Newt.
Ich sah zu ihm herüber. Er hatte seine Augen zu Schlitzen zusammengekniffen und stand angespannt da.
„Tja, das werdet ihr beiden wohl bald selber sehen, oder?", fragte Teresa und sah dabei von Newt zu mir.
„Ich will es aber jetzt von euch hören!", fauchte ich sie an und sie machte einen Schritt zurück.
„Janson will, dass die Griever auch tagsüber im Labyrinth umherlaufen. Er will, dass wenn jemand auf die Idee kommt, einen Ausgang zu suchen, eine Überraschung auf ihn wartet, mit der er sich herumschlagen muss", begann Thomas.
Teresa fiel ihm ins Wort: „Und das ist sehr wahrscheinlich. Der hohe Rat ist gerade dabei, darüber abzustimmen und sie werden mit ziemlicher Sicherheit für die zweite Variante stimmen. Die bringt noch mehr Ergebnisse."
Ich sah Thomas an und konnte erkennen, dass ihn das, was er hier machte tief in ihm drinnen quälte. Unsere Blicke trafen sich kurz und ich konnte eine Träne auf seiner Wange glitzern sehen.
„Oh Tommy", stieß ich hervor und ging auf ihn zu, hockte mich vor ihn und umarmte ihn. Dabei spürte ich Teresas Blick die ganze Zeit auf mir. Ich konnte mir vorstellen, wie sie mich gerade ansah.
„Es tut mir so leid. Ich schaffe es einfach nicht, sie zu beschützen. Ich werde auch Gally nicht beschützen können. Und ihn auch nicht...", flüsterte er und deutete auf Newt.
Ich spürte, wie ein Kloß sich in meinem Hals seinen Weg nach oben bahnte.
„Ist schon gut, Tommy, ist schon gut. Es ist nicht deine Schuld."
Ich drückte ihn noch ein wenig fester an mich. Doch als ich über seine Schulter nach oben schaute erstarrte ich. Da war Gally. Und er litt.
Ich richtete mich abrupt auf, meine Augen auf den Monitor über mir gerichtet. Dort, über den Monitoren, die alle möglichen Ecken des Labyrinths meiner Freunde zeigte, hing ein einziger Bildschirm, auf dem man die zugehörige Gedächtniskammer sehen konnte.
Der Anblick zerriss mir das Herz. Ich spürte, wie mir heiße Tränen die Wangen herunter liefen und jede Sekunde, die ich Gally so sah, mich immer weiter zerriss. Doch ich konnte nicht wegsehen, konnte meine Augen einfach nicht abwenden. Ich war wie erstarrt.
Ich spürte eine fremde Hand auf meiner Schulter und merkte, dass es Teresa war, die da neben mich getreten war. Als sie zu reden begann, war es, als wäre sie jemand völlig anderes als eben noch. Ihre Stimme war weich.
„Er wird sich nicht daran erinnern, was er da durchmachen musste, wenn er in der Box wieder aufwacht. Er wird die Schmerzen vergessen haben. So wie alles andere auch."
Sie hielt inne, bevor sie weitersprach, als würde sie überlegen, wie sie sich ausdrücken sollte. Teresa rang nach Worten?
„Aber... Nun ja, wir haben in seinem Gehirn etwas beobachtet, was uns stutzig gemacht hat. Es scheint etwas zu geben, was er festhält, als wolle er es nicht vergessen. Und wir glauben zu wissen, was es ist. Gefühle wie tiefe Zuneigung oder Hass, besonders starke Gefühle können erhalten bleiben. Wenn er auf der Lichtung ankommt wird er nicht mehr wissen, an wen er sich erinnert. Aber er wird wahrscheinlich wissen, dass es da jemanden gab, mit dem er tief verbunden war. Er wird sich an das Gefühl erinnern, das er hatte, wenn er bei dir war."
Sie sah mich durchdringend an und ich starrte sie unverwandt an. Sollte Gally doch Recht behalten?
Als wäre ihr aufgefallen, wie einfühlsam sie gerade gewesen war und als wenn sie das so nicht auf sich sitzen lassen könnte, fügte sie noch mit viel weniger warmer Stimme hinzu: „Und selbst, wenn es nicht so ist, hast du noch eine andere Möglichkeit, wie er sich an dich erinnern könnte. Wenn ein Griever einen sticht und es denjenigen nicht umbringt, dann kann er sich erinnern. Zwar nicht an alles und an Abläufe, aber an Gefühle und Gesichter."
Damit ließ sie meine Schulter los und setzte sich auf ihren Stuhl.
„Vielleicht fragst du einen, der die Griever steuert, ob er Gally sticht."
Ich sah sie mit offenem Mund an. Aber das schien sie gar nicht zu merken.
„Ihr solltet jetzt gehen, bevor noch jemand was merkt." Mit diesen Worten begann sie, auf irgendwelchen Knöpfen herumzudrücken. Für sie war das Gespräch beendet.

From The WICKED Start | A Maze Runner Story Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon