21 | effervescent

1.1K 68 87
                                    

_________________

| 21 |

e f f e r v e s c e n t

august 2013

_________________

Allison || Wilde, schwarze Locken sind im ersten Augenblick alles, was ich sehe, sobald ich aus der Bahn steige.

Ich werde in eine euphorische Umarmung gezogen, die mich im ersten Moment panisch werden lässt, bis mir auffällt, dass das dunkelhäutige Mädchen meine zukünftige Mitbewohnerin ist. Sie begrüßt mich, als würden wir uns schon ein Leben lang kennen.

„Ich habe dich von den Fotos wiedererkannt, Ally", lächelt sie strahlend und hakt sich dann bei mir unter. „Ich hoffe, deine Zugfahrt war gut?"

Etwas überwältigt starre ich sie an, während ich versuche mit ihrer Selbstverständlichkeit klar zu kommen.

„Wollten wir uns nicht eigentlich in der Wohnung treffen?", frage ich zögerlich, während sie mich mit strammen Schritten Richtung Underground der Euston Station zieht. „Oder habe ich das falsch verstanden."

Helens Afrolocken wippen im Takt, während sie sich grinsend zu mir umdreht. „Ich dachte, dass es doch viel cooler wäre, wenn wir das erste Mal gemeinsam in unsere Wohnung reingehen werden. Also habe ich auf dich gewartet."

Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen, dass das Mädchen, das ich bisher nur flüchtig über Skype kennengelernt habe, extra wegen mir so viele Umstände ertragen musste.

„Du hast hoffentlich nicht zu lange gewartet?", murmele ich leise. „Tut mir leid, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich einen früheren Zug genommen."

Schokoladenbraune Augen, die grundsätzlich freudig aussehen zu scheinen, funkeln mich vergnügt an, während wir gemeinsam mit gefühlt tausend anderen Leuten die Rolltreppe zu unserem Gleis herunterfahren. „Ach was, Ally. Das ist doch überhaupt gar kein Problem."

Helen erzählt mir aufgeregt von ihren ersten Tagen in London, in denen sie anscheinend ohne Probleme bereits zehn Freundschaften in ihrem Job als Kellnerin geschlossen hat und ich nicke, während ich ihr zuhöre. Ich bin froh darüber, dass ich nicht direkt reden muss und erst einmal bloß vorsichtig austesten kann, wie genau wir miteinander zurechtkommen.

Als die Tube schließlich röchelnd einläuft und alle die ‚Mind your Gap'-Anweisung gekonnt befolgen, bin ich mir jedoch ziemlich sicher, dass Helen und ich zumindest keine Feinde werden. Das erleichtert mich unheimlich, denn während ich nicht erwarte, dass wir beste Freunde werden, so ist es doch ganz schön, wenn ich mich mit meiner Mitbewohnerin zumindest zivilisiert unterhalten kann.

„Ihr Engländer seid so höflich", kommentiert Helen amüsiert, während sie kopfschüttelnd dabei zusieht, wie erst alle aus dem Wagon aussteigen.

„Ihr Amerikaner nicht?", erkundige ich mich interessiert, denn fremde Kulturen haben mich immer schon fasziniert. Ich bin die Höflichkeit der Manchester gewohnt und ehrlich gesagt eher negativ geschockt, dass die Londoner viel weniger Rücksicht nehmen als in meiner Heimat.

Es ist Rushhour, was es nicht einfacher macht, meinen Koffer durch das Gedränge in die Tube zu schieben. Ich bin froh darüber, dass ich mich erst einmal auf ein Gepäckstück beschränkt habe und meine Eltern am Wochenende alles weitere von Manchester hierherfahren werden, wenn sie mich das erste Mal in meinem neuen Leben besuchen kommen.

„Nein, in Saint Paul hätten wir uns alle schon zehn Mal die Ellbogen hineingebohrt, um den besten Platz u erwischen", lacht Helen.

„Saint Paul ist die Hauptstadt Minnesotas", erklärt sie mir, als sie meinen verwirrten Blick bemerkt.

Serendipity || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt