15 | suffuse

1.2K 75 124
                                    

_________________

| 15 |

s u f f u s e

januar 2013

_________________

Allison || Ein Streifenhörnchen hätte wahrscheinlich mehr zur Unterhaltung beizutragen als ich momentan, weswegen ich missmutig meine Gabel in den Pommes versenke und sie in meinem Mund verschwinden lasse.

Harry wirft mir einen irritierten Blick zu, weil ich ihm vor einigen Wochen erzählt habe, dass man Fritten eindeutig nur mit den Fingern essen sollte, weil alles andere einfach nicht in Ordnung ist. Doch heute brauche ich die Gabel, um meine unterdrückte Aggression herauslassen zu können.

„Alles okay mit dir, Al?"

„Alles bestens", entgegne ich mit einem gequälten Grinsen, doch das sieht er bereits nicht mehr, ist er doch schon wieder in die Unterhaltung mit meiner besten Freundin eingebunden.

Heute Morgen habe ich gedacht, dass wir Jills und meinen Trip nach London für ihr Nachwuchsfilmfestival ganz wunderbar damit verknüpfen können, auch ein wenig Zeit mit Harry zu verbringen. Doch schon seit der ersten Viertelstunde des Mittagessens bereue ich diese Entscheidung.

Ich habe kaum ein Wort sagen können, weil Jill das Gespräch andauernd auf Los Angeles und irgendwelche Berühmtheiten lenkt, deren Name ich noch nie im Leben gehört habe. Harry anscheinend schon, denn er ist genauso begeistert in die Unterhaltung vertieft.

Als uns der Kellner endlich fragt, ob wir noch etwas zum Nachtisch haben wollen, will ich dankbar ablehnen, doch Harry nickt begeistert und ordert bevor ich überhaupt die Gelegenheit habe, den Mund zu öffnen. Wahrscheinlich ist er mir in der letzten Stunde so verkrampft, dass ich ihn heute Abend erst einmal auseinanderschweißen muss.

Dass die Hand meiner besten Freundin gefährlich nah neben Harrys liegt, hilft meiner schlechten Laune auch nicht wirklich.

Der Kellner kommt mit einem gefakten Lächeln zu unserem Tisch zurück und stellt die Süßspeisen vor uns ab. „Zwei Stücke Kuchen und eine Crème brûlée. Guten Appetit."

„Vielen Dank", entgegnet Harry höflich und Jillian plappert seine Worte direkt nach.

Ich bleibe stumm, denn es interessiert ohnehin niemanden, was ich denke.

Als meine beste Freundin Harry jedoch ihre Gabel hinstreckt, damit er von ihrem Kuchen probieren kann, bekomme ich genug.

„Sorry, Harry. Aber Jill und ich müssen mal ganz kurz an die frische Luft", entgegne ich und bemühe mich, völlig unschuldig zu klingen. „Was zu ihrem Film besprechen, nicht wahr?"

Ich sehe zu meiner besten Freundin herüber, die mich verwirrt ansieht. „Was?"

„Dein Film", zische ich und ziehe sie auffordernd von ihrem Stuhl hoch, der genauso nobel und überteuert wirkt wie alles in diesem Luxusschuppen. Ich wäre am liebsten einfach zur Pizzeria gegangen, aber Harry hat dieses Restaurant vorgeschlagen und Jillian ist direkt begeistert seiner Meinung gewesen.

„Ach ja", wirft Jill eilig ein und ich halte es zugute, dass sie zumindest meinen Hinweis versteht. „Wir sind gleich wieder da, Harry. Wir müssen nur ganz kurz etwas zu den, ähm, zu den Statisten klären."

Harry nickt langsam, zwei Falten auf der Stirn eingegraben, doch ich habe jetzt keine Motivation, ihn aufzuklären. Stattdessen schenke ich ihm nur ein breites Lächeln und ziehe meine beste Freundin durch den Edelschuppen, dessen Kundschaft man ohne Probleme in den nächsten Werbespot stellen könnte.

Serendipity || h.s. ✓Where stories live. Discover now