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c a p r i c e

november 2012

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Harry  || Wayne Rooneys Grinsen ist das erste, was ich sehe, als ich die Augen aufschlage. Ich zucke so verstört verrückt, dass ich mir den Kopf am Bettende anschlage. Seufzend reibe ich mir über die pochende Stelle, während ich realisiere, dass ich mich in meinem Kinderzimmer befinde.

Vor nicht einmal drei Jahren bin ich hier jeden Morgen aufgewacht, doch mittlerweile kommt es mir vor wie in einem anderen Leben. Die Poster der Manchester United Spieler sind bereits seit einigen Saisons nicht mehr aktuell und ein paar der Fußballer sind bereits im Ruhestand. Auch die Plakate meiner Lieblingsmusiker sind an den Enden leicht verblichen, dennoch bringe ich es nicht übers Herz, sie abzuhängen.

Außerdem bin ich ohnehin bloß nur jeweils einige Tage in meinem Elternhaus, weswegen es mich nicht wirklich stört. Ein Teil von mir findet es sogar tröstend, immer wieder in diese vertraute Welt flüchten zu können, wenn ich das Gefühl habe, abzuheben. Eine Nacht in meinem quietschenden Metallbett umringt von alten Schulbüchern und längst vergessenen Kinderspielen bringt Wunder, um mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

Ebenso hilfreich ist meine Mutter, die aus der Küche meinen Namen schreit und verlangt, dass ich zum Frühstück erscheine. Hier zu Hause werde ich genauso behandelt wie jeder andere und das ist unheimlich gut für meine Seele. Auch wenn ich darauf verzichten könnte, morgens um acht aus dem Schlaf gerissen zu werden.

„Morgen", grummele ich, als ich zehn Minuten später in die Küche gestolpert komme.

Robin sieht lächelnd von der Tageszeitung auf, die er grundsätzlich während des Frühstücks verschlingt. „Guten Morgen, H." 

„Gut geschlafen, Schatz?", fragt meine Mutter, während sie mir ein Rührei auf den Teller legt.

„Zumindest bis ich beim Aufwachen von Rooney heimgesucht wurde", meine ich und fahre mir durch die Haare, die sicherlich aussehen, als wäre ich in einen Wirbelsturm geraten.

Grinsend nippt Mum an ihrem schwarzen Tee. „Das sind die fehlenden Haare. Die können einen wirklich gruseln."

Ein sanftes Rascheln ertönt, als mein Stiefvater die Zeitung umblättert und einen Blick auf den Sportteil wirft. Ein so leises Geräusch, das mich immer an meine Heimat erinnern wird. Während ich noch hier gewohnt habe, habe ich es nie richtig zu schätzen gewusst und habe mich auch am Wochenende schnell vom Esstisch weggestohlen. Heute könnte ich stundenlang mit meinen Eltern am Tisch sitzen, doch die vergangene Zeit werde ich nie wieder aufholen können.

„Meinst du, die Haare sind daran schuld, dass United am Wochenende so furchtbar gespielt hat?", merkt Robin stirnrunzelnd an, während er auf den Zeitungsartikel herunterblickt.

„Sie haben trotzdem gewonnen", entgegne ich stur und hoffe, dass das die Wahrheit ist.

Ich habe Fußball einmal geliebt, doch in letzter Zeit bin ich nicht oft in der Lage gewesen, der Saison überhaupt zu folgen. Mein Leben ist zu hektisch und gerade meine Wochenenden sind terminüberladen.

„Liverpool aber auch", zieht mein Stiefvater mich auf. „Was bedeutet, dass wir euch dieses Jahr richtig fertig machen werden."

Ich verdrehe lächelnd die Augen, denn ich habe es vermisst, mit ihm zu fachsimpeln. Er ist es, der die Fußballbegeisterung meiner Kindheit unterstützte, während mein richtiger Vater sich nie wirklich dafür interessierte. Obwohl sein Herz für den Erzrivalen meines Lieblingsclubs schlägt, ist es dennoch Robin gewesen, mit dem ich das erste Mal im Fußballstadium gewesen bin.

Serendipity || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt